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Yaku PoV

Ich verfluchte mal wieder meine Größe. Es war mir unmöglich, diesen Riesen auf die Arme zu nehmen, um ihn an einen ruhigeren Ort zu bringen, weshalb mir nichts anderes übrig blieb, als sein Kopf auf meinen Schoß zu betten. Lev hatte die Augen weit geöffnet, doch seine Pupillen waren geweitet und auf seiner Stirn perlte der Schweiß.

Mir wurde eine Flasche Wasser gereicht und ich sprach Lev wieder an. "Lev? Ich habe hier Wasser. Hörst du mich?" Doch er zeigte keine Reaktion, sondern schloss immer wieder die Augen. "Jemand muss ihm die Beine hoch halten", rief ich den umstehenden Personen zu. Sofort trat jemand aus dem Kreis und griff nach seinen Fußgelenken.

"Lev, du musst tief atmen, hörst du? Dein Kreislauf ist ein wenig abgesackt", plapperte ich weiter und versuchte, die Panik in meiner Stimme zu dämpfen, denn das brauchte er gerade am aller wenigsten. Lev öffnete wieder seine Augen und blinzelte. Ich stellte mir vor, wie er die bunten Punkte, die sich womöglich gerade vor seinen Augen bildete vertreiben wollte. Dann nahm er einen tiefen Zug und versuchte die Luft kontrolliert durch den Mund wieder entweichen zu lassen.

"Lev, kannst du mich hören? Ich hab hier eine Flasche Wasser für dich", fragte ich erneut. Lev nickte zaghaft und ich atmete erleichtert durch. Er verzog das Gesicht und blinzelte erneut.

"Mir ist total schwummrig", nuschelte er. "Bleib noch einen Moment liegen. Wenn du dich bereit fühlst, dann suchen wir dir einen ruhigen Raum und dann kannst du dich ausruhen, bevor wir dich nach Hause bringen, ja?", sagte ich und strich mit einem Tuch über seine verschwitzte Stirn.

Lev atmete mehrere Minuten tief ein und aus, während ich mir wünschte, das Gewusel um uns herum würde sich endlich auflösen. Ich hatte schon mehrere Kameras gesehen, die sich auf uns gerichtet hatten, mehrere Handys, die uns heimlich fotografiert hatten. Mir wurde ein wenig unwohl bei dem Gedanken, was wir beide wohl für einen Eindruck machten, war uns doch selbst noch gar nicht klar, wie wir unsere Beziehung zueinander benennen sollten. Und am aller wenigsten wollte ich dafür verantwortlich sein, wenn er Probleme bekam.

Lev schaffte es irgendwann, sich aufzurichten und vorsichtig auf die Beine zu kommen. Ich tat mein Bestes, um ihn trotz meiner so viel geringeren Größe zu stützen und ihn durch die Menge in seine kleine Garderobe zu führen.

Als ich die Tür hinter uns schloss, setzte sich Lev gerade auf einen Sessel und nahm einen neuerlichen Schluck aus seiner Flasche. Ich blieb mit dem Rücken zur Tür stehen, unsicher, wie nahe er mich gerade bei sich haben wollte.

"Wie geht es dir?", fragte ich ihn unvermittelt und seine grauen Augen fixierten meine. Sie sprühten schon wieder voller Leben in seinem nach wie vor blassen Gesicht. "Besser, danke", antwortete Lev und es legte sich wieder eine Stille über uns.

"Danke für deine Hilfe", brach er sie irgendwann und ich winkte ab. "War doch selbstverständlich", antwortete ich und versuchte es mit einem kleinen Lächeln. Lev erwiderte es, sodass mein Herz direkt stolperte.

"Was hast du hier gemacht?", fragte er mich, nachdem er einen weiteren Schluck aus seiner Flasche genommen hatte. Ich wusste, dass er diese Frage stellen würde und dennoch wusste ich nicht ganz, was ich antworten sollte.

Nervös knetete ich meine Hände und entschied mich für die Wahrheit. "Ich wollte dich sehen", antwortete ich also schlicht und schaute ihm gequält in die Augen. "Du verhältst dich seit Tagen so abweisend und als du mir gesagt hast, ich könne nicht mal mehr zu deiner Show kommen, obwohl du es mir versprochen hattest... da musste ich mich einfach versichern, dass alles okay war."

Levs Gesicht verzog sich schuldbewusst bei meinen Worten und er zog ein wenig ertappt den Kopf ein. "Tut mir leid. Es war einfach viel zu viel los... wie bist du hier rein gekommen?"

