36.Wahrheit oder Lüge?

70 2 19
                                    

Allison

Ich musste strahlen, als ich geradewegs durch die  Tür zu Severus' Büro schritt.
Zabini wurde herausgeschmissen.
Mein Gesicht fing endlich an zu heilen.
Draco ging es besser.
Ich wurde von Schülern humaner behandelt.
Eigentlich konnte es mir im Moment nicht besser gehen. Ich sah diese Woche offiziell als die Beste seit langem an.
Das musste auch Severus bemerken.

„Warum strahlst du denn so?", er sah mich interessiert an, während ich die Tür hinter mir schloss.
„Ich weiß nicht. Mir geht es irgendwie gut heute.", doch mein Lächeln erlosch, als ich zu dem Porträt von Dumbledore blickte. Ich bekam dabei jedes Mal dieses mulmige Gefühl, als könnte er jeden Moment hinter mir auftauchen.
„Naja, wie auch immer..Ich sollte dir das hier bringen?", ich schob ihm einen Umschlag hin. An ihn adressiert.
Er beäugte ihn und riss ihn dann vorsichtig auf. Ein Zettel kam zum Vorschein. Rasch überflog er ihn.
„Wer hat dir den gegeben?", fragte er misstrauisch.
„Draco. Warum? Was steht drin?", jetzt sah ich ihn unsicher an.

Er schüttelte mit dem Kopf, als würde er den Inhalt nicht ganz begreifen.
„Lucius hat ihn wahrscheinlich mitgeschickt..Warum hat er ihn nicht gleich zu dir-"
Es musste etwas Wichtiges drin stehen. Etwas, wovon der dunkle Lord keinen Wind bekommen sollte.
„Keine Ahnung. Er hatte sicher einen guten Grund. Es steht jedoch nichts Interessantes drin.", behauptete er.
Er log. Ganz eindeutig.

Ich zuckte mit den Schultern. Ich sollte mich da einfach heraushalten.
„Ich muss dann wieder los. Hausaufgaben.", sagte ich knapp und lächelte ihm noch einmal kurz zu, bevor ich wieder durch die Tür verschwand. Ohne auf eine Antwort zu warten.

————————————————————————
Severus

Ich bekam keinen Ton heraus, bis sie auch schon die Tür hinter sich schloss.
Mein Magen schnürte sich gefährlich zu. Ich muss es ihr endlich sagen. Egal wie.
Sie durfte keinesfalls nur in die Nähe des dunklen Lords kommen. Er würde sie sofort töten. Ohne Erbarmung.
Bei dem Gedanken wurde mir extrem schlecht.

Er hatte die ganze Zeit diesen Plan gehabt. Draco war ihm nicht nützlich, weshalb er ihn, nachdem er Dumbledore ermordet und Besitzer des Elderstabs geworden wäre, einfach umgebracht hätte. Doch alles ist anders gekommen. Allison hatte seinen Platz eingenommen und wusste nicht einmal etwas davon. Sie hatte keine Ahnung, dass sie nun Besitzerin des mächtigsten Zauberstabes der Welt war.
Mein schlechtes Gewissen würde mich noch umbringen, doch sie war im Moment so viel glücklicher als sonst. Und das möchte ich ihr nicht nehmen.

Diese Zeiten sind so grausam. Voller Leid und Elend. Wie konnte es nur wieder so weit kommen? Warum konnte es nicht bereits 1981 endgültig vorbei gewesen sein? Hatte er dort nicht schon genug Schaden angerichtet? Genug Menschen das Leben genommen? Einen Menschen, den ich geliebt und mir alles bedeutet hat.
Ich lasse nicht zu, dass sich das wiederholt.

————————————————————————
Allison

Mit einem Mal war ich wieder im hier und jetzt, als ich Schluchzen hinter einem Regal in der Bibliothek wahrnahm. Ich sollte nachschauen gehen, doch meine Füße bewegten sich keinen Millimeter. War es ein Mädchen oder ein Junge? In den oberen oder unteren Klassen?
Als plötzlich ein junger Mann, der in die 7. ging, mir mit nassen Augen entgegenkam, musste ich irritiert aussehen. Ich kannte ihn irgendwoher.
Und plötzlich erinnerte ich mich. Es war der Junge gewesen, der mich damals einfach angefasst hatte. War er sitzen geblieben?

Es sollte mich überhaupt nicht interessieren, doch da ich eigentlich nichts mehr zu erledigen hatte, versuchte ich den Grund für seinen Ausbruch zu finden. Vielleicht ging es hier um seine Familie? Vielleicht waren sie Todesser. Oder in Gefahr. Vielleicht ging es auch um seine Freunde oder seine Noten.
Es sollte mir gleichgültig sein, doch irgendwie empfand ich trotzdem so etwas wie Mitleid mit ihm. Er saß hier so alleine. Gut, ich war auch alleine hier, doch das machte mir nichts aus.
Wie auch immer..
Nichts ließ mich mehr grübeln als der Brief von heute Mittag.
Was kann so wichtig gewesen sein? So wichtig, dass Severus so hektisch gewirkt hatte?

Der Junge verschwand aus der Bibliothek und plötzlich war ich wieder ganz alleine hier. Heute war ein Quidditch Spiel, sodass sich eigentlich im Moment niemand im Schloss herumtrieb.
Als ich ebenfalls aufstand und den Weg zum Speisesaal einschlug, fragte ich mich, ob alle nur zu diesem Spiel gingen um sich irgendwie abzulenken. Wirklich abzulenken.

Als ich in der Großen Halle ankam, war sie wie ausgestorben. Draußen peitschte der Wind und es regnete aus Strömen. Trotzdem waren sie alle dort. Nur um sich ein paar Spieler auf dem Besen anzusehen.
Ich schwang meine Beine über die leere Bank und nahm sofort einen großen Schluck Wasser. Selbst mein eigenes Schlucken hörte ich klar und deutlich in der stillen Halle. Nicht einmal Lehrer waren hier.
Plötzlich kam jemand mit langen Schritten in die Halle gestürmt. Ich drehte mich jedoch nicht um und nahm eine Kelle von dem Nudelauflauf. Während ich mir die Portion auf den Teller schüttete, setzte sich dieser Jemand neben mich: Draco.

„Hey.", begrüßte er mich knapp und nahm sich ebenfalls etwas von dem Auflauf.
„Hey, wo warst du?", fragte ich ihn neugierig. Immerhin war er weder bei der Bibliothek, noch im Gemeinschaftsraum gewesen.
„Draußen.", er schaute zurück zu seinem Teller.
Das hätte ich mir auch denken können. Immerhin sind seine Haare etwas feucht. Seinen Mantel muss er jedoch vorher noch gewechselt haben.
Ich nickte, doch fand irgendwie kein Gesprächsthema mehr.

„Ist alles in Ordnung?", er wirkte irgendwie bedrückt. Ich weiß auch nicht.
Wie er mit leeren Augen auf diesen Teller sah.
Er nahm keinen Bissen, so als ekelte ihn das Essen an, obwohl er Auflauf immer gemocht hatte.
„Was? Ja. Jaja."
Ich weiß noch ganz genau, wie ich vor einigen Wochen selbst so auf meinen Teller gestarrt hatte. Es ist nicht alles in Ordnung. Obwohl ich dachte, es würde ihm nach Pansy und Blaise langsam wieder besser gehen. Vielleicht irrte ich mich.

Ich sah ihn immer noch prüfend an. Irgendwann drehte er sich ganz zu mir.
„Allison, es ist alles gut, okay? Mach dir um mich keine Sorgen.", sagte er so plötzlich, dass ich nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte.
„Draco..Es ist doch irgendetwas.", versuchte ich es nochmal.
Und dieses Mal wich er nicht sofort aus.
„Es ist schwierig zu erklären."
„Ich habe Zeit."
Ich deutete ihm an, aufzustehen, damit wir ein wenig laufen konnten.
Draco folgte mir und beobachtete mich aufmerksam.

Erst als wir in der 2. Etage waren, fing er an zu reden.

———————————————————————
Draco

Es gibt so viele Dinge, die ich gerne aussprechen würde.
Das ich Pansy vermisse.
Das ich Blaise verachte, er mir gleichzeitig trotzdem unglaublich fehlt.
Das ich meinen Vater um alles in der Welt hasse.
Das ich unfassbar wütend auf mich selbst bin.

Weil Allison plötzlich meinen Platz eingenommen hat.
Sie musste für mich einspringen.
Weil ich zu feige war.
Weil ich es nicht auf die Reihe bekam.
Weil ich versagt habe.

Gott verdammt. Er wird sie umbringen.
Ich habe es doch gehört. Wie mein Vater und Snape darüber geredet haben.
Sein eigentlicher Plan. Das ich sterben sollte.
Doch jetzt?
Jetzt wird sie sterben. Wegen mir.
Wie soll ich das verhindern? Wie soll ich ihr das überhaupt erklären?
Schweige ich? Bringe ich sie damit nicht noch mehr in Gefahr?
Was würde sie tun, wenn es genau umgekehrt wäre..
Würde Allison es mir sagen?
Sie macht sich im Moment Sorgen um mich, dabei weiß sie überhaupt nicht, dass sie der Grund dafür ist.

Wahrheit oder Lüge?
Sprechen oder Schweigen?
Wissen oder Unwissen?

Wir erreichen die zweite Etage und plötzlich weiß ich, was ich tun werde. Was ich tun muss.

„Es geht um Pansy.."

Severus Snape&Allison Malfoy- Die kalten HerzenWhere stories live. Discover now