22.Gegenüberstellung

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Allison

Unausgeschlafen stocherte ich in meinem Müsli herum. Bereits seit einer halben Stunde wartete ich in der Großen Halle auf das Trio.
Gestern hatte ich niemanden mehr gesehen, weshalb ich heute Morgen früher aufgewacht bin.
Obwohl ich mir nicht sicher war, ob ich überhaupt richtig geschlafen habe.
Schritte erklangen nicht weit entfernt von mir. Erst dachte ich, Draco würde sich zu mir setzen, jedoch erinnerte ich mich in der gleichen Sekunde daran, dass er ja nicht kommen konnte.
Deshalb hob ich irritiert meinen Kopf.

Harry.
Ich erstarrte in der selben Bewegung.
Er kam direkt auf mich zu.
Augenblicklich setzte meine Atmung aus.
Ich versuchte seinen Blick zu deuten, doch es schien unmöglich, da er eindeutig versuchte, seine Gefühle nicht nach Außen dringen zu lassen.
Er kam einen Meter vor mir zum stehen.
Und ich spürte die Blicke, der anderen Slytherins auf uns. Es hatte sich schnell herumgesprochen, was passiert war.
Ein Junge aus dem 7. Jahrgang zischelte etwas, wie: „Verschwinde Potter."
Ein anderer sagte: „Bleib bloß weg von unserem Tisch."

Doch wie ich Harry kannte, machten ihn andere Meinungen nichts aus.
Er bewegte sich nicht einen Schritt zurück.
Gerade, als er seinen Mund zum Sprechen öffnete, drängte Blaise ihn zur Seite.
Ich wollte etwas sagen, doch er stoppte mich.
„Dein Bruder ist wach, falls dir das wichtiger ist, als mit diesem Schwachkopf zu reden."
Ich stand auf und wendete mich zum Gehen.
Keines Blickes würdigte ich Harry mehr. Ich wollte zuerst Draco's Worte hören und vor allem wollte ich wissen, wie es ihm ging.

Ich lief so schnell, dass ich auf der Hälfte der Treppe stehen bleiben musste, da keine Luft mehr zu mir durchgedrungen war.
Ich schnappte mit Seitenstechen vergebens nach Luft.
Am Treppengeländer festhaltend, wartete ich, bis ich einigermaßen wieder regelmäßig atmen konnte.
Schneller als ich dachte, erreichte ich die Tür zum Krankenflügel.
Pansy saß an seinem Bett, doch schien eingeschlafen zu sein.

Hechelnd kam ich an seinem Bett an und schaute in seine verschlafenen grauen Augen.
„Wie geht es dir?", fragte ich sofort, als meine Stimme wieder den Weg zu mir fand.
„Auch dir einen schönen Morgen." murmelte er schwach.
Er richtete sich langsam auf und fügte dann hinzu: „Mir geht es ganz gut, danke der Nachfrage Alli.", er zwang sich zu einem Lächeln.
Eigentlich hätte ich ihn jetzt wegen dem Spitznamen zurückgewiesen, doch er hatte im Moment einen Krankenbonus. Außerdem wäre es fast das letzte Wort gewesen, was ich von ihm gehört hätte.
Ich legte eine Hand auf seinen blassen Arm.

„Wie geht es dir?", fragte er mich plötzlich.
Ich schaute ihn mit einem irritierten Blick an.
„Gut, aber es geht hier nicht um mich.", antwortete ich schnell und lehnte mich reflexartig in den Stuhl zurück, auf den ich mich gesetzt hatte.
Er musterte mich wissend.
„Ich habe die Angst in deinen Augen gesehen."
Ich saß nun kerzengerade. Als könnte ich damit bewirken, dass er sie nicht gesehen hatte.
Die Angst.
Die Angst, als ich daran dachte, wie ich ihn beerdigen müsste.

Wir kannten uns doch gar nicht lange. Es waren nur wenige Monate gewesen und trotzdem hatte ich ihn als Bruder in mein Herz geschlossen.
Er war einer der Wenigen, die überhaupt einen Platz dort hatten.
Ich lächelte ihn milde an.
Ich hatte nie Geschwister gehabt und mir im Nachhinein gewünscht, dass ich sie schon früher gehabt hätte.
Man war nicht alleine.
Und das Gefühl gab mir Sicherheit, welche ich nicht verlieren wollte.

„Du wärst fast gestorben.", es war nur ein leises Flüstern, welches meine Lippen verließ.
Nervös strich ich mir eine etwas gelockte Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Ich habe angefangen, Allison. Es wäre meine eigene Schuld gewesen.", er sprach so langsam, als würde er selbst das Gesprochene erst in dieser Sekunde realisieren.
Er knetete seine Hände.
„Aber es wäre sowieso passiert.", fügte er hinzu.
Ich fragte nicht weiter nach. Diese Aussage reichte mir, um zu wissen, dass es keinen Schuldigen in dieser Situation gab.
Trotzdem hatte Harry ihn beinahe ermordet.
Und ich spürte unglaubliche Wut auf ihn, die ich nicht zügeln konnte. Und dieses Gefühl wollte seit gestern nicht mehr verschwinden.

„Ich muss gleich zum Unterricht..Pansy sollte sich auch beeilen.", ich deutete auf den immer noch schlafenden Körper neben meinem Bruder.
Er nickte, als Zeichen das er sie gleich wecken würde. Ich verabschiedete mich leise und lief dann zurück in den Gang, wo ich erst einmal kräftig nach Luft schnappte.
Es kam mir im Krankenflügel ungewöhnlich stickig vor, doch hier draußen kam mir die kühle Frühlingsluft nur so entgegen.

***

Benebelt öffnete ich meinen Kalender.
Heute war bereits Donnerstag, was hieß, dass ich jetzt gleich Zaubertränke, gefolgt von Pflege magischer Geschöpfe und zum Schluss Verwandlung hatte.
Es könnte schlimmer sein, dachte ich mir unweigerlich. Wie beispielsweise Geschichte der Zauberei oder Wahrsagen.
Also stapfte ich nach dem wichtigen Gespräch mit Draco zu meinem Unterricht.
Und dann schoss es mir wie eine Bombe durch den Kopf.
Wir hatten mit den Gryffindors und ich würde Harry so oder so wieder sehen.
Nur hatte ich keine Ahnung, was ich ihm erzählen sollte.
Hey Harry, ich hasse dich.
Hey Harry, ich will nichts mehr von dir wissen.
Hey Harry, du bist das Allerletzte.

Unbedacht ballte ich meine verkrampften Hände zu Fäusten.
Wie konnte er Draco das nur antun?
Wie konnte er Draco nur Töten wollen?
Ich ließ mir Zeit um zum Unterricht zu gelangen, da ich noch eine halbe Stunde bis zum Unterrichtsbeginn hatte und kein Gryffindor so früh dort sein würde, aus Angst, Snape könnte sie schon vorher fertigmachen.
Slytherins würden auch erst später kommen, da sie wohl Besseres zutun hatten, als solange noch auf den Unterricht zu warten.
Doch ich war nicht wie die anderen. Ich hatte keine Angst vor unserem Lehrer oder hätte etwas anderes vor, was wichtiger wäre, als zum Unterricht zu laufen.

Ich kam bereits 5 Minuten später an, obwohl ich in einem echten Schneckentempo gelaufen bin.
Ich wollte gerade in die Tür laufen, als ich Hermione sah, wie sie um die Ecke bog, gefolgt von den beiden Jungs direkt in meine Richtung.
Was machten sie schon hier?
„Hey Allison!", rief Ron, doch bemerkte sofort seinen Fehler, als Hermione ihn mit einer hochgezogenen Braue anstarrte.
Harry, der in der Mitte der beiden lief, scheute sich jedoch nicht und beschleunigte sein Tempo.
Erst vor mir kam er langsam zum stehen.

„Ich muss etwas klarstellen-", fing er zum Sprechen an, aber ich unterbrach ihn haltlos.
„Ich weiß. Draco hat angefangen. Ist das jetzt deine Entschuldigung dafür?", fragte ich mit eisiger Miene.
Ich war gekränkt, dass er zuerst seine Unschuld beweisen wollte, anstatt sich zu entschuldigen.
Nicht bei mir, sondern bei Draco.
Seine Lippen formten eine gerade Linie, als würde er sie zusammenpressen um nichts Falsches zu sagen.
„Ich wusste nicht, was der Zauber anrichtet- Ich habe ihn in einem Buch-"
Ich hob eine Hand zum Signal, dass es genug Information war.
„In einem Buch gelesen? Oh, und dann wendest du ihn einfach an? Obwohl du seine Auswirkungen nicht kennst? Das ist verantwortungslos und leichtsinnig!", zum Ende hin wurde meine Stimme immer schriller.

Ich sah in seinen Augen ein Feuer auflodern.
„Er hat mich angegriffen! Er hat Katie Bell verhext!"
Ohne das ich es wirklich mitbekam, war mein Zauberstab schon auf ihn gerichtet gewesen.
Er wusste es.
„Hat er nicht!", log ich.
Hermione trat hervor.
„Allison- Vielleicht können wir ja darüber reden. Aber leg den Zauberstab weg.", bat sie mich, doch ich rührte mich nicht.

Was ist bloß aus dir geworden?
Niemals hättest du anderen Gewalt angedroht.
Du warst diejenige, die sie doch andauernd erfuhr.

Ich wollte meinen Zauberstab zurück in meinen Mantel stecken, doch ich verlor die Kontrolle und prallte direkt gegen die Wand hinter mir.
Der Zauber hatte mich erwischt.
Kopfschmerz bahnte sich einen Weg durch meinen Schädel.
Ich fasste mir an die Stirn.
Kein Blut. Alles in Ordnung.
Hermione kam auf mich zugeeilt und hielt mir ihre Hand hin.
„Alles in Ordnung?", fragte sie mich sofort, doch ich antwortete nicht und rappelte mich alleine hoch.
Ich sah, wie Ron sich ein Schmunzeln unterdrückte und Harry innerlich lachte.
Ich bin so eine Idiotin.

Beschämt lief ich in das Klassenzimmer und knallte die Tür hinter mir zu.
Erst danach blickte ich nach vorne und schaute direkt in ein irritiertes, schwarzes Augenpaar.
Snape war schon da.
Und er hatte vermutlich alles gehört.

Severus Snape&Allison Malfoy- Die kalten HerzenWhere stories live. Discover now