14.Kapitel

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"Normalerweise verbrachte die Familie Weihnachten auf Highclere Castle. Doch in diesem Jahr fuhr die Familie nach London.
Es kam mir so vor, als sei dies nur geplant worden, damit George mehr Zeit mit Miss Ashton verbringen würde.
Auch ich sollte mit nach London kommen, als Lady Violettes Zofe. Ich war noch nie zuvor in London gewesen, weshalb ich vor der langen Reise sehr aufgeregt war. Und ich fragte mich, ob London wirklich so aufregend war, wie alle es beschrieben.

Schon einige Tage vor der Reise war ich damit beschäftigt, die Kleidung der jungen Lady zurecht zu legen und einzupacken. Den ganzen Tag über hatte ich sehr viel zu tun. Da blieb nicht viel Zeit, um mich mit deinem Großvater zu treffen. Meistens trödelte ich, wenn ich am Abend sein Zimmer reinigte, sodass wir uns dann kurz sehen konnten.

Die Familie hatte ein Haus in London. Von den anderen Bediensteten erfuhr ich dass das Haus in einer sehr feinen und wunderschönen Gegend lag.

John der Diener, zwei Hausmädchen und ich sollten vorraus geschickt werden, damit wir alles für die Ankunft der Herrschaften vorbereiten konnten.

Am Morgen des 21. Dezember brachen wir gemeinsam nach London auf. Der Chauffeur fuhr uns als es noch dunkel war zum Bahnhof. Es war kalt und die Straßen waren dick verschneit. Dadurch kamen wir nur sehr langsam vorran und als wir den Bahnhof erreichten, war der Zug schon längst abgefahren.

Wieder zum Haus zurück zu fahren würde sich nicht lohnen, besonders bei dem dichten Schnee. Deshalb beschlossen wir beim Bahnhof zu warten.
Es war ein eiskalter Wintertag. Nur ein Dach über dem Bahnsteig schützte uns vor den dicken Schneeflocken. Wir wickelten uns in unsere Mäntel, doch auch die konnten uns nicht vor der schneidenden Kälte schützen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam endlich der nächste Zug, der uns nach London bringen sollte. Die dritte Klasse war zwar nicht besonders komfortabel, doch es war immerhin warm.

Die Fahrt erschien mir endlos lang. Es schien mir als würden wir im Kreis fahren, denn immer zog die gleiche Schneebedeckte Landschaft am Fenster vorbei.

Ich staunte nicht schlecht, als ich endlich die vielen, wunderschönen Häuser Londons an mir vorbei ziehen sah. Der Zug hielt auf einem schmutzigen, aber sehr großen Bahnhof. Noch nie zuvor hatte ich so viele Menschen auf einem Fleck gesehen.
Damals war mir noch nicht wirklich bewusst, wie viele Menschen tatsächlich in London lebten. Und schon als ich den Bahnhof verließ bemerkte ich meinen Irrtum.

Ein sehr neues Automobil brachte uns zum Haus des Lords. Nur Highclere Castle schien im Vergleich zu diesem Haus prachtvoller zu sein. Es war ein imposantes, wunderschönes Haus aus der viktorianischen Zeit.

Wir hatten fast zwei Tage Zeit um alles für unsere Herren herzurichten. Da wir nur zu viert waren, hatten wir alle Hände voll zu tun und gönnten uns keine ruhige Minute. Wir säuberten das ganze Haus, kauften ein, Putzten das Geschirr und polierten das Silber.

Als ich Highclere Castle zum ersten Mal betrat, kam es mir unglaublich luxuriös vor. Nie hätte ich geglaubt, dass die Bentleys ein Haus besitzen könnten, welches noch komfortabler war und seinen Bewohnern noch mehr Luxus bot. Doch dieses Haus übertraf alles...

Am 23. Dezember kam die Familie um die Mittagszeit in London an. Es fiel mir schwer wieder einmal so tun zu müssen, als würde George und mich nichts verbinden. Doch unter den wachsamen Augen von Lady Bentley blieb uns nichts anderes übrig.

Die Weihnachtszeit war für uns Dienstboten immer eine sehr anstrengende Zeit. Denn das Haus musste geschmückt und das Weihnachtsessen vorbereitet werden. Zusätzlich wurden oft noch Gäste empfangen, für die wir ebenfalls kochen und Schlafzimmer vorbereiten mussten.

Am Abend des 23.Dezember ging die Familie ins Theater um sich die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens anzusehen. Ich kannte nur das Buch und war sehr traurig, weil ich das Theater Stück wohl nie zu sehen bekommen hätte. Und ich beneidete George um sein perfektes, einfaches Leben, voller Luxus und Überfluss.

Als Lady Violette am Abend nach Hause kam, schwärmte sie von dem Theater. Wie groß und prunkvoll der Saal gewesen wäre. Und wie gut gekleidet die Damen und Herren gewesen sind.
Während sie so schwärmte, versuchte ich möglichst nicht noch eifersüchtiger zu werden, als ich ohnehin schon war. Denn es stand mir nicht zu, eifersüchtig zu sein.

Nachdem ich meine Arbeit getan hatte, stieg ich in den Keller hinab. Es duftete überall nach Plätzchen und Tannennadeln. Ich liebte schon immer den Geruch von Weihnachten. Überall im Haus hingen Girlanden aus Tannenzweigen, Mistelzweige und viele Kerzen erleuchteten das Haus. In der Halle war ein sehr hoher, prächtig geschmückter Weihnachtsbaum aufgestellt worden.

In dem Gang, der hinab in die Wirtschaftsräume führte, hing ebenfalls ein Mistelzweig. Normalerweise machte ich um all diese Zweige einen großen Bogen. Doch in diesem schmalen Gang schien sich niemand aufzuhalten, weshalb ich mutig darunter hindurch Schritt.

Plötzlich hinderten mich starke Arme am weitergehen. Grinsend wie ein Honigkuchenpferd trat George aus einer Nische in der Wand, die mir zuvor noch nie aufgefallen war. Er zog mich an sich und küsste mich leidenschaftlich...."

Lady Bentley von Highclere Castle Teil IWhere stories live. Discover now