1.6 | LEGO BREAK

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„MEIN VERSTECKTES Talent?"

Perplex schaute Jeong-guk vom Notizbuch in seinem Schoß auf.
Danbi saß inzwischen nur noch einen knappen halben Meter von ihm entfernt und grinste ihn schief an. Die Sonne schien ihr ins Gesicht und zum ersten Mal bemerkte er die kleinen, fast unsichtbaren Sprenkel auf ihrer Haut.
Jeong-guk zählte 21, die auf ihren Wangen und der Nase verstreut waren. Zwei weitere befanden sich direkt über ihrer Augenbraue.

„Hab ich was im Gesicht?"
Aus seinen Gedanken gerissen, schreckte er verwirrt auf. „Hm?"
Sie runzelte die Stirn, was die zwei Sprenkel über ihrer Augenbraue zum Wackeln brachte.
„Hab ich was im Gesicht oder warum guckst du so komisch?", wiederholte sie langsam, wie als wäre er verrückt.
„Du hast da Sommersprossen...", erklärte der Sänger gedankenverloren.
Er hatte keine Ahnung, was es mit diesen kleinen, braunen Flecken auf sich hatte, aber irgendwie schafften sie es ihn in ihren Bann zu ziehen.
„Die sind so blass."

Im Nu gefror ihr Lächeln. Sie gab sich Mühe, es sich nicht anmerken zu lassen und Jeong-guk war zu gefangen vom Anblick ihrer Sprenkel, als dass er den entsetzten Blick bemerkte, der wie ein Schatten für den Bruchteil einer Sekunde über ihr Gesicht glitt.

„Ich überdecke sie meistens..."

„Warum sollte man das tun?"

Jeong-guk legte fragend den Kopf schief, wie als könnte er es sich bei besten Willen nicht erklären.
Doch eigentlich war der Grund recht simpel.
Danbi hatte ihre Sommersprossen noch nie wirklich gemocht. Zwar waren es nicht viele, so viele, dass man sie noch einzeln zählen konnte und wenn man nicht genau hin sah, bemerkte man sie garnicht. Trotzdem hatte sie sich immer ein bisschen unwohl mit ihnen gefühlt.
Der Beauty-Standard hier in Südkorea übte immensen Druck auf einen aus, sich an die Gesellschaft anzupassen. Nicht viele Koreaner hatten Sommersprossen und so hatte sie oft das Gefühl auf eine unangenehme Art und Weise hervorzustechen.
Darum überdeckte Danbi sie meistens einfach.

„Ich fühle mich mit ihnen etwas unwohl...", beichtete sie ihm also.

Und er stockte, als er bemerkte, dass dies bereits das vierte Geheimnis war, welches die beiden einander an einem einzigen Nachmittag verraten hatten.

Wieso taten sie das?
Um sich besser kennenzulernen?
Wohin führten diese Treffen überhaupt?

„Magst du die Sterne?"
Leicht überrumpelt von dieser plötzlichen Frage nickte Danbi zustimmend. „Ja, ich meine, wer nicht?"
Jeong-guk schmunzelte.
„Ehrlich gesagt gehören sie sogar zu den Dingen, die ich bereits vermisse. In unserer Kleinstadt in Deutschland konnte man sie fast jeden Tag sehen, vorausgesetzt es war nicht bewölkt. Hier in der Großstadt machen die hellen Straßenbeleuchtungen es nahezu unmöglich."
Mit den Armen von hinten abgestützt und den Beinen nach vorne ausgestreckt, legte er nachdenklich seinen Kopf in den Nacken.
„Ja, es hat so seine Vor- und Nachteile..."
„Wieso fragst du?", hakte das Mädchen nach.
Er guckte ihr in die Augen.
„Sie erinnern mich an sie."
„An wen?"
„Deine Sommersprossen", erklärte er, wie als wäre es offensichtlich, „Sie sind wie kleine Sternkonstellationen auf deiner Haut."
Danbi verfolgte, wie sein Blick abermals flüchtig zu ihren Wangen huschte und hielt kurz den Atem an.

Wie konnte er diese unregelmäßigen Flecken mit etwas so Schönem wie den Sternen vergleichen?, dachte sie.

Jeong-guk musste ihre Verblüffung spüren, denn er redete weiter. „Soll ich's dir zeigen?"
Auf Danbis zweifelhaftes Nicken hin, zog er sein Handy aus der Hosentasche hervor.
„Darf ich?"
Sie hatte kein großes Problem damit, wenn Leute von ihr Bilder machten, solange sie vorher gefragt wurde, also lächelte sie einfach als Antwort in die Kamera.
Grinsend machte er ein Foto und hielt es der Studentin anschließend unter die Nase.
Erstaunlicherweise sah es sogar besser aus, als erwartet. Die Sonne schien geradezu perfekt zwischen den Ästen der Bäume hindurch, tauchte den Hintergrund in ein herrliches Gold. Auch die kleinen Pünktchen in ihrem Gesicht glänzten im Licht der Nachmittagssonne. Dafür, dass Jeong-guk das Bild innerhalb von fünf Sekunden geschossen hatte, war es erstaunlich gut geworden.

Hidden Talent | Jeon JungkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt