Kapitel 2

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Ich hatte keinen Schimmer, wie ich von Philipp losgekommen war. Seine letzten Worte klingelten noch immer in meinen Ohren. Nur widerwillig hatte er mich gehen lassen, aber selbst er musste einsehen, dass es so nicht ging. So einfach, wie er sich es vorstellte, war es nicht. Wir waren jetzt erwachsen, wir hatten Verpflichtungen. Auch wenn meine ein wenig schwerwiegender waren.

Völlig in Gedanken vertieft, kam ich bei Julias Eltern an, in deren Garten wir den Geburtstag von Stephan feiern würden. Es gab einen Pool, Girlanden, Kuchen, kühle Getränke und einige Kinder aus seinem Kindergarten würden da sein. Schon seit Wochen freute er sich auf diesen Tag. Und ich mich eigentlich auch. Nur konnte ich mich einfach nicht darauf konzentrieren.

"Kannst du mir mal sagen, wo du warst?", blaffte Julia mich an, als ich in den Garten trat. Doch ich wurde einer ersten Antwort enthoben, als Stephan auf mich zugerannt kam und sich von mir hochheben ließ.

"Mama", freute er sich und küsste mich auf die Wange. Mein Herz zerplatzte beinahe vor Glück und Stolz. Nur wegen diesem kleinen Jungen, der mich einfach so nahm wie ich war. Obwohl ich ihm seinen Vater vor enthielt.

"Denke nicht, dass dich die Begrüßung deines Sohnes von einer Antwort befreit. Ich habe ewig versucht dich anzurufen, ob wir noch etwas machen müssen. Die Torte holst du morgen früh, der Pool wird dann noch aufgebaut und befüllt. Also?"

Sie tippte unruhig mit einem Fuß auf, fixierte mich mit ihrem Blick, dem ich schuldbewusst auswich. Es war klar, dass sie schnell erkennen würde, dass etwas ganz und gar nicht stimmt.

Mein Inneres war in Aufruhr, ich konnte nur an Philipp denken und seine eindringliche Bitte, ihm eine Chance zu geben. Aber ich hatte Angst. Ich fühlte mich vier Jahre in der Zeit zurückversetzt, denn damals fühlte ich mich genauso. Konnte ich ihm vertrauen oder würde er mich wieder wegen ihr sitzen lassen? War es nur die Wiedersehensfreude, die ihn dazu veranlasste, solche Dinge zu sagen? Und wenn er es ernst meinte, hatte ich dann nicht die verdammte Pflicht, ihm sofort von Stephan zu erzählen?

"Hey mein Süßer, hast du nicht Lust drinnen bei Ida ein Eis zu holen? Hast du dein Baumhaus schon aufgeräumt für morgen?"

Mit einem strahlenden Lächeln setzte ich ihn wieder auf den Boden und sah in seine unschuldigen Kinderaugen. Bisher gab es nicht einen Tag, an dem er nicht gespürt hatte, wie sehr ich ihn liebte. Ich wollte doch immer nur das Beste für ihn. Aber seit ich bei Philipp war, fragte ich mich, ob ich ihm nicht einen viel zu wichtigen Teil vorenthielt.

"Bin noch nicht fertig", antwortete er mir und lächelte dabei so süß, dass ich ihn am liebsten sofort wieder in die Arme schließen wollte. Seine Haare hatte dieselbe rot-blonde Frage, wie die seines Vaters, seine Augen ebenso grün.

"Dann ab mit dir", schickte ich ihn los, nicht ohne ihm noch einen Kuss auf den Scheitel zu drücken.

"Und du kommst jetzt mit", bestimmte meine beste Freundin und wappnete mich innerlich davor, dass ich gleich die größte Standpauke in meinem Leben erhalten würde. Denn Julia war immer der Meinung gewesen, Philipp sollte von seinem Sohn wissen. Wenn ich ihr jetzt recht gab, würde sie mir das jahrelang vorenthalten.

"Also Madame, wo warst du?", fing sie ihr Kreuzverhör sofort an, als wir uns an den Gartentisch ihrer Eltern setzten. Ich seufzte noch einmal bevor ich sprach.

"Bei Philipp", gab ich leise zu und senkte den Blick. Aber das ließ sie nicht zu. Grob packte sie mein Kinn und zwang mich sie anzusehen. Ihre Augen waren vor Schock geweitet und sprühten nur so vor Unverständnis. Ich las darin, was sie immer noch davon hielt, Stephan allein großzuziehen, auch wenn Dave in unserem Leben war. Er spielte keine Rolle in diesem Moment. Und das wusste sie. Es war nicht zu verleugnen, dass ich einen Fehler gemacht hatte damals. Ich war feige und hatte den einfacheren Weg gewählt, anstatt um meine Liebe zu kämpfen.

LESEPROBE - UnvergessenWhere stories live. Discover now