Eingeständnisse

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Lev PoV

"Ich bin ein elender Feigling", sagte Yaku und senkte beschämt den Blick. Irritiert legte ich den Kopf schief. "Was meinst du damit?", fragte ich und er atmete tief durch und schaute mir wieder direkt in die Augen. Ich habe diese Augen schon immer geliebt, denn ich konnte mich immer und immer wieder in ihnen verlieren. Jetzt spiegelten sie jedoch einen solchen Schmerz wider, dass ich ihn am liebsten tröstend in den Arm genommen hätte.

„Ich bin vor meinen Gefühlen für dich davon gerannt. Schon vor einem Jahr. Als du den Mut hattest sie mir direkt ins Gesicht zu sagen... konnte ich nichts anderes tun als mich hinter meiner Dummheit und unsicheren Witzen zu verstecken", setzte er an und ich sah, welche Überwindung ihm dieses Gespräch kostete.

„Ich war nicht mutig...", murmelte ich und schüttelte den Kopf, doch Yaku unterbrach mich, indem er mir ungläubig gegen die Stirn schnipste. „Bist du verrückt? Natürlich! Im Gegensatz zu dir habe ich die Gefühle, die ich für dich empfinde so lang unterdrückt und ignoriert, weil es für mich... weil es für mich einfach normal geworden ist. Ich war es gewohnt, dass wir beide Zeit miteinander verbrachten. Ich war es gewohnt, dass wir uns gut verstanden. Aber versteh mich nicht falsch", rief er aus, als er sah, wie ich ein wenig enttäuscht drein blickte.

Gewohnheit? Bin ich für ihn nur gewöhnlich?

„Diese Gewohnheit... ich war dich nicht leid oder so. Im Gegenteil. Als du... als du nicht mehr um mich herum warst... hat es sich angefühlt... als ob irgendetwas fehlen würde... Gott ich bin so schlecht in sowas", warf er ärgerlich ein. Ich schnaubte. Allerdings das war er. Doch Yaku straffte die Schultern und etwas glitzerte in seinen Augen auf.

„Als ich unsere Freunden erzählt habe, dass ich nach Russland gehen würde hatten sie sofort eins und eins zusammen gezählt und mich zur Rede gestellt. Da wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass ich... vielleicht doch mehr für dich empfinden könnte als reine Freundschaft. Doch ich hatte diese Gefühle weit weg geschoben", sagte er traurig.

Er verzog das Gesicht und kuschelte sich enger in seine Decke ein, während er den Griff seiner Tasse fester umklammerte. Ich wurde förmlich von meinen aufbrodelnden Gefühlen überschwemmt, als ich an die Zeit zurück dachte, als Yaku und ich uns immer näher gekommen waren, bis ich ihm schließlich mein Herz vor die Füße gelegt hatte.

„Als du schließlich gesagt hattest... dass du dich in mich verliebt hast... da war ich total verwirrt. Ich meine... wir hatten niemals über Mädchen gesprochen, wie die anderen. Aber für mich war klar, dass da bestimmt irgendwann mal eine Frau mit Kindern an meiner und auch deiner Seite sein werden. Einfach, weil ich es nicht anders kannte. Auch wenn ich mich nie für Mädchen interessiert hatte... und mich eigentlich nicht wirklich als Vater vorstellen konnte."

Yaku war leise geworden und starrte stumm in seine Tasse. Wie er da so dasaß, in diesem Wulst aus Decken und Kissen und aussah wie ein Häufchen Elend, wollte ich ihn direkt in den Arm nehmen. Doch etwas an seiner Ausstrahlung gab mir zu verstehen, dass er noch nicht zu Ende gesprochen hatte. Und dass er jeglichen Körperkontakt sicherlich erst einmal abblocken wird. Außerdem wollte ich selbst seine gesamte Geschichte hören, bis ich mich ihm wieder nähern wollte. Also schwieg ich.

„Dass ich in dich verliebt war... gestand ich mir noch am gleichen Abend ein. Doch du warst weg. Und für mich nicht mehr zu erreichen", murmelte er traurig und ich konnte meine Antwort nicht zurückhalten: „Ich war verletzt. Stell dir vor, die Person in die du verliebt bist sagt dir, dass du dir alles nur einbilden würdest. Ich war einfach verletzt und wollte lieber einen klaren Cut behalten, als dir etwas anderes vorzumachen."

Dass Yaku mir gerade gesagt hatte, dass er in mich verliebt sei, wurde mir eine Sekunde später bewusst. Mein Herz fing daraufhin heftig an zu klopfen und ich musste schlucken. Yaku wirkte so aufrichtig, dass es mir schwer fiel, ihm nicht zu glauben.

Sein Gesicht verzog sich bei meinen Worten und er flüsterte: „Es tut mir so leid, Lev. Wenn ich nicht so dumm gewesen wäre..." - „... dann wärst du im schlimmsten Fall nicht nach Russland gegangen. Das wollte ich auch nicht. Schließlich war das doch dein Traum und du hattest dich so gefreut als es geklappt hatte", erwiderte ich beschwichtigend und traute mich eine Hand auf seine zu legen.

Yaku zog sie nicht weg, sondern verschränkte nach ein paar Sekunden unsere Finger miteinander. „Lev... kannst du mir verzeihen, dass ich so ein Idiot war? Ich verspreche dir, d-...", doch weiter kam er nicht, denn ich hatte mich zu ihm vorgebeugt und meine Lippen auf seine gelegt.

Dass mir Yaku einen so tiefen Einblick in seine Gefühlswelt gegeben hatte, ließ mein Herz vor Aufregung flattern. Die Alarmglocken, die anfangs noch in meinen Ohren geschrillt hatten, waren nach Yakus Geständnis verklungen und machten einen angenehmen Rauschen meines eigenen Blutes Platz, welches aufgeregt durch meine Adern schoss.

Nun lagen Yakus Lippen auf meinen, ein überraschter Blick lag in seinen Augen und ich löste mich wieder von diesem kleinen Kuss, um meine Stirn an seine zu legen.

„Lev", murmelte Yaku verblüfft und ich hob meine Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln. „Ich... liebe dich immer noch, Yaku... und wenn ich dir genug bin... dann...", fing ich an, doch nun war er es der mich unterbrach. „‚Wenn ich dir genug bin?' Lev! Du bist genug und viel viel mehr als genug", rief er, fast ein wenig wütend.

„Wenn dann bin ich derjenige, der dir niemals das Wasser reichen wird", murmelte er und ich schüttelte energisch den Kopf. „Können wir bitte aufhören, in Selbstmitleid zu versinken?", fragte ich und er fing bei diesen Worten wieder an zu grinsen. „Abgemacht", sagte er leise und sein Blick huschte wieder auf meine Lippen. Er lehnte sich ein wenig nach vorn und unsere Münder trennten nur noch Zentimeter.

„Darf ich dich noch einmal küssen?", flüsterte er. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und ich nahm sein Gesicht in meine Hände um mit meinen Lippen sanft über seine zu fahren. Ich spürte seinen warmen Atem auf meiner Haut und mit einem leichten Seufzen überbrückten wir auch noch die letzte Lücke zwischen uns, sodass kein Blatt Papier mehr dazwischen passte.

Stay with me || Lev x YakuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt