Kapitel 9

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Noch immer konnte ich nicht fassen, was hier geschehen war. Würde Philipp nicht immer noch neben mir liegen, mein Kopf auf seiner Brust, sein Arm um meine Hüfte geschlungen, ich hätte es für einen Traum gehalten. Diese Dinge aber bewiesen mir, dass es real war und ich keine Ahnung hatte, wie ich damit umgehen sollte.

Ich trug wieder mein Höschen und mein Shirt, während Philipp nur in seiner Boxershorts unter mir lag. Seit mehreren Minuten hatten wir nicht mehr gesprochen und ich hatte auch keine Ahnung, was ich hätte sagen sollen. Meine Finger malten Kreise auf seinem Bauch, immer mal wieder zuckte er, wenn ich ihn kitzelte. Ich traute mich nicht, mit meiner Hand weiter nach unten zu wandern, auch wenn es mich drängte zu erfahren, wie er sich wohl anfühlen würde. Mit einem Mal waren all meine Bedenken verschwunden und auch die Zweifel, dass wir uns erst so kurz kannten. Philipp hatte mich überrascht, als er mich zu nichts drängte, was ich nicht wollte. Und dafür war ich ihm dankbar. Das, was er mit mir angestellt hatte, reichte mir erstmal, denn auch wenn ich mich schon eine Weile wieder beruhigt hatte, war mein Körper innerlich immer noch in hellem Aufruhr. Das Glückgefühl, das diese Explosion in mir ausgelöst hatte, war unglaublich und würde noch einige Stunden, wenn nicht bis morgen nachhallen.

Wie würde es jetzt weitergehen? Würde es überhaupt weitergehen mit uns? Gab es ein uns? Oder war das alles immer noch ein Spaß für Philipp? Den es reizte mich erst bis aufs Blut zu demütigen und dann zu verführen? War das wohlmöglich sein Plan gewesen? Ich hatte auf diese Fragen keine Antworten und war mir auch nicht sicher, ob ich sie erfahren wollte. Was, wenn sie mich noch mehr verletzten, als sein Vorwurf, eigentlich nichts von mir unerfahrener Jungfrau zu wollen. Es versetzte mir einen Stich daran zu denken, aber vergessen konnte ich es trotz seiner Entschuldigung und dem, was hier geschah, nicht.

»Ich glaube, ich sollte langsam los«, murmelte Philipp irgendwann gegen meinen Kopf, bevor er einen sanften Kuss auf meine Haare drückte. Die Stelle prickelte kurz, dann machte sich die Ernüchterung breit, dass er nicht bleiben würde. Hatte ich das überhaupt gewollt? Dass er diese Nacht hierblieb und mich festhielt? Woher kamen diese Wünsche mit einem Mal? Das Bett mit einem Mann zu teilen, kam mir noch nie so verführerisch vor, wie in diesem Moment. Und doch war mir klar, dass ich ihn gehen lassen musste. Ich wollte nicht, dass Philipp dachte, ich würde klammern oder ihn festhalten wollen. Zwischen uns war an sich überhaupt nichts, uns verband nichts. Außer die Streitereien, diese unglaublichen Küsse und das er mir meinen ersten Orgasmus schenkte. Aber mehr war es auch nicht. Dies musste ich mir hart eingestehen, denn mein dummes Herz war dabei, es anders zu sehen. Es schlug schon wieder viel zu schnell und ich erhob mich ruckartig, damit er nicht mitbekam, was schon wieder in mir los war.

»Stimmt. Wir müssen morgen wieder früh im Büro sein«, stimmte ich ihm zu und rückte gegen die Wand in meinem Rücken. Er sollte nicht bemerken, dass ich mir etwas anderes wünschte, und wollte es mir am liebsten auch nicht eingestehen.

»Ich bin froh, dass du das auch so siehst«, lächelte er mich an, und ich konnte nicht verhindern, dass der Kloß in meinem Hals das Schlucken beträchtlich einschränkte.Ich hasste mich selbst dafür, dass es mir so schwerfiel, ihn einfach gehen zu lassen. Mir musste doch klar sein, dass Philipp nicht so empfand wie ich. Er machte gerade eine Trennung durch, hatte sicher schon mehr als eine Frau im Bett. Und laut Theo dennoch erst eine ernsthafte Beziehung. Warum wunderte ich mich dann jetzt, dass er ging?

Stumm sah ich ihm dabei zu, wie er aufstand, bewunderte sein Rückentattoo und wünschte mir, er würde zurück ins Bett kommen, und ich könnte die feinen Linien mit den Fingern nachzeichnen. Würde er eine Gänsehaut bekommen?

Es war ein Schauspiel, wie sich die Muskeln seines Rückens unter dem Bild bewegten, als er sich das Shirt überzog. Aus einem mir unerfindlichen Grund brannten meine Augen in dem Moment, in dem Philipp mein Zimmer verließ, die Jacke über die Schultern zog und mich nicht einmal mehr ansah. Er ging einfach und ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten, als die Wohnungstür hinter ihm ins Schloss viel. Keine Verabschiedung, kein Blick, kein gar nichts mehr. Und ich ärgerte mich schon wieder. Dass ich zuließ, dass er mich so in der Hand hatte. Zwar war ich selbst schuld, hatte ich es zugelassen, aber wäre es denn wirklich zu viel verlangt gewesen, dass er wenigstens Bye sagte und nicht einfach so verschwand?

LESEPROBE - UnvergessenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt