Kapitel 4

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Ich hatte keine Ahnung, wie ich es wieder in mein Bett schaffte, aber als ich am nächsten Morgen durch den köstlichen Duft von frischem Kaffee geweckt wurde, lag ich in meine Kissen gekuschelt und bemerkte sofort, dass ich lächelte. Dieser Kuss musste ein Traum gewesen sein, denn nie und nimmer konnte sich ein einfacher Kuss so weltverändernd anfühlen. Das war einfach nicht möglich und vor allem hätte ich doch niemals zugelassen, dass Philipp mich küsste, oder?

Doch als ich mich aufsetzte, stockte ich. Denn meine Lippen fühlten sich gereizt an und als ich mit den Finger darüber strich, spürte ich, dass sie leicht geschwollen waren. Sie mussten so aussehen, wie Julias, wenn sie von einer Nacht woanders zurückkam und die ganze Zeit küsste. So schnell war ich glaube ich noch nie auf den Beinen gewesen und starrte mich selbst im Spiegel meines Kleiderschranks an. Obwohl meine Haare eher einem Vogelnest glichen und ich verschlafen aussah, konnte ich das Glänzen meiner Augen nicht ignorieren. Es war also doch kein Traum gewesen, stellte ich für mich selbst fest und kämmte mir schnell die Haare. Da ich gestern schon im selben Aufzug die anderen angetroffen hatte, störte mich meine Jogginghose nicht. Mit einem strahlenden Lächeln und einem hüpfenden Herzen trat ich aus meinem Zimmer und folgte den fröhlichen Stimmen ins Wohnzimmer. Lächelnd fand ich unsere beiden Gäste und Julia dort wieder, die es sich mit Theo auf dem Boden auf einigen Kissen bequem gemacht hatte. Philipp saß allein auf dem Sofa und sah keineswegs mehr sauer aus. Zumindest nicht mehr so, wie diese Nacht, als er ins Bett gegangen war. Bevor er mich so küsste. Ganz vorsichtig ließ ich mich auf den Sofa nieder und schaute in glückliche Gesichter.

»Du musst ja gut geschlafen haben. Du strahlst ja«, stellte Julia grinsend fest und zwinkerte mir zu, als wüsste sie genau, was zu meinem Zustand geführt hatte. »Das neue Bett bewirkt Wunder«, gab ich ihr zur Erklärung. Von der Seite vernahm ich ein Schnauben und drehte mich zu Philipp.

»Auch dir wünsche ich einen schönen guten Morgen«, ließ ich ihn wissen und hoffte auf irgendein Zeichen, dass es okay wäre, wenn ich näher rückte. Denn das wollte ich mehr als alles andere. Es war total verrückt, aber ich wollte wirklich in seiner Nähe sein. Doch er sagte gar nichts, legte bloß den Kopf schräg und musterte mich aufmerksam. Mit einem Mal war mir mein Aufzug doch peinlich und ich sah zum Tisch. Darauf fand ich frische Brötchen, den Kaffee und verschiedenen Belag.

»Ich wusste gar nicht, dass wir so viel zum Frühstück besitzen«, wunderte ich mich, während ich mit Kaffee eingoss und mit geschlossenen Augen einen ersten heißen Schluck nahm.

»Tun wir auch nicht. Aber als ich aufstand, waren Theo und Philipp schon einkaufen und der Tisch war so gedeckt. Super oder?«, grinste sie und biss genüsslich in ihr Marmeladenbrötchen. Ich nickte zustimmend und rutschte ebenfalls auf den Boden, um mir mein Brötchen zu schmieren. Noch immer wartete ich auf eine Reaktion oder einen Ton von Philipp. Doch als er auch nicht mit mir sprach, nachdem wir alle aufgegessen hatten und Theo ihn fragte, ob sie losmachen wollen, sank meine Stimmung immer mehr. Ich musste mir wahrscheinlich eingebildet haben, dass er diesen Kuss so genossen hatte wie ich, denn seine kalte Schulter zeigte mir zumindest überdeutlich, dass es ein nächtlicher Ausrutscher sein musste. Für ihn.


Wenn nicht, könnte er schließlich auch mit mir sprechen. Aber das tat er nicht, sondern mied auch noch meinen Blick, als er sich tonlos verabschiedete und genervt daneben stand, als sich Julia und Theo minutenlang küssten. Es war mir unangenehm, jetzt so in seiner Nähe zu stehen und es drängt mich danach, mit ihm zu klären, was er mit seinem Verhalten beabsichtigte. Als kein Ende des Kussmarathons in Sicht war, ging ich die wenigen Schritte zu ihm, schnappte mir seine Hand und zerrte ihn in mein Zimmer. Es war egal, ob er jetzt noch missmutiger dreinblickte oder direkt an der Tür stehen blieb. Immer zur Flucht bereit. Aber ich wollte nichts von ihm. Nur eine Antwort.

LESEPROBE - UnvergessenWhere stories live. Discover now