1.7 | PROMISE

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„HI, MUM."
Es war schon annähernd null Uhr in der Nacht hier in Südkorea, doch das hielt Danbi nicht davon ab ihre Mutter an deren einzig freien Nachmittag unter der Woche per FaceTime anzurufen.
Beim Anblick der kleinen, blondhaarigen Frau Mitte 40 in ihrer weißen Backschürze stahl sich ein glückliches, wenn auch müdes Lächeln auf ihr Gesicht.
Bis auf die Größe hatten Mutter und Tochter äußerlich nicht viel gemein, aber Danbi war der festen Überzeugung, dass sie ihren Sinn für Humor und Einfallsreichtum, und vielleicht auch ihre ab und an chaotische Art von ihr geerbt hatte.

„Na, Mäuschen, wie gehts dir?"
Eifrig rührte die Frau mit einem Schneebesen Teig in einer Schüssel um.
Anscheinend war sie wieder einmal in ihrem Backwimmel, bei welchem sie oft stundenlang nicht ein einziges Mal die Küche verließ.
Bei ihr zu Hause war die kleine, gemütliche Sitzecke am Fenster neben der hellen Theke und der Kücheninsel schon immer einer von Danbis Lieblingsplätze gewesen. Dort hatte sie ihrer Mutter jedes Mal Gesellschaft geleistet und anschließend das Essen genossen.
Wenn Danbi also eine Sache mit Heimat verband, dann war es ihre Mum in der Küche beim Backen.

Das Mädchen atmete einmal tief durch, um das unangenehme Ziehen in ihrem Herzen verschwinden zu lassen, welches wohl ein Symptom von Heimweh zu sein schien.
Ein halbherziges „Gut" verließ ihre Lippen, ehe sie sich dazu durchringen konnte es glaubwürdiger klingen zu lassen. „Und dir? Irgendwas Neues aus Deutschland?"
Sie beobachtete, wie ihre Mutter seufzend den dunklen Schokoladenteig in ein ausgelegtes Backblech füllte und alleine diese kleine Reaktion, verdeutlichte ihr, dass die Bäckerin sich wohl - genau wie Danbi selbst - schon seit einer Weile mit irgendetwas herumschlug.
„Was ist los?", fragte sie, „Raus damit, Mama."
„Ach, nichts weltbewegendes", versicherte diese ihr, „Herr Reibach, der zwei Straßen weiter wohnt, hat mich nur zum Kaffee Trinken eingeladen..."
Mit einem Mal schien das Einstellen der Hitze am Ofen ihre ganze Präzision zu erfordern.
„Hört sich doch gut an", kommentierte Danbi schulterzuckend.
„Ja...", murmelte die andere, als sie das Blech in den Ofen schob, „Aber dein Dad und ich sind ja jetzt schon fast ein Jahr lang getrennt und ich befürchte, dass er bei diesem Vorschlag irgendwelche Hintergedanken hat..."
„Moment mal, Herr Reibach mit dem Porsche in der Auffahrt und dem Ferienhaus auf Kreta?"
Bei dieser Frage konnte Danbis Mutter sich die Antwort ihrer Tochter wohl schon ausmalen.
„Was gibt es da so lange zu überlegen? Nichts wie ran da!"
Der vernichtende Blick, den die Schürzenträgerin ihr daraufhin zuwarf, brachte die Jüngere noch mehr zum Lachen.

„Aber jetzt mal ehrlich", sagte Danbi, nachdem sie sich wieder eingekriegt hatte, „Könnte doch ganz nett werden..?"
„Hm, ich weiß nicht...", zauderte ihre Mutter weiter und zupfte unschlüssig an einem karierten Küchentuch herum.
„Du wolltest doch schon immer mal ein Ferienhaus im Süden haben~", säuselte Danbi und endlich zeigte die andere sich überzeugt.
Mit Urlaub kriegte man sie immer umgestimmt.
Kein Wunder, wo sie auch so viel arbeitete, dachte Danbi.
„Ok ok, ich sag ihm zu. Aber falls das ein Reinfall wird, ist es deine Schuld."
Triumphierend jubelte die Tochter.
Dass sie dadurch wahrscheinlich gerade Jimins süßen Schlaf störte, tat ihr zwar leid, aber sie freute sich ein bisschen zu sehr für ihre Mum, als dass sie ein lautes Jauchzen unterdrücken könnte.
Danbis Mum war seit der Trennung auf kein einziges Date mehr gegangen. Zu sehen, wie sie sich auf jemand Neuen einließ, machte das dunkelhaarige Mädchen einfach stolz.

„Was backst du da eigentlich?", fragte dieses neugierig, während die andere Frau sich einen Stuhl heranzog.
„Mein Spezialgericht", erklärte sie, in die Kamera grinsend. Danbi keuchte theatralisch auf.
„Du weißt doch, wie sehr ich deine selbstgemachten Brownies liebe! Das macht die 8000 Kilometer Entfernung ja gleich viel erträglicher...", nörgelte sie vorwurfsvoll.
„Vielleicht ist das ja auch ein Köder, um dich zurück nach Deutschland zu locken."
Danbi wusste, dass ihre Mutter es als Scherz meinte, aber der bittere Beigeschmack dieser Aussage verpestete trotzdem ihre Zunge. Sofort hatte sie ein schlechtes Gewissen.
„Du weißt aber, dass ich ohne zu zögern in den nächsten Flieger steigen würde, wenn ich hier gerade weg könnte oder, Mum?", hakte sie prüfend nach.
Sie wollte, dass ihre Mutter wusste, dass sie sie nicht weniger lieb hatte, nur weil Danbi mit ihrem Dad nach Seoul gezogen war.
„Natürlich, Schatz, ich doch auch." Das warme Lächeln ließ sie gleich ein wenig besser fühlen.

Hidden Talent | Jeon JungkookWhere stories live. Discover now