41 | Wärme

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S A R A

Während der Fahrt herrscht eine Stille. Ich habe das Gefühl, dass Aiden mich bewusst in Ruhe lässt, damit ich mich einwenig beruhige. Doch wirklich besser wird es nicht. Und als wäre die ganze Sache mit Mum nicht schon schlimm genug, treffe ich ausgerechnet jetzt Aiden.

Es ist mir so unglaublich peinlich, dass er mich so spät am Abend heulend und durch die Straße schlendernd aufgefunden hat. Er denkt nun Gott weiß was über mich und hält mich sicherlich für verrückt. Ich könnte es ihm noch nicht einmal verübeln. Und doch bin ich Aiden dankbar. Er hat mich vorhin tatsächlich... überrascht. Er hat sich weder über mich lustig gemacht, noch hat er mich verspottet. Ganz im Gegenteil, er hat beruhigend auf mich eingeredet und manchmal hatte ich beinahe das Gefühl, dass er sich einwenig Sorge um mich hatte.

Doch das ist unmöglich. Mein naives, dummes Herz bildet sich wahrscheinlich mal wieder Dinge ein. Nicht, dass ich wollen würde, dass Aiden sich Sorgen um mich macht, nein, – um Gottes Willen, das ist das Letzte, was ich gerade will.

Oh man, so langsam verwirre mich meine eigenen Gedanken...

"Sara?", ertönt es neben mir und ich sehe erschrocken zu Aiden, der an meiner Seite steht und mir die Tür aufhält. Es dauert einige Wimpernschläge, bis ich realisiere, dass wir angekommen sind und er mir die Türe aufhält, damit ich mich rege. Das tue ich dann auch zügig und peinlich berührt.

Es wird ja immer besser...

"D-danke", sage ich nur leise, als Aiden die Türe wieder schließt. Einen Moment sind wir uns sehr nahe, doch dies ändere ich, als ich einen Schritt zurücktrete und mir eine Strähne aus dem Gesicht streiche.

"Und du bist dir sicher, dass du auf die Party willst?", fragt Aiden erneut und überrascht mich damit. Er betrachtet mich beinahe schon aufmerksam, während ich überlege, was ich antworten soll. Schließlich will ich gerade viel lieber auf irgