Teil 2 - 2015 Kapitel 1

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Ich wusste nicht, wieso mich mein Weg heute ausgerechnet hier her führte. Schon lange hatte ich nicht mehr an ihn denken müssen, aber heute ging es nicht anders. Julia passte auf Stephan auf. Fast drei Jahre alt war er jetzt schon und ich hatte keine Ahnung, wohin die Zeit gerannt war.

Und wieso ich es nicht schaffte, bei meinem Entschluss zu bleiben, seinen Vater nie mehr wieder zu sehen. Der Abschied von Julia und von meinem Traum eine erfolgreiche Redakteurin zu werden war schwer, aber als mein kleiner Sohn in meinen Armen lag, waren all die Zweifel wie weggeblasen.

Julias Eltern kümmerten sich liebevoll um uns, stellten uns ihr Poolhaus zur Verfügung und wollten nicht einmal etwas dafür haben. Sie waren einfach froh, dass ich mich für das Baby entschieden hatte. Und ich auch.

Die Monate bis Stephan zur Welt kam, arbeitete ich wirklich bei der kleinen Zeitung im Ort. Dave war mehr als glücklich, dass ich für ihn arbeiten wollte. So glücklich, dass er mir die Stelle freihielt, als ich zu Hause bleiben musste und ich wieder einsteigen konnte, nachdem ich einen Krippenplatz gefunden hatte. So betrachtet, waren nicht nur die Eltern meiner besten Freundin und sie selbst, sondern auch Dave mein Lebensretter. Und das seit beinahe vier Jahren jetzt schon. Er ist ein großer Teil unseres Lebens. Mit seinen 35 Jahren ist er deutlich älter als ich, aber trägt mich auf Händen.

Ich weiß gar nicht mehr so wirklich, wie es geschah, aber eines Abends trafen wir uns zum Essen. Monatelang hatte ich mich dagegen gesträubt mit meinem Chef auszugehen. Ganz egal wie gut er aussah. Nach Philpp hatte ich keine Lust mehr auf einen Mann, doch Dave ließ nicht locker. Heute wusste ich, dass es eine gute Entscheidung war. Er liebte Stephan beinahe ebenso sehr wie mich und kümmerte sich liebevoll um ihn. Er trug mich auf Händen und war mir nicht böse, dass ich noch immer nicht mit ihm zusammenziehen konnte. Oder wollte.

Mir war meine Unabhänigkeit wichtig. Ich wollte Stephan eine gute Mum sein, die sich um ihn kümmern konnte. Auch ohne einen Mann an ihrer Seite. Wir sahen uns im Büro beinahe täglich, privat jedoch maximal 4 Mal die Woche. Er akzeptierte meinen Drang nach Freiraum und drängte mich zu nichts. Auch wenn ich zu deutlich spürte, wie sehr er sich nach mehr Nähe sehnte oder auch danach mich endlich in seinem Haus zu haben. Oder seine Frau zu werden.

Nur konnte ich diese Dinge nicht. Nicht wegen Philipp, er war mir beinahe egal. Zumindest die meiste Zeit. Er war der Vater meines wundervollen Sohnes, welcher ihm auch noch wie aus dem Gesicht geschnitten war. Mehr aber nicht.

Nachdem ich weggegangen war, hatte er nicht einmal versucht mich zu finden oder zu erreichen. Julia meinte zwar, dass er sie öfter nach mir gefragt hatte, das zählte jedoch nicht. Wenn er gewollt hätte, wäre ich nicht für ihn verschwunden geblieben. Von Theo wusste ich, dass er wieder mit Ginny zusammengekommen war, nachdem ich drei Monate verwunden war. In diesem Augenblick hatte ich das Gefühl, etwas in mir würde zerreißen. Ich verkroch mich tagelang, widerstand aber dem Drang mich bei ihm zu melden und von meiner Schwangerschaft zu erzählen. Ich wusste, dass ich viel von meinen Freunden verlangten, aber bis heute hatte Philipp nichts von unserem Nachwuchs erfahren. Vielleicht irgendwann, wenn ich in der Lage war, an ihn zu denken ohne dieser Tussi die Augen auskratzen zu wollen. Oder ihm. Weil er mich gehen ließ.

Und jetzt stand ich hier und konnte Philipp sehen. Er war vor einem Jahr hier rausgezogen, viel zu nah bei uns, aber was sollte ich dagegen tun. An diesem See verbrachte ich die Zeit davor viel Zeit mit Dave und Stephan, jetzt aber war die Gefahr zu groß, auch ihn zu treffen.

Die Räder meines Motorrades hatten sich verselbstständigt, hatten den Weg hier raus gefunden und nun stand ich auf der kleinen Anhöhe vor seinem Haus. Es lag ein wenig versteckt, nicht direkt in der Nähe der zugänglichen Wege.

Seit ich meinen Helm abgelegt hatte und Philipp erblickte, schlägt mir das Herz bis zum Halse. Aber ich kann mich nicht dazu durchringen zu ihm zu gehen. Stephan hat morgen Geburtstag. Wir planten eine große Party im Haus von Julias Eltern und ich sollte lieber dort sein und bei den Vorbereitungen helfen, als mich hier hinzusetzen und den Mann zu beobachten, der mein Herz im Sturm eroberte und mich dann als nicht wichtig ab tat. Es schmerzte darüber nachzudenken und mir nach all der Zeit einzugestehen, dass ich ihn geliebt hatte. Wir kannten uns so kurz und doch war es Liebe. Nie zuvor hatte ich so eine Verbindung zu einem anderen Menschen gespürt, selbst wenn wir uns öfter an die Gurgel gingen. Es war nicht nur der Sex, wenn der auch unglaublich war. Es war etwas anderes, dass ich bis heute nicht in Worte fassen konnte.

LESEPROBE - UnvergessenWhere stories live. Discover now