32.Tiefes Loch

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Allison

Ich saß in meinen Gedanken versunken in der großen Halle.
Ich hörte nicht zu, wie sich irgendwelche Schüler wieder über die Carrows aufregten und achtete auch nicht darauf, ob mich jemand anstarrte- denn ich war mir sicher, dass immer Blicke auf mir lagen. So sehr ich mich auch zu verstecken versuchte.

Erst als ich Wasser in mein Glas füllen wollte, fiel mir auf, dass mir jemand eine herausgerissene Seite dort hineingesteckt hatte. Ich faltete ihn mit ausdrucksloser Miene auf, denn mir war klar, derjenige, der es getan hatte, schaute mir gerade ganz gespannt auf meine Reaktion, zu.
Es war eine Seite des wöchentlichen Propheten von Hogwarts. Er wurde von einigen Schülern der 5.-7. Klasse geführt. Doch meines Wissens, sollte er dieses Jahr eigentlich abgeschafft werden.

Ich entdeckte auf der Titelseite sofort ein Foto von mir: Mörderin wieder in Hogwarts- Allison Malfoy und die Ungerechtigkeit dahinter.
Mein Gesichtsausdruck veränderte sich und sofort konnte ich Gekicher vom Gryffindortisch wahrnehmen. Ich sah die Gruppe, die mich vor wenigen Sekunden noch belustigt beäugt hatte.

Ich stand verärgert auf. Es reicht.
Ich schritt auf die Gruppe Sechsklässler zu.
„Was soll das??", fragte ich sie wütend.
Es war schon schwer genug für mich.
Sie fingen jedoch wieder an zu lachen, bis der Junge mir antworte.
„Das was du verdienst, Mörderin!", er betonte das letzte Wort extrem. Und das nicht gerade leise.

„Pass bloß auf. Vielleicht bist du der Nächste.", sagte ich gereizt.
Plötzlich schreckten alle zurück und schauten mich mit weit aufgerissenen Augen an.
Sie hatten Angst vor mir.

Ich bemerkte erst jetzt, dass die komplette Halle still geworden war. Die Schüler schauten mich entsetzt an. Oh Gott.
„Allison, lass uns gehen.", Draco war hinter mich getreten.
Er schaute mich auffordernd an.

„Ja, geh lieber mit deinem Bruder mit oder hast du vor, ihn auch noch umzubringen?", schrie ein Mädchen von den Ravenclaws.

„Komm her und rede persönlich mit mir oder traust du dich nicht, mir ins Gesicht zu blicken?", herausfordernd sah ich zu dem besagten Tisch.
Es rührte sich nichts.
„Das dachte ich mir.", ich drehte mich abrupt um und lief zum Ausgang. Draco, Pansy und Blaise dicht hinter mir.

Ich versuchte sie zwar abzuhängen, doch mein Bruder ließ nicht locker.
„Allison, komm runter. Du weißt doch-"

Ich blieb stehen und schaute ihn direkt in seine Augen.
„Ich weiß was, Draco? Das ich eine verdammte Mörderin bin? ÜBERRASCHUNG! DAS WEIẞ ICH SCHON LANGE!", schrie ich ihn an.

Er deutete seinen Freunden uns alleine zu lassen. Sie gingen seiner Bitte sofort nach.
Danach kam er auf mich zu.
„Allison..", er versuchte, seine Hände auf meine Schultern zu legen, doch ich schlug sie weg.
„Du hast ihn für uns ermordet. Ich habe es verstanden. Doch die anderen können das nicht.", versuchte er mich zu beruhigen.

„Nein, Draco. Ich habe es allein für dich getan. Ich hätte mein Leben nicht vor ein anderes gestellt, doch deines schon.", ich lehnte mich erschöpft an die kalte Wand.
Ich konnte erkennen, dass sich seine Augen veränderten. Er fühlte sich plötzlich schuldig.
Schuldig, dass ich es für ihn getan hatte.
Und nicht, weil ich irgendwelchen Ruhm einheimsen wollte.

„Es tut mir leid..", er konnte keinen weiteren Satz herausbringen, denn man sah ihm an, dass ihm seine Kehle die Luft zuschnürte.

So standen wir nun hier: zwei Geschwister, die nicht wussten, was sie tun sollten.

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Snape

Sie verließ aufgebracht die Große Halle.
Viele Lehrer sahen mich verständnislos an. Ihnen brannte die Frage förmlich auf der Zunge:
Warum haben Sie nicht eingegriffen?

Doch ich hätte darauf nicht antworten können. Ich wusste es selbst nicht.
Allison hatte einem Schüler vor der ganzen Schule gedroht. Bei ihrer Vorgeschichte könnten viele denken, dass sie es wirklich ernst meinte.
Ich wusste jedoch, dass das nicht der Fall war. Griff ich vielleicht deswegen nicht ein?

Im Endeffekt spielt es keine Rolle. Ich muss sie suchen gehen, um mit ihr darüber zu reden.
Sie muss wissen, dass sich das nicht wiederholen darf.

Ich stand abrupt auf und achtete nicht weiter auf die anderen Schüler, die sich alle über Allison und die gerade geschehene Situation das Maul zerrissen. Ich wollte es überhaupt nicht hören.
Ich wusste nicht einmal, wieso sie plötzlich so wütend geworden war. Ich habe alles erst zu spät mitbekommen.

Ich wusste nicht einmal, wie ich reagieren sollte, wenn ich sie sehen würde.
Wir hatten seit Tagen nicht mehr miteinander gesprochen, weil sie mir so gut es nur geht, aus dem Weg gegangen ist.
Der Tag, an dem sie vor mir beinahe zusammengebrochen ist, muss sie fertiggemacht haben.
Weil sie sich von ihrer verletzlichen Seite gezeigt hat. Und weil sie damit nicht umgehen konnte.
Vermutlich hat sie Angst, dass es wieder passieren könnte.

Ich lief die Gänge entlang. Erfolglos.
Vielleicht war sie in ihrem Zimmer?
Ich könnte sie auch einfach nachher in mein Büro beten. Dann könnte ich mir wenigstens noch passende Worte zurechtlegen.
Was soll ich ihr bloß sagen? Sie ist nach dem Mord an Dumbledore in ein tiefes Loch gefallen.

Wenn ich es ihr nur alles sagen könnte..

Ich warf den Gedanken schnell wieder beiseite. Auf gar keinen Fall. Keiner darf davon wissen. Von nichts.
Ich habe es Dumbledore versprochen.

Gerade als ich wieder umkehren wollte, kam mir Draco entgegen. Allein.
„Wo ist sie?", fragte ich ihn.
Er sah mich nicht an, doch blieb stehen.
„Sie hat keine Zeit.", antwortete er wie gedruckt. Als hätte er gewusst, dass ich sie suchen würde.

„Draco, sag mir die Wahrheit."
Er atmete gequält aus und sah mich nun doch an.
„Ich musste ihr versprechen, dass ich nichts sage. Weder über ihre momentane Verfassung, noch wo sie sich befindet. Entschuldigen Sie.
Außerdem soll ich Ihnen ausrichten, dass sie heute nicht zu ihrem Unterricht erscheinen kann.", er sah mich bedauernd an. Als wüsste er selbst genauso gut wie ich, dass es nicht gut um Allison stand.

„Sag ihr, dass sie nachher in mein Büro kommen soll.", mit diesen Worten drehte ich mich nun endgültig um und lief in Richtung Büro zurück.
Entweder sie kommt oder eben nicht.
Doch eins ist Fakt: wenn sie noch öfter den Unterricht schwänzen sollte, dann weiß ich nicht, ob sie ihren Abschluss schafft.
Und wenn sie diesen nicht schafft, wird sie niemals aus dem Loch herauskommen können. Denn das würde einen erneuten Tiefschlag bedeuten. Und ich weiß nicht, wie sie diesen verkraften wird.

Ich möchte auf gar keinen Fall, dass sie ihr Leben einfach wegwirft. Sie ist erst 17.
Sie hat es noch vor sich.
Doch um ehrlich zu sein, habe ich selbst keine Ahnung wie alles weitergehen soll.
Die Todesser sind an der Macht. Wenn der dunkle Lord es wirklich schafft, Harry zu töten, dann sind wir alle verloren.
Und es wird kein Zurück mehr geben.

Es muss einfach alles gut gehen.
Für Allison und Draco.
Das sie irgendwann ein normales Leben führen können und keine Angst vor der Zukunft haben müssen.

Severus Snape&Allison Malfoy- Die kalten HerzenWhere stories live. Discover now