Kapitel 3

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Ohne das ich es wollte, musste ich mir eingestehen, dass ich Stephan noch nie so glücklich erlebt hatte. Mit Philipp in seiner Nähe blühte mein Sohn richtig auf und nahm Philipp anstandslos in sein Leben auf. Selbst beim Abendbrot wich er nicht von seiner Seite, hielt seine Hand als wir ein Lagerfeuer entzündeten und wollte sich nur von ihm ins Bett bringen lassen. Immer wieder musste ich die Blicke meiner besten Freundin über mich ergehen lassen, die immer eindringlicher wurden.

Seufzend folgte ich den beiden ins Haus, in Stephans Zimmer das er hier hatte. Und behalten würde, auch wenn Julias Baby auf die Welt kam. Ihre Eltern versprachen mir heute Nachmittag, dass sich nichts ändern würde und Stephan weiterhin zu ihrem Leben gehörte. Mein Herz weinte vor Freude als sie mir das erklärten und ich musste mehrfach schlucken,damit sie meine Tränen nicht mitbekamen. Ich hatte dieses Glück nicht verdient.Jeder sah doch, wie sehr sich Stephan nach einem Vater sehnte, würde er sich sonst so an Philipp hängen? Spürte er womöglich, dass dieser Mann mehr war, als ein einfacher Freund?

Ich hatte keine Ahnung, aber die Überlegung allein schnürte mir den Hals zu. Mit verschränkten Armen und geschlossenen Augen, lehnte ich neben der Tür zu Stephans Zimmer und hörte Philipp dabei zu,wie er seinem Sohn eine Geschichte aus seinem Lieblingspiratenbuch vorlas. Drei Mal. Ohne zu meckern.

Vorsichtig wagte ich einen Blick um die Ecke und schluckte trocken, als Philipp dem kleinen, eigentlich für ihn fremden Jungen einen Kuss auf die Stirn drückte. Und ihn dann eine Weile stumm betrachtete.

"Er ist ein wundervoller Vater",erschreckte mich Julias Dad, der plötzlich neben mir aufgetaucht war. Mir wares unmöglich zu sprechen, also nickte ich ergeben. Denn auch ich konnte nichtabstreiten, dass Philipp ein Händchen für Stephan hatte.

"Geh heute Abend mit ihm. Wir passen auf Stephan auf. Du musst mit ihm reden. Besser sofort, als später."

Ich musste ihn nicht ansehen, um zu wissen,dass er wieder recht hatte. Es wurmte mich, ich hatte Angst. Und ich freute mich.

"Okay", bedeutete ich ihm stumm und er verschwand so lautlos, wie er neben mir aufgetaucht war. Wieder schloss ich die Augen, denn ich hörte leise Schritte, die sich auf mich zu bewegten.

"Nicht erschrecken", flüsterte ich beinahe lautlos, als Philipp neben mir auftauchte und natürlich trotzdem zusammenzuckte. Das Lächeln schlich sich von ganz allein auf meine Lippen, als seine grünen Augen auf mir landeten und forschend über mein Gesicht strichen.

"Ich muss mit dir reden. Aber nicht hier.Können wir zu dir fahren?"

Die Worte verließen meinen Mund leichter, als ich gedacht hatte und nun erwiderte Philipp auch endlich mein Lächeln. Den ganzen Nachmittag über hatten wir nur wenig Zeit um miteinander zu sprechen.Und nachdem er wieder in meinem Leben war, sehnte ich mich danach. Die Worte von gestern schwirrten in meinem Kopf herum, und zu gern wollte ich ihm einfach glauben, dass er mich genauso liebte, wie er es mir versicherte. Doch meine Schutzmauer war zu stabil und hochgebaut. Ich konnte es nicht riskieren. Nicht,wenn auch Stephan darunter leiden könnte.

"Nichts lieber als das", raunte Philipp ungehalten, griff nach meiner Hand und zog mich hinter sich her. Ich hatte nicht einmal mehr Zeit dafür, Stephan gute Nacht zu wünschen. Aber er hatte einen guten Ersatz für mich. Schneller als ich schauen konnte, war ich in Philipps Wagen und sah mich das Grundstück verlassen. Er ließ mir wirklich keine Chance es mir noch einmal anders zu überlegen, dachte ich mir, als sein Blick immer wieder unsicher zu mir glitt.

Mir graute es davor, ihm die Wahrheit zusagen. Gerade jetzt, wo wir uns wiedergefunden hatte und ich erkannte, wie sehr er mir die letzten Jahre fehlten. Vielleicht kannten wir uns damals nur eine kurze Zeit, aber diese war intensiver als alles andere jemals zuvor. Und genau darauf musste ich mich verlassen. Philipp würde sauer sein, natürlich, aber Stephan hatte einen Platz in seinem Herzen bereits erobert. Und einem kleinen Kind, konnte er nicht böse sein. Es war nicht seine Schuld. Sondern allein meine.

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