78. Der erste Schnee

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Lily P.o.V.
Die nächsten Tage bis zum Wochenende werde ich morgens von einer leichten Melodie geweckt, die James vor sich hin singt, während er sich fertig macht, ehe er an meiner Tür klopft und wir zum frühstück runter gehen. Jeden Abend lernen wir zusammen ehe wir zu müde für klare Gedanken sind und uns mitten in der Nacht durchs Schloss schleichen und er mir immer neue Geheimgänge zeigt. Wir treffen einige Male auf Peeves, der uns jedoch überraschender Weise in Ruhe lässt, doch Filch läuft uns an nicht einem Abend mehr hinterher, was mich beruhigt und die Ausflüge nicht weniger spannend macht.

„Was machen wir heute Abend", fragt Marlene in die Runde als wir beim Abendessen sitzen. Sie sitzt neben Sirius, mit dem sie immer noch zusammen ist, welcher allerdings eher mit einem Gespräch mit Remus interessiert ist, als an Marlenes Frage. „Ich wäre für eine gemütliche Runde mit einem Feuerwiskey", antwortet James und stopft sich eine Gabel voller Karottensalat in den Mund. „Find ich gut", stimmt Alice zu und auch Frank nickt. Ich rolle mit den Augen über diesen Vorschlag, murmle dennoch eine Zustimmung. Darauf hin schaut James, welcher schon wieder die nächsten Gabel füllte, mich grinsend an. Einen kurzen Augenblick meine ich, dass er mir zuzwinkert, doch stemple ich es direkt als Einbildung ab. „Na schön. Dann nur was kleines heute", meckert Marlene dezent, verstummt unter meinem Blick dennoch direkt. Sie sollte wissen, dass ich nicht der größte Fan von riesigen Partys bin. Auch Remus wendet sich jetzt unserer Planung zu, „Wollen wir dann einfach zu euch? Dort haben wir wenigstens unsere Ruhe und wir können uns auch zu fünft auf das Sofa quetschen." „Wenn es für Lily passt gerne", mampft James durch ein Stück Hähnchen und ich nicke geistesabwesend. Wie kann man bloß so viel essen? Ich beobachtete wie er sich noch etwas Spinatkäsenudeln auf seinen Teller häuft und begann diese zu verschlingen. „Du starrst etwas, Lils", flüstert mir Mary ins Ohr. Ich zucke ertappt zusammen und wende mich meinem eigenem Teller zu. Nachdem ich eine Weile meine halbgegessene Toastscheibe angestarrt habe stehe ich auf, „Ich gehe noch etwas lernen, bis nachher Leute." Mit einem letzten Lächeln verlasse ich die große Halle.

Ein Schauer fährt mir über den Rücken, als ich nach draußen gehe. Ein Windstoß drückt die Eichentür hinter mir zu und ich gehe den Weg zu Hagrids Hütte hinunter. Auf halben Weg höre ich Rufe hinter mir und als ich mich umdrehe, sehe ich James auf mich zu rennen. Ich bleibe stehen und warte darauf, dass er zu mir aufschließt. „Hey", keucht er und stützt seine Hände kurz auf seine Knie um seine Atmung zu regulieren. „Hi", gebe ich zurück und muss grinsen als er völlig fertig zu mir hochschaut. „Ich dachte du willst vielleicht etwas Hilfe beim lernen, aber wie es aussieht war das nur eine Ausrede, um von uns abzuhauen." Er richtet sich wieder richtig auf und wir gehen den Weg weiter. „Es war keine wirkliche Ausrede. Ich wollte eben zu Hagrid, aber das hab ich kurzfristig entschieden." „Ich glaube trotzdem, dass es eine Ausrede war", lacht er und grinst mich wissend an, „Ich nehme es dir aber nicht übel. Marlene und Sirius sind merkwürdig zu einander. Alice und Frank sind gefühlt wieder auf Wolke sieben und man sitzt dazwischen und langweilt sich." Jetzt muss ich lachen, „Du langweilst dich bei deinen Freunden? James Potter der Erfinder von Abenteuer und jeglichen interessanten Gesprächsthemen hat Langeweile." „Wenn du nicht da bist? Ja." „Schon klar. Du hast dich gelangweilt, weil dein Körper nicht weiß, was er außer essen noch machen soll und so viel wie du gegessen hast, bist du einfach nur satt." „Du hast mein Essverhalten wohl ganz genau beobachtet." „Möglich", nuschel ich und wende mein Kopf ab. „Ich hab dich auch ebend bei Abendessen beobachtet und du hast viel zu wenig gegessen. Ein halbes Toast reicht nicht, um dein hart arbeitendes Gehirn zu versorgen." „Ich hatte halt keinen Hunger." „Wenn du meinst, aber ich bin derjenige, der dich heute vollbesoffen verpflegen muss. Auf nüchternen Magen trinken, ist nie eine gute Idee." „Mach dir mal keine Sorgen um mich. Ich trinke eh nicht viel." Er nickt nur, doch ich merke wie er sich dennoch Sorgen macht. „James, es ist wirklich alles gut. Ich esse nunmal nicht viel. Aber mir geht es gut und du brauchst dir keine Gedanken darüber machen okay?" Wieder nickt er, doch dieses Mal bin ich mehr überzeugt.

Wir kommen bei Hagrids Hütte an, doch niemanden scheint da zu sein. „Komisch", murmel ich und klopfe noch einige Male an. Doch im Inneren herrscht weiter Ruhe. „Vielleicht ist er im Wald bei den Einhörnen", beruhigt James mich und schaut durchs Fenster, „Die Backsteinkekse stehen auf jeden Fall auf dem Tisch." Ich lache leise auf, „Dann komme ich später noch einmal wieder." James nickt und dreht sich von Haus weg. Stumm machen wir uns auf den Weg zurück, doch anstatt den direkten Weg zu gehen zieht James mich einen Trampelpfad entlang. Mitten auf den Weg bückt er sich um einen Stein aufzuheben, „Ich brauche jetzt ganz dringend einen Steinkäfer der den Weg mit uns läuft." Erwartungsvoll schaut er mich an und das goldene Glitzern in seinen Augen, ermutigt mich. Ich zücke meinen Zauberstab und konzentriere mich auf den steinernen Käfer den ich haben will. Als ich den Zauber ausführe und meine Augen wieder öffne, läuft der Käfer doch tatsächlich auf James' Hand und fällt beinahe runter. Ich fange an auf und ab zu hüpfen, während er den Käfer auf den Boden setzt. „Super gemacht", er grinst mich an und schließt mich in eine Umarmung. Ich drücke ihn vor lauter Freude so fest ich kann und spüre seinen Brustkorb vom Lachen beben. „Danke", quieke ich und lasse ihn los, doch ich gehe nicht von ihm weg und auch er bleibt stehen, sodass wir einen Augenblick nur so da stehen. Seine Augen sprühen beinahe Funken vor Freude und ich beobachte jeden einzelnen, der versucht aus seinen Augen zu springen. Dann fällt mein Blick auf seinen Mund und ich lehne mich etwas vor. James beugt seinen Kopf zu mir runter und nur einige Zentimeter sind zwischen uns, als James zusammenzuckt und sein eines Bein hebt und dann auch das Andere. Ich schaue auf den Boden und sehe den Steinkäfer von James weglaufen. Ich muss kichern und schaue verunsichert zu James, welcher mich ebenfalls verunsichert anguckt. Doch als würde Merlin uns keinen ruhigen Augenblick gönnen, werden wir wieder unterbrochen. Dieses mal von kleinen weißen Schneeflocken, die vom Himmel rieselten. Ich schaue verwirrt nach oben und beobachte wie die Flocken immer mehr werden. Verdutzt schon ich zu James, der mich nur angrinst. „Sieht aus als würden wir heute Nacht bei unserer Tour einen Schneemann bauen. Es sei denn du willst heute Nacht lieber besoffen in deinem Bett liegen." Ich schnaube, „Also erstmal betrinke ich mich nicht und zweitens fällt so viel Schnee, dass wir auch in 15 Minuten schon einen bauen können." „Na dann wollen wir das mal machen", lachend greift er meine Hand und wir rennen zurück zum Schloss und in unsere Räume. Schnell ziehen wir Mütze und Handschuhe an und rennen durch die Gänge zurück nach draußen. Die anderen Schüler schauen uns verwundert hinterher und ich kann mir nur vorstellen, wie merkwürdig es sein muss, wenn die zwei Schulsprecher lachend wie zwei Teenager an einem vorbei nach draußen laufen. Doch das könnte mich im Augenblick nicht weniger stören. Denn ich wollte einfach nur raus in den Schnee und mich wie ein Kind über den ersten Schnee freuen.

Nach fünf Schneeengeln und einem riesigen Schneemann fangen meine Zehen an sich wie Eisklotzen anzufühlen und auch die kindliche Vorfreude schwindet so langsam dahin. Erschöpft falle ich in den Schnee und James setzt sich neben mich, ein breites Grinsen auf seinem Gewicht. „Ist das nicht irre wie wenig Schüler hier sind und den Schnee genießen", fragt er und schaut umher. Ich zucke mit den Schultern wobei ich den Schnee, auf dem ich liege, gegen meine Ohren schiebe, „wir sind auch ein ganz schönes Stück vom Schloss entfernt. Die anderen rennen wahrscheinlich nicht noch um den halben See." „Deren Pech. Ich würde die Ruhe hier um nichts in der Welt verpassen." Er schaut umher und legt sich dann auch komplett in den Schnee. Er zischt auf und setzt sich wieder aufrecht hin. „Das ist ja arschkalt am Hinterkopf", flucht er, während er seine Mütze über den Kopf reibt. Ich beginne ihn auszulachen und schon fängt er an mich durchzukitzeln. Schreiend treten ich um mich und versuche ihn zum Stoppen zu bringen, doch er hört erst, als ich nach seinen Händen greife und diese festhalte. „Du sieht übrigens hübsch aus mit deinem roten Haar im Kontrast zum Schnee." Ich lächle verlegen und bedanke mich flüchtig. „Ich hab eine Frage, Lily. Doch ich weiß nicht, ob ich die Antwort auf die Frage hören will und deswegen weiß ich nicht, ob ich wirklich fragen sollte." Er schaut mir tief in die Augen und ist deutlich verunsichert. „Frag einfach, James. Besser eine blöde Antwort, als dass du nie die Antwort kennst, nicht wahr." Er nickt und holt einmal tief Luft, „Darf ich dich küssen, Lily Evans." Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus und ich nicke sanft, bevor sein Gesicht zu meinem runter kommt und unsere Lippen aufeinander treffen. Er küsst mich sanft und dringt mir nichts auf. Als er sich von mir löst ergreife ich seinen Kopf und ziehe ihn wieder zu mir runter. Seine Hände legen sich an meine Wangen und ich spüre die Wärme seiner Lippen und seiner Hände in meinem Gesicht. Mein Herz schlägt unglaublich doll und in meinem Bauch explodiert ein Feuerwerk. Ich muss vor Freude grinsen, wodurch ich den Kuss leider abbreche. Er legt seine Stirn an meine und grinst mich an. „Das wollte ich schon so lange machen, aber entweder Sirius oder ein kleiner Steinkäfer kommen immer dazwischen." Ich lache leise auf und starre hinauf in seine braunen Augen. Ich habe James Potter geküsst und ich will es wieder machen. Ich will nie mehr damit aufhören. Das hätte man mir mal vor einem Jahr weiß machen sollen.

Schon immer (jily / flowerpott ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt