1.2 | SUN AND RAIN

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DIE ZIERLICHEN Frühlingssonnenstrahlen schienen den Leuten, die an der blitzblank geputzten Fensterscheibe vorbeizogen unnachgiebig ins Gesicht. Nur über Danbi schwebte eine graue Regenwolke.
(Alleine) saß sie im ›Three Worlds Café‹, wie schon einmal zuvor und blätterte im Buch herum, welches sie vor gut zwanzig Minuten im neuen Buchladen-ihres-Vertrauens gekauft hatte. Anfangs hatte sie zumindest versucht sich auf den Paperback in ihren Händen zu konzentrieren, doch schon bald hatte sie den Seiten vor sich keine Beachtung mehr geschenkt.
Neidisch - mit dem Kopf auf einer Hand abgestützt und zu Schlitzen geformten Augen - beobachtete sie stattdessen das süße Mädchen, welches gerade auf einer Bank an der gegenüberliegenden Straßenseite saß und auf ihren Freund wartete. Dieser hatte nämlich vor einer Minute das kleine Café betreten und zwei Stücken Erdbeertorte gekauft. Nun lief er mit einer kleinen Box in der Hand in Richtung Bank, ein liebevolles Lächeln auf den Lippen. Als das Mädchen die Box öffnete, erstrahlte ihr Gesicht und sie gab ihrem Freund einen Kuss auf die Wange.
Danbi gab sich nicht einmal mehr Mühe unauffälliger zu starren. Das Leben war manchmal einfach zu unfair.

Das hätten wir sein könn-, sie stoppte ihren Gedankengang, bevor sie ihn beenden konnte. Sie ermahnte sich nicht so dramatisch zu sein, schließlich hatte Minho versprochen, dass sie ein andern Mal herkommen würden.

Sie konnte das frustrierte Seufzen nicht unterdrücken, das fünfte in den letzten zwei Minuten.
Minho hatte kurz vor unserem Treffen abgesagt, da er mit den drei Mädchen aus der Uni anscheinend schon eine Verabredung hatte, die ihm vorher - als die beiden das Date geplant hatten - entfallen war. Natürlich war Danbi ihm nicht böse. Wenn er sich schon vorher mit ihnen verabredet hatte, dann wollte sie das nicht kaputt machen, aber...
Sie hatte sich den ganzen Tag darauf gefreut...

•••

Erneut guckte sie auf ihr Handy, um die Uhrzeit zu checken.

Noch eine halbe Stunde?

Ungeduldig klickte sie mit ihrem Kugelschreiber und nervte damit wieder einmal die spießige Brillenschlange neben sich, die inzwischen so etwas wie ihr Sitznachbar geworden war. Sie wusste nicht, warum er immer noch den selben Fehler beging und sich wirklich jedes Mal in die selbe Reihe wie sie setzte oder ob es einfach unglücklicher Zufall war. Auf seine abwertenden Blicke hin erwiderte Danbi jedenfalls immer ihr zuckersüßestes Lächeln. Vielleicht überwand er ja noch seine unbegründete Abneigung gegen das Mädchen und sie konnte sich später mal den ein oder anderen Lernzettel schnorren. Zwar unrealistisch, aber die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt.
Während auf ihrem Blatt am Ende der Vorlesung nämlich gerade mal die Überschrift vom Thema stand, hatte der Kerl mit Hingabe jedes einzelne Wort des Professors übernommen.
Diese Motivation hätte sie gerne.
Ganz offensichtlich war der Kerl ein Neuling.

Als die Vorlesung endlich endete, war Danbi die Erste, die aufsprang und den Hörsaal verließ. Die Zeit hatte sich ewig hingezogen, aber jetzt hatte sie frei und musste nicht einmal irgendwelche Projekte vorbereiten.
Aufgeregt sprang sie die Unikorridore entlang, konnte noch gerade so einen Sturz vermeiden, der sie gute zwei Treppen hinunter gefegt hätte und kam schließlich am Eingangstor des Campus an.

Wo war er? Sie blickte sich suchend um. Oh!

„Minho!"

Warum lief er aus dem Tor hinaus?

„Minho?"

Überrascht drehte er sich um und musterte Danbi. Er rief irgendwem hinter sich etwas zu und kam seiner Freundin entgegen getrabt.
„Wollen wir los?", fragte diese enthusiastisch und harkte sich motiviert bei ihm ein, doch er zögerte.
„Danbi?"
„Ja?"
„Können wir das verschieben? Ich habe vergessen, dass ich schon mit Yejin und ihren Freundinnen verabredet bin."
„Oh... ja klar." Sie zwang sich ein Lächeln auf die Lippen.
„Lass uns das morgen machen, ja? Wir sehen uns."
Und damit ließ er sie stehen und joggte zu den drei Mädels hinüber.
Danbi wollte ihn daran erinnern, dass morgen der Geburtstag ihrer Stiefmutter war und sie deshalb keine Zeit hatte, doch kam nicht mehr dazu, da er schon hinter der nächsten Mauer verschwunden war.

Hidden Talent | Jeon JungkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt