21.Eigener Wille

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Allison

Ich konnte nicht einordnen, wie ich mich fühlte.
Ich hatte zum zweiten Mal in kurzer Zeit neben einem fast verblutendem Körper gekniet.
Zum zweiten Mal dachte ich, dass der Körper bereits am sterben war.
Und zum zweiten Mal war es Severus Snape gewesen, der den Körper rettete.
Das war doch kein Zufall, dachte ich, während ich etwas verträumt neben Draco, der in einem Krankenbett lag, auf einem Hocker saß.
Er war noch hier.
Er lebte.
Genauso wie Blaise.

Nur heute war etwas anders.
Ich wusste, wer für seinen Zustand die Schuld trug.
Wer es gewesen war.

„Bekommt er eine Strafe?", fragte ich meinen Hauslehrer, der sich gerade zum Gehen bereit gemacht hatte.
Er drehte sich zu mir und teilte seine Lippen, als würde er etwas darauf antworten wollen, doch er machte sie wieder zu und überlegte noch einmal.
„Das sollte nicht deine Sorge sein. Du und ich wissen nicht, wie es begonnen hat. Fakt ist, dass dein Bruder verletzt wurde und jetzt nicht alleine sein sollte.", sagte er bedacht.
Für einen Moment glaubte ich, dass er noch etwas hinzufügen wollte, doch das tat er nicht.
Er stand einfach nur da und schaute zu dem Bett, in dem Draco lag.

„Werden Sie meinen Eltern Bescheid geben?", war meine nächste Frage.
Eigentlich hatte ich noch so viele mehr, die ich gerne alle beantwortet haben würde.
„Ja, ihnen wird der Vorfall berichtet."
Ich nickte.
„Der Schuldige wird jedoch nicht beim Namen genannt.", er hatte wohl gewusst, dass mich diese Frage bewegte.
Und er schien auch zu ahnen, dass ich noch weitaus mehr Fragen hatte.
Er zog sich einen Hocker an die andere Seite des Bettes und sah mich abwartend an.

„Weiß Pansy davon?"
Er musterte mich sorgfältig.
„Sollte sie es denn wissen?"
Ich zuckte die Schultern.
Ja, sollte sie. Sie sind in einer festen Beziehung.
Egal, was ich davon hielt.
Außerdem würde sie dann hier sitzen und könnte mich für eine Weile ablösen.
Am liebsten würde ich nämlich irgendetwas machen. Etwas, was mich ablenkte.
Ich würde freiwillig zu Filch laufen um ihn um Erlaubnis zu bitten, das Pokalzimmer zu putzen.
Und das war wirklich verrückt.

„Ja, sollte sie.", flüsterte ich also.
„Sie wird in wenigen Augenblicken hier sein."
Und er hatte Recht.
Wenige Momente später stürzte sie außer Atem in den Krankenflügel.
„Oh Gott, Draco!", rief sie, als sie an sein Bett hastete.
Ich bot ihr meinen Platz an, den sie dankend annahm.
Außerdem sagte ich ihr, dass ich nachher noch einmal nach ihm sehen würde und lief dann zum Ausgang.
Ich musste irgendetwas machen. Ich wollte nicht nutzlos dort herumsitzen.

Und jetzt fiel mir ein, was ich zutun hatte.
Ich musste Harry finden.
Doch bevor ich dazu kam, schlenderte Severus Snape auch aus dem Krankenflügel und kreuzte meinen Weg.

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Snape

„Das solltest du nicht tun.", riet ich ihr.
Es war vorauszusehen, was sie vorhatte.
Aber das würde sie nicht weiterbringen. Vor allem nicht, nachdem sie sich mit dem Trio angefreundet hatte.
Ich hielt davon nichts, aber hatte nicht das Recht dazu, etwas zu äußern.

„Was verstehen Sie schon?", fragte sie mich spöttisch.
Eigentlich hätte ich sie jetzt zurechtgewiesen, doch sie hatte gerade beinahe ihren Bruder verloren.
Also überhörte ich ihre Worte.
„Sie können es nicht. Wie auch? Sie sind nicht ich.", zischelte sie wütend.
Doch ich konnte eindeutig ihre Verbitterung darin hören.

„In mein Büro.", befahl ich ihr und lief selbstsicher in den Kerker.
Allison folgte mir, wie ich es mir gedacht hatte.
Sie würde sich keine Feinde machen wollen.
„Warum? Ich habe nichts Falsches gemacht.", protestierte sie im Gehen.
Erst als wir die richtige Tür erreichten und eintraten, antwortete ich ihr.
„Hast du nicht, aber ich sehe dich im Moment als Gefahr für andere."

Sie zog skeptisch ihre Augenbrauen zusammen und lachte sarkastisch auf.
„Das ist Unsinn. Ich würde Niemandem etwas antun-"
„Nicht einmal Harry Potter?", stoppte ich sie.
Allison schüttelte heftig den Kopf.
Sie schien schockiert über das, was ich von ihr dachte.
Vermutlich konnte ich ihr das nicht verübeln.
Noch nie hatte sie Irgendjemanden verletzen wollen.

„Du solltest trotzdem hier bleiben."
Sie setzte sich auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch und stützte ihre Hand, die ihren Kopf hielt, darauf ab.
Sie schien es zu akzeptieren und einfach hinzunehmen.
Ich wusste nicht, warum ich mich so um sie sorgte. Ich wollte einfach nicht, dass sie das Gefühl hatte, alleine zu sein, wie sie sich die ganzen Jahre bereits gefühlt haben musste.
Aber war das alles?

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Allison

Aus meinem Augenwinkel konnte ich meinen Hauslehrer mit einem Stapel voller Aufsätze erkennen.
Ich blickte zu ihm, während er konzentriert jeden Fehler der Sätze rot kennzeichnete.
Eigentlich konnte ich mit meiner Aufgabe, die er mir gegeben hatte, schon anfangen, sodass ich es nicht am Abend machen musste, aber ich konnte mich einfach nicht dazu durchringen.
Lieber blickte ich in die noch immer ziemlich gefüllte Teetasse vor mir, welche mir ein Hauself auf Snape's Anweisung hin, gebracht hatte.

Das jetzt nur noch lauwarme Getränk war nicht schlecht. Eigentlich schmeckte es wirklich gut, aber mir war einfach nicht nach Tee trinken im Moment. Ich musterte das Blatt Papier, welches schon seit 20 Minuten unberührt vor mir lag und las mir endlich durch, was zu erledigen war.
Doch wie ich schnell feststellte, hatte es nichts mit Zaubertränke zutun.
Ich räusperte mich um seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.
Er blickte fragend hoch.

„Diese Aufgabe hat nichts mit Zaubertränke zutun?", es war eher eine Aussage, als Frage.
Er nickte.
„Korrekt."
Meine Augenbrauen zogen sich automatisch zusammen.
Leise las ich weiter.
Okklumentik
Schreibe einen Aufsatz über deine Gefühle und Gedanken. Erläutere sie umfänglich, sodass definiert ist, welche psychischen Reaktionen während des Eindringen in den Geist ausgelöst werden. (1 Seite)"

Eine Seite.
Im Prinzip war das fast gar nichts.
Wäre es nicht gleichzeitig so kompliziert gewesen.
Ich tunkte die Feder in das Tintenfass und wollte mit Schreiben beginnen, jedoch ohne Erfolg. Nicht ein einziges Wort schrieb ich auf. Wie sollte man diesen Aufsatz auch bloß beginnen.
Zwei große Tropfen Tinte waren bereits achtlos auf das Pergament gekleckst und bildeten nun riesige blaue Kreise.
Ich drehte das Pergament um, wo nur noch ein leichter Abdruck der Tinte zu erkennen war.
Die Feder hielt ich lieber neben dem Blatt fest, während ich überlegte, was ich schreiben könnte.

Ich räusperte mich noch einmal.
„Darf ich nach dem Aufsatz gehen?", fragte ich nach. Vielleicht würde mir mit dem Wissen ja schneller etwas einfallen.
Ein leichtes Nicken seinerseits gab mir die Antwort.
Doch es half kein bisschen.
Ich runzelte angestrengt die Stirn.
Etwas musste mir doch einfallen.
Irgendetwas.

Ich schaute nachdenklich Richtung Fenster.
Und das tat ich eine ganze Weile lang.
Immer wieder las ich mir die Aufgabe durch, als könne sie sich dadurch irgendwie ändern.
Ich wollte gerade zum ersten Wort ansetzen, als mir die Feder aus der Hand rutschte und auf dem Boden landete.
Ich unterdrückte ein Seufzen und bückte mich zu ihr herunter, als ich vor fehlendem Gleichgewicht vom Stuhl fiel. Unsanft kam ich mit meinem Rücken auf.
Tollpatsch.

Als ich Schritte vernahm, stellte ich klar, dass alles gut war.
„Nichts passiert, mir geht es gut.", murmelte ich und setzte mich wieder auf den Stuhl.
Mein Hauslehrer blieb in seiner Bewegung stehen und sah mich fragend an.
„Wirklich, alles gut."
Er setzte sich wieder hin und korrigierte weiterhin seinen bereits nur noch kleinen Stapel.
Ich setzte meine Feder erneut an und fing auch endlich an zu schreiben. Die Sätze machten weniger Sinn, als der schlechteste Aufsatz, den ich je geschrieben habe.
Ich meine...
„..., fixiert bin ich auf eigene Erinnerungen."
oder
„... zu unvorbereitet um mich zu wehren."

Doch Hauptsache ich bekam eine Seite voll. Noten gab es darauf nämlich nicht.
Also war es eigentlich egal, was ich schrieb.
Und genau deshalb gab ich das Blatt, nur zur Hälfte geschrieben ab.
Schnell murmelte ich ein ,Tschüss' und verschwand, bevor er mich auf den Text ansprechen konnte.
Außerdem hatte ich noch etwas Anderes vor.
Etwas, von dem ich abgehalten wurde.

Ich musste Harry finden und unbedingt mit ihm sprechen.

Severus Snape&Allison Malfoy- Die kalten HerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt