Mein Freund

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Yaku PoV

"Was soll das heißen? Ich dachte wir würden uns wenigstens heute noch einmal sehen, bevor du zur Show musst", fragte ich geknickt und ließ mich nach hinten in die Kissen auf meinem Bett fallen, während ich mein Handy vor unterdrückter Enttäuschung ein wenig fester krallte. 

"Tut mir leid, Yaku... es... ist etwas dazwischen gekommen", sagte Lev leise und traurig. Zerknirscht zog ich eine Schnute.

Schon seit mehreren Tagen hatten wir uns nicht mehr gesehen. Lev bereitete sich aktuell auf eine größere Show vor und schien außerdem mit so vielen Shootings wie noch nie vollgestopft zu sein. Ich hatte das unangenehme Gefühl, dass da was faul war. 

Lev ging mir eindeutig aus dem Weg, seitdem er vor ungefähr einer Woche von einem größeren abendlichen Empfang wiedergekommen war. Auf meine Nachfrage hin hatte er zwar alles abgestritten, doch ich spürte ganz genau, dass er mich auf Abstand hielt. Nicht mal mehr einen Kuss wollte er mir geben. Anstelle dessen schaute er sich jedes Mal panisch um, wenn er dachte, ich bekäme es nicht mit. Ganz so, als ob er sich beobachtet fühlte. 

Doch egal, was ich tat, er dementierte meine Vermutungen und tat so, als wäre alles wie immer. Und jetzt sagte er sogar schon ausgemachte Verabredungen ohne einen driftigen Grund ab. Ich seufzte schwer und antwortete sauer: "Na gut. Darf ich wenigstens noch zu deiner Show kommen?" 

"Ehm... also da muss ich mal schauen... vielleicht ist es besser, wenn du nicht kommst", sagte Lev kleinlaut und ich sah ihn förmlich vor mir, wie er seinen Kopf einzog. "Lev, was ist denn los? Wenn du keine Lust mehr auf mich hast, dann sag es gefälligst, aber dieses seltsame Aus-dem-Weg-Gehen geht mir langsam gehörig gegen den Strich", sagte ich wütend. "Du hast mir versprochen, dass ich mit dabei sein darf." 

Ich hörte wie Lev tief einatmete. "Tut mir leid, Yaku... aber das geht einfach nicht", antwortete er nur, obwohl ich dachte, er würde alles wieder abstreiten. Das hier war eigentlich noch viel schlimmer. "Ich muss jetzt auch auflegen. Bis... bald", fügte er noch an und wartete nicht einmal eine Antwort von mir ab, sondern legte ohne ein weiteres Wort auf. 

***

Ich fühlte mich wie ein Verbrecher, als ich mich zwischen den Menschen bewegte, den Kopf eingezogen behielt und darauf achtete, dass weder meine Kapuze, noch meine Maske verrutschten. 

Ich hatte mich in meiner Verzweiflung an Alisa gewandt. Sie hatte mir damals einen Tipp gegeben, als ich Lev die Chrysanthemen geschickt hatte und hatte es auch heute möglich gemacht, dass ich mich im Backstagebereich der Fashionshow bewegen konnte.  

"Lev verhält sich schon seit Tagen komisch. Er will nicht mit mir reden, aber ich spüre, dass da was faul ist. Vorhin bei der Probe hat er einen Fehler nach dem anderen gemacht", begrüßte sie mich ohne Umschweife, als sie mir einen Backstagepass überreicht hatte und mich an den Sicherheitsleuten vorbei führte. 

"Danke, dass du mir noch einmal hilfst, Alisa", antwortete ich ihr und zog die Kapuze tiefer ins Gesicht. Alisa sagte nichts, sondern bewegte sich weiter durch die Menschenmassen. Irgendwann blieb sie jedoch so abrupt stehen, dass ich fast in sie hinein gelaufen wäre. 

"Was ist los?", fragte ich sie. Doch Alisa antwortete nicht, woraufhin ich an ihr vorbei schaute und erstarrte. Lev saß auf einem Stuhl vor einem großen Spiegel. Offenbar wurden ihm gerade Haare und Make-Up gemacht, denn er sah noch viel besser aus als sonst. Mich irritierte nur die Person, die hinter ihm stand. 

Ein braunhaariger junger Mann, eindeutig kein Japaner, hatte sich hinter Lev gestellt und ihm die Hände auf die Schultern gelegt, während er sich zum ihm herunter gebeugt hatte. Sofort zog sich mein Herz vor Eifersucht zusammen, doch dann sah ich, dass auch Lev nicht begeistert von diesen Berührungen war. Er versuchte sich daraus zu winden, doch der Griff an seinen Schultern wurde nur fester. 

Alisa versteifte sich neben mir und murmelte nur leise: "Sorry, ich... muss weg hier." Verwirrt schaute ich ihr kurz hinterher, bevor mein Blick wieder auf die beiden Männer fiel. Ohne recht darüber nachzudenken straffte ich meine Schultern und überbrückte die Distanz bis zu dem Bereich der Visagisten. 

Ich hörte, wie Lev energisch sagte: "Lass mich endlich in Ruhe, Sandro... ich hab dir schon gesagt, dass diese Entscheidung nicht in meiner Hand liegt, sondern in der des Kunden." Die Finger des anderen, offenbar mit dem Namen Sandro wanderten von seiner Schulter in sein gestyltes Haar. 

"Ich hoffe deine Mühen haben sich gelohnt", hörte ich ihn raunen und bevor er seine schöne Frisur kaputt machen konnte, schnellte meine Hand nach vorn und umschloss sein Handgelenk. Verwundert schaute er nach rechts und mir ins Gesicht. "Nanu?" In seiner Stimme lag ein leichter italienischer Akzent, doch er war um einiges ruhiger, als ich es erwartet hatte. 

"Wenn das nicht unser kleiner Libero ist", sagte Sandro mit einem verschmitzten Grinsen und nun war es Lev, der sich erschrocken umdrehte und mir direkt ins Gesicht schaute. "Yaku! Was zur Hölle machst du hier?", fragte er und seine Augen waren weit geöffnet. 

Ich zog die Augenbrauen zusammen. "Schön, auch dich zu sehen, Lev", sagte ich zerknirscht und blickte dann wieder Sandro an. "Was fummelst du meinen Freund an?", fragte ich ihn ungehalten und mein Griff wurde unbewusst etwas fester. Mir wurde erst bewusst, was ich gesagt hatte, als die Worte schon meinen Mund verlassen hatten. 

Ich sah, wie sich Levs Augen weiteten und seine Wangen sich ein wenig rosa färbten, doch Sandro legte lediglich den Kopf ein wenig schief. "Dein Freund also?", antwortete er und er schaute vergnügt zwischen uns beiden hin und her. 

"Lev hat mir versichert, ihr seid gar nicht zusammen, na so etwas", sagte er weiter. Er hatte hierbei definitiv seinen Spaß, das merkte ich ihm an. "Ich bin Sandro, freut mich dich kennenzulernen. Keine Sorge, ich will nichts von deinem Schmuckstück. Ich wollte nur sichergehen, dass er unsere Abmachung nicht vergessen hat." 

"Welche Abmachung?", fragte ich sofort, doch ich sah, wie Lev unwillkürlich den Kopf schüttelte. "Tut mir leid, Yaku-chan. Aber Lev will unser kleines Geheimnis offenbar nicht teilen", sagte er gespielt traurig und formte einen Schmollmund, den ich ihm am liebsten aus dem Gesicht gewischt hätte. 

Er nutzte meine kurze Unaufmerksamkeit und zog sein Handgelenk aus meinem Griff. "Ich muss jetzt gehen. War nett, dich kennengelernt zu haben, Yaku", säuselte er und wandte sich um. Dann war es still zwischen uns. 

"Wer zur Hölle war das?" fragte ich Lev ungehalten, doch ehe er den Mund aufmachen konnte, trat Mika plötzlich an uns heran. "Lev! Bist du fertig? Du musst dich bereithalten, gleich geht es los. Konzentrier dich bitte etwas mehr, als in der Probe okay? Sonst wirst du-... was willst du denn hier?" Die letzten Worte galten mir und sie sprach sie so kalt aus, dass ich unwillkürlich etwas zusammen zuckte. 

"Ich... Lev... können wir bitte reden?", fragte ich verzweifelt und ignorierte dabei die Managerin komplett, indem ich nur Lev anschaute. Der sah vollkommen neben der Spur aus und schüttelte nur leicht den Kopf. 

"Ich muss jetzt los." 

Stay with me || Lev x YakuWhere stories live. Discover now