15.Kapitel

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Am 24. Dezember wurde es in den Wirtschaftsräumen nur noch hektischer.
Denn für den Abend waren einige Gäste geladen. Londoner Bekannte und Verwandte sollten kommen. Auch Miss Ashton befand sich unter den geladenen Gästen.

In der Küche duftete es nach Braten und allerlei köstlichen Speisen. Und wir Bediensteten hatten auch ein Festmahl zu erwarten, welches zwar nicht so üppig war, aber dennoch mehr als wir sonst bekamen.

Auch wir, die nicht in der Küche beschäftigt waren, hatten sehr viel zu tun. Die Lady bat mich abermals mit ihr gemeinsam die Dekoration für den Speiseraum auszusuchen. Und abermals fühlte ich mich sehr geschmeichelt. Ich mochte die Lady sehr, denn sie war immer freundlich und gütig zu mir.
"Wie geht es ihnen, Clara" fragte sie mich. Ich steckte vorsichtig ein paar Tannenzweige zusammen und antwortete: "sehr gut, my Lady."

"Und ist ihnen die zusätzliche Arbeit als Miss Violettes Zofe nicht zu viel?

"Nein, überhaupt nicht, my Lady" antwortete ich, "der Tag hat viele Stunden."
Die Lady lächelte freundlich, "sie sind ein sehr fleißiges Mädchen. Und ich hoffe, dass sie noch eine Weile bei uns bleiben werden."
Ich nickte, da ich nicht wusste was zu sagen war und verteilte weitere Weihnachtsgestecke auf dem Tisch. Alles wirkte so wunderschön, edel und weihnachtlich.

Durch das ganze Haus schallten Weihnachtslieder, es duftete nach Weihnachten und jeder Raum war festlich geschmückt. Leise vor mich hin summend lief ich zu den Schlafräumen, um meine tägliche Arbeit zu verrichten.
Alles war wie gewöhnlich, ich tat meine Arbeit, doch George tauchte nicht auf.

Als ich hinunter in die Halle trat, sah ich, wie George dicht neben Miss Ashton stand und sich angeregt mit ihr unterhielt. Dies machte mich unbeschreiblich traurig und sehr eifersüchtig. Denn die Beiden sahen wie füreinander gemacht aus. War es nicht viel passender, wenn der Zukünftige Lord eine feine, reiche junge Dame heiratete? Und nicht das Hausmädchen, welches weit unter seinem Stand war?"

Charlotte starrte mich an, "ich kann gut verstehen, dass du eifersüchtig warst" murmelte sie und sah dabei unendlich traurig aus. Ich spürte, dass ihr etwas auf der Seele lag. Aber ich war mir nicht wirklich sicher, ob ich sie danach fragen sollte.

Schließlich rang ich mich doch dazu durch. "Es ist nur wegen Tim..." schluchzte sie und ich versuchte mich krampfhaft daran zu erinnern, wer Tim war. "Er hat mit mir wegen einer anderen Schluss gemacht..."
In diesem Moment tat Charlotte mir unendlich leid und ich versuchte sie zu trösten indem ich sagte: "ach meine Liebe, nimm es nicht so schwer, denn jemand der dich so behandelt hat dich einfach nicht verdient." Sie lächelte und nickte, "ich hoffe dass ich auch einmal jemanden finde, der mich so liebt, wie Großvater dich geliebt hat."
"Das wirst du" flüsterte ich.

"Sag mal Granny" murmelte Charlotte, "was würdest du davon halten, wenn wir deine Geschichte aufschreiben würden?"
Ich sah sie ein wenig verdutzt an, "wozu das denn? Du kannst dir doch nicht ernsthaft vorstellen, dass irgendjemand sich für die Geschichte einer alten, schrulligen Dame interessiert..."
"Ach bitte" flehte Charlotte, dabei hatte sie einen Blick in den Augen, der mich augenblicklich weich werden ließ. Ich nickte, sofort sprang das Mädchen auf und verließ den Raum.

Einige Minuten später, kehrte sie mit einem dieser neumodischen Laptops zurück. Und begann eifrig alles aufzuschreiben, was ich ihr weiter erzählte. Es stellte sich heraus, dass sie den Beginn meiner Geschichte schon heimlich aufgeschrieben hatte.

"An diesem Abend war ich sehr geknickt. Mit den anderen Mädchen saß ich in der Dienstbotenstube und las. Zumindest tat ich so, eigentlich wollte ich nur in aller Ruhe meinen Gedanken nachhängen. Während der ganzen Zeit dachte ich nur an George.
Die anderen Mädchen spielten ein Gesellschftsspiel und hatten mich schon mehrmals gebeten mitzuspielen.

Als einer der Diener herunter kam, wurde das geklatsche nur noch schlimmer. Alle bestürmten ihn mit Fragen, was oben vor sich ginge. "Ich glaube Lord George und Miss Ashton werden sich bald verloben" verkündete John, der Diener, "die Beiden wirken so vertraut miteinander."
Dies traf mich wie ein Schlag und augenblicklich sank meine Stimmung noch weiter. Und nun bemerkten auch die anderen, dass es mir nicht gut ging. Ich lieferte ihnen keine Begründung und sagte nur, dass ich ein wenig frische Luft brauchen würde.

Durch die Hintertür verließ ich das Haus. Dichte Schneeflocken umwirbelten mich und der harte Schnee knirschte unter meinen Füßen. Ich trat aus dem Hof hinaus in die verschneiten Londoner Straßen. Jedes Haus war festlich geschmückt und von überall her leuchteten mir warme Lichter entgegen.
Ich konnte es nicht vermeiden, dass heiße Tränen mein Gesicht hinunter flossen.

Erst spät kehrte ich zum Haus zurück. Als ich durch den Hof zur Hintertür lief, bemerkte ich, dass Miss Ashtons Automobil noch immer im Hof stand.
Der Butler hatte mich bereits erwartet. Sein Gesicht wirkte alles andere als erfreut. "Sie sind gerade rechtzeitig wieder zurück gekehrt. Miss Violette möchte sich nun nach oben begeben." "Ich gehe sofort nach oben" murmelte ich und hastete die Treppe nach oben.

Lady Violette saß bereits an ihrem Frisiertisch als ich eintrat. "Was Ist denn mit ihnen passiert" fragte sie, als sie mein verheultes Gesicht erblickte, "ist es wegen George?"

Lady Bentley von Highclere Castle Teil IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt