27.Kapitel

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"Hattest du Kontakt zu Großvater während er an der Front war?" Fragte Charlotte.
"Natürlich standen wir die ganze Zeit in Kontakt. Allerdings war die Kommunikation damals noch vollkommen anders als heute. Wir hatten damals keine E-mails, SMS oder was es auch sonst noch alles gibt. Wir hatten nur Telefone, Telegramme und Briefe. Allerdings brauchte die Post damals sehr viel länger um die Briefe zuzustellen. Manchmal wartete man Tage oder sogar wochenlang auf einen ersehnten Brief..."
"Hast du die Briefe von damals noch" fragte sie neugierig.

"Ja" antwortete ich, "soetwas kann man doch nicht wegwerfen. Ich habe alle Briefe aufgehoben, die er mir geschrieben hat."
"Und was ist mit den Briefen, die du ihm geschrieben hast?"

Ich hatte jahrzehntelang geglaubt, dass diese Briefe verschwunden waren... Doch ich hatte sie wiedergefunden. Mein Mann hatte sie Jahrelang in seinem Nachtschrank aufbewahrt, ohne mir davon zu erzählen.
"Granny?" Fragte Charlotte, die meine geistige Abwesenheit bemerkt hatte. Verwirrt blinzelte ich sie an.
"Was ist nun mit Großvaters Briefen?"
"Achso" langsam fing ich mich wieder, "ich habe auch diese Briefe, obwohl ich glaubte, dass sie verschollen sind."

Charlotte lächelte und kritzelte sich ein paar Notizen auf ein Blatt Papier. "Kannst du mir die Briefe bitte zeigen? Denn ich würde sie gerne lesen."

Ich musste etwas in meinem mittlerweile sehr staubigen Oberstübchen graben, auf der Suche nach dem Ort, wo ich die Briefe zuletzt gesehen hatte. Doch nach einer Weile kam es mir wieder in den Sinn.

"In meinem Bücherregal steht eine geblümte Kiste. Und in dieser habe ich die Briefe aufbewahrt. Würdest du sie bitte holen?"

Eifrig sprang Charlotte auf, um die Briefe zu holen. Und kurz darauf saßen wir in unseren Sesseln an einem kleinen runden Tisch. Die Briefe hatten wir vor uns ausgebreitet und ich ordnete sie der Reihnfolge nach. Ungeduldig beobachtete Charlotte, wie ich die vergilbten Umschläge sortierte. Als ich fertig war, begann Charlotte zu lesen.

Liebster George,
Ich bin in der letzten Woche nach Highclere zurückgekehrt. Niemand hätte damit gerechnet, dass ich so schnell wieder kommen würde.
Hier ist alles beinahe wie immer. Der einzige Unterschied ist, dass immer mehr Diener in den Krieg gezogen sind. Der Butler dreht deshalb fast durch. Denn er weiß nicht, wer nun bei feinen Essen servieren soll. Aber er weigert sich nach wie vor Dienstmädchen im Speisesaal zu haben.
Aber ich möchte dich nicht weiter mit langweiligen Details von hier nerven...
Wie geht es dir? Und wo bist du gerade?
Ich vermisse dich jede Sekunde in der du nicht bei mir bist. Es gibt keinen Moment an dem ich nicht an dich denke. Ich hoffe es geht dir gut. Pass bitte auf dich auf.

In Liebe Clara

Als Charlotte den Brief weg legte, sah ich, wie Tränen in ihren Augen glänzten. Eigentlich war Charlotte selten Sprachlos, doch in diesem Moment schien sie nicht die richtigen Worte zu finden.
Schweigend griff sie nach Georges Antwort auf meinen Brief und las weiter.

Geliebte Clara,
Ich bin nun seit einem halben Monat in Frankreich. Es geht mir gut, so gut wie es mir unter diesen Umständen gehen kann. Ich will dich nicht traurig machen indem ich dir das Grauen beschreibe, das ich hier erlebe....
Ich bin froh über jedes Wort, was ich von zu Hause höre. Denn so kann ich mich in eine bessere Welt träumen. Hat meine Mutter ihr Versprechen eingelöst? Ich hoffe ja...
Ich denke Tag und Nacht an dich. Du gibst mir Kraft, Mut und Hoffnung. Denn ich weiß dass du auf meine Rückkehr wartest. Ich hoffe dieser Krieg ist bald vorbei, dann kann ich endlich wieder bei dir sein.

Dein dich liebender George

Dicke Tränen rannen nun über Charlottes Gesicht. "Das ist so tragisch" schluchzte sie, "der Brief hat ja ewig gebraucht um zugestellt zu werden..."
"Ja, wir hatten zwischendurch oft Angst, dass dem anderen was passiert sein könnte."
"Wurde Großvater eigentlich verletzt?" Fragte Charlotte und trocknete ihre Tränen mit einem großen weißen Taschentuch.
"Ja, wurde er..."

Lady Bentley von Highclere Castle Teil IWhere stories live. Discover now