30.Kapitel

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Ohne auf ein "herein" zu warten, flog die Tür auf und der Lord betrat mit vor Zorn gerötetem Gesicht den Raum. Als er uns beide am Fenster sitzen sah, wurde sein Gesicht noch röter und wir konnten sehen, dass er kurz vor einem weiteren Wutausbruch stand.

"Was glaubst du, was du da tust" schrie er seine Frau an, die vor Schreck zusammen zuckte. "Wir hatten doch beschlossen, dass wir diese Verbindung nicht tolerieren wollen." Legte er noch einmal los.
"Und was tust du? Du sitzt hier mit einem Hausmädchen und trinkst Tee."

Ich hatte immer geglaubt, dass ich den Lord schon wütend erlebt hatte. Doch in diesem Moment musste ich feststellen, dass ich mich geirrt hatte.

"Robert, bitte reg dich nicht so auf" stammelte seine Frau, "willst du nicht auch, dass dein Sohn glücklich wird?" Die Lady schien verzweifelt und den Tränen nahe zu sein.

"Glücklich kann er auch mit jedem anderen Mädchen aus guten Verhältnissen werden. Aber ich verbiete eine Verbindung mit einem einfachen Dienstmädchen!"

Mit vor Wut verzerrtem Gesicht drehte der Lord sich um und verließ den Raum. Die Tür fiel laut krachend hinter ihm ins Schloss.

An diesem Nachmittag erreichte mich endlich der lang ersehnte Brief von George.

Liebste Clara,
ich hoffe dieser Brief erreicht dich bald, damit du dir keine allzu großen Sorgen machen musst.

Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Der Krieg hier in Frankreich lässt uns kaum eine Pause. Es ist grausam, all dieses Leid um mich herum mitansehen zu müssen und zu wissen, dass ich nichts dagegen tun kann.

Die Schützengräben sind kalt, feucht und zugig. Sodass ich befürchte, dass viele der Männer sich bald eine Erkältung oder gar schlimmere Krankheiten zuziehen könnten. Doch dies wäre nichts im Vergleich zu all den Toten durch Bomben, Granaten oder Schüsse.

Das Essen ist oft knapp und schlecht. Und absolut nichts im Vergleich zu dem Essen auf Highclere.

Ich hoffe der Krieg endet bald. Dann kann ich endlich zu dir zurückkehren. Der Gedanke an dich ist das einzige, was mich jeden Tag überstehen lässt. Du gibst mir Kraft, Mut und Hoffnung.

Ich hoffe es geht dir gut. Hat meine Mutter sich an ihr Versprechen gehalten? Wie ist das Leben auf Highclere? Ich würde mich freuen alle Neuigkeiten zu erfahren, denn Ablenkung hat jeder der hier ist dringend nötig.

Wenn ich Glück habe, bekomme ich vielleicht etwas Heimaturlaub.
In ewiger Liebe,
dein George

Ich hatte Tränen in den Augen, als ich den Brief zusammen faltete. Das Küchenmädchen starrte mich über den Tisch mitleidig an. Die Hausdame kam hereingewuselt und keifte: "Clara Carson du machst dich wohl am besten nach oben zu Lady Violette. Sie hatte schon vor zehn Minuten nach dir geschickt."

Erschrocken über mich selbst sprang ich auf und eilte nach oben. Erst am späten Abend kam ich dazu Georges Brief zu beantworten.

Liebster George,
mir geht es so weit ganz gut. Allerdings habe ich sehr viel zu erledigen. Ich muss meine alltägliche Arbeit als Dienstmädchen verrichten, Lady Violette aufwarten und lernen, wie man sich als Lady verhält. Der Butler hat sich nun doch entschieden uns Mädchen servieren zu lassen.

Mittlerweile haben wir keinen einzigen Diener mehr hier. Auch die Lebensmittel werden knapp. Wir bekommen nur noch das, was wirklich zum Leben notwendig ist. Und für die Köchin wird es zunehmend schwerer ein anständiges Mahl für die Herrschaft zu zaubern.

Einige der Mädchen gehen deshalb auf Hamsterfahrten oder kaufen direkt bei den ortsansässigen Bauern. Die absolute Wucher Preise verlangen, da sie wissen, dass wir Geld haben aber die Lebensmittel benötigen. Von so etwas wie Feinkost können wir nur noch träumen.

Aber dies sind nur unwichtige Dinge und im Vergleich zu dem was du erlebst sind sie wohl doch recht angenehm.

Ich Hoffe, dass du bald Heim kommst und der Krieg bald endet. Denn ich vermisse dich so unbeschreiblich doll.

Deine dich liebende Clara

Lady Bentley von Highclere Castle Teil IWhere stories live. Discover now