Kapitel 7

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Mehr schlecht als Recht erreichten wir vor unserer Zeit das leuchtend rote Backsteinhaus, in dem die Zeitung saß, für die wir ab heute arbeiteten. Dafür, dass sie eigentlich recht klein war, nutzten sie das ganze Haus und jede Abteilung hatte eine eigene Etage. So saß Julia mit ihren Kollegen der Redaktion unten im Erdgeschoss, in der Mitte saßen die Leute fürs Layout und die Werbung und ganz oben saß die Verwaltung, zu der ich ebenfalls gehörte. Ich würde zum Anfang vor allem als Springerin eingesetzt werden, aber es störte mich nicht. Meine Interessen waren breit gefächert und so konnte ich wenigstens überall reinschnuppern.

Direkt, nachdem wir das Objekt betreten haben, wir Julia von ihrem Chef abgeholt, Julian O'Donell. Ein wirklich gut aussehender Enddreißiger, den nicht einmal ich von der Bettkante schubsen würde. Seine blonden Locken fielen ihm wirr vor die Augen, als er Julia überschwänglich begrüßte und sie mir amüsiert zu zwinkerte. Ich dagegen wartete noch einige Minuten bevor meine Chefin, Joanna Freyday, mich abholte und wir mit schnellen Schritten die Treppen bis ganz hoch erklommen.

»Tut mir leid, der Drucker war gerade abgeschmiert, als ich dich abholen sollte. Aber jetzt läuft wieder alles. Ich zeige dir am besten als Erstes deinen Arbeitsplatz. Tut mir leid, dass es nicht größer ist, aber ich hoffe, du wirst dich trotzdem arrangieren können«, entschuldigte sie sich, als wir eine kleine abgetrennte Ecke erreichten, in der ein Schreibtisch, ein alter Rechner und ein Aktenschrank standen. Es war ganz am Ende des langen Ganges, aber es störte mich überhaupt nicht.

»Alles in Ordnung, Joanna«, beruhigte ich sie. Bereits zur Vertragsunterzeichnung bot sie mir das Du an und ich freute mich darüber, denn es nahm mir ein wenig die Angst vor allem.

»Gut. Heute wirst du mir erst Mal einfach überall hinfolgen. Es sind einige Termine vorzubereiten und Unterlagen zusammenzutragen. Morgen wirst du dann mit einer Datenübertragung anfangen, die uns schon seit Wochen unter den Nägeln brennt. Der Chef will eine komplette Aufstellung darüber, welche Verkaufszahlen wir in welchen Stadtteil Manchesters wir haben. Keine schöne Aufgabe, aber sie fällt dir trotzdem zu.«

In ihrem Gesichtsausdruck konnte ich wirkliches Mitleid erkennen, welches nicht einmal nötig war. Für den Anfang würde ich alles tun, damit man mich als zuverlässige und vertrauenswürdige Mitarbeiterin wahrnahm.

»Kein Problem, Joanna. Sowas mache ich sogar ganz gern. Aber solltet ihr sowas nicht digitalisiert haben?« Ich wusste nicht, ob mir diese Frage zustand, aber ihr betretenes Schweigen war Antwort genug.

»Es war niemand da, der sowas hätte machen können. Wir sind chronisch unterbesetzt. Auf allen Posten. Deswegen deine Springerfunktion. Es tut mir leid, wenn wir dir etwas anderes im Gespräch erzählt haben. Für die Rechtsabteilung wirst du auch arbeiten, aber erst später.«

Langsam schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen, da es in meinen Augen überhaupt keinen Grund gab, dass sie sich so unter ihren Lippen wandte.

»Wirklich. Ich habe gar nichts erwartet. Ich bin sehr froh über diesen Job und mache, was ihr mir auftragt, bis es anders sein sollte. Müssen wir nicht los?«, erinnerte ich sie, da sie vorhin von einem Termin sprach, wo Unterlagen benötigt worden.

»Ach stimmt. Danke. Das Layout der nächsten Ausgabe soll besprochen werden und dazu brauchen sie die Probeartikel. Die liegen bei mir. Komm mit«, forderte sie mich freundlich auf und die Erleichterung darüber, dass ich so einfach zufrieden zu stellen war, sah ich ihr deutlich an. Mit schnellen Schritten eilte sie mir wieder voraus und ich hatte kurz zu tun ihr zu folgen. Wir liefen an einigen Büros vorbei, in die ich freundlich winkte, aber nur selten eine Reaktion erhielt. Jeder hing über seinem Computer oder irgendwelchen Dokumenten. Ein geschäftiges Treiben war zu verspüren und ich fühlte mich pudelwohl. Die Menschen hier nahmen ihre Arbeit scheinbar sehr ernst und das war genau der richtige Ort für mich.

LESEPROBE - UnvergessenWhere stories live. Discover now