Bei der Frage war ich es, der ein wenig kleiner wurde. "Alisa hat mir geholfen. Sie hatte mir auch den Tipp gegeben, als ich dir die Blumen geschickt hatte. Bitte sei ihr nicht böse", setzte ich sofort hinterher und trat nun einen Schritt auf ihn zu. "Ich wollte einfach wissen, was los ist. Ich meine... irgendetwas ist doch los oder? Sogar Alisa ist es aufgefallen. Liegt das an diesem Typen? Sandro?"

Ich schien mit meiner Frage voll ins Schwarze getroffen zu haben. Lev setzte seine Flasche wieder an die Lippen, wohl um etwas Zeit zu gewinnen. Dann irgendwann seufzte er und nickte. "Er... ist ein bisschen schwierig... Er gönnt mir und Alisa den Erfolg nicht. Außerdem ist mal etwas zwischen den beiden vorgefallen, was ihn wohl dazu veranlasst hat uns... oder vor allem mir das Leben zur Hölle zu machen. Ich konnte einfach nicht zulassen, dass er auch bei dir..." Er stockte und sein blickt heftete sich verzweifelt auf mir fest.

"Was soll mit mir sein?", fragte ich argwöhnisch und kam ihm wieder näher, bevor ich meine Arme vor der Brust verschränkte. "Lev?", setzte ich nach, als er nicht antwortete. Dann stöhnte er auf und ich sah, wie seine Hände sich fest um die Flasche schlossen.

"Er hat uns gesehen. Beziehungsweise hat er jemanden auf uns angesetzt... es gibt Fotos... und wenn die an die Öffentlichkeit kommen... dann ist deine Karriere in Gefahr...", stammelte er und sah dabei so verzweifelt aus, dass ich die letzte Distanz zwischen uns überbrückte und meine Hände auf seine legte.

"Hey... ganz ruhig. Hier geht es doch aber nicht um mich", versuchte ich ihn zu beruhigen und suchte seinen Blick. Dass er sich so viele Gedanken um mich machte, brachte mein Herz zum flattern.

"Aber... du hast doch gesagt... du hast nie gesagt, was das zwischen uns ist", flüsterte Lev jetzt und es brach mir fast das Herz, als ich hörte, wie seine Stimme zitterte. "Ich will dir keine Schwierigkeiten machen, okay? Wenn das für dich keine große Sache ist, dann muss ich irgendwie damit leben... aber ich will nicht, dass du wegen mir-" - "Lev!", unterbrach ich ihn unwirsch und er verstummte.

"Ich... es tut mir leid, dass ich dir nie gesagt habe-" Doch ein Klopfen an der Tür ließ mich meinen Satz nicht zu Ende bringen. Genervt öffnete ich die Tür, eigentlich, um den Störenfried klar zu machen, dass er sich einen anderen Zeitpunkt aussuchen muss, um mit Lev zu sprechen, doch als ich in das Gesicht des Designers schaute, blieben mir die Worte im Hals stecken.

"Entschuldigen Sie. Ist Lev hier?", fragte er verwundert und schaute prüfend an mir vorbei. Lev trat hinter mich und sagte: "Was kann ich für Sie tun?" Ich biss mir auf die Zunge und hielt mich zurück, den Besucher wieder weg zu schicken. Ich wusste, dass er und sein Label in diesem Moment Levs Arbeitgeber waren.

"Geht es dir besser? Ich wollte dich eigentlich direkt nach deinem Walk abfangen. Dass es dir so schlecht geht, habe ich nicht mitbekommen, bestärkt mich aber in meiner Entscheidung", sagte er fröhlich und schaute Lev über die Ränder seiner extravaganten Brille an.

"Welche Entscheidung?", fragte dieser auch direkt und fummelte nervös am Saum seines Shirts herum. Der Designer grinste und verschränkte die Arme vor seiner Brust.

"Ich beobachte dich schon so lang. Und dass du heute alles gegeben hast, war nur die Spitze des Potentials, welches ich in dir sehe! Ich will dich für mein nächstes Shooting buchen", antwortete er breit grinsend. Ich schaute aufgeregt und mit dem Ansatz eines Lächelns zu Lev hoch, in der Erwartung, dass er sich über diese tolle Neuigkeit freute. Schließlich konnte er den Designer trotz seiner wohl durchwachsenen Leistung von sich überzeugen.

Doch Lev sah alles andere als glücklich aus. Im Gegenteil: er machte den Eindruck, als hätte es ihn nicht noch schlimmer treffen können.

Stay with me || Lev x YakuWhere stories live. Discover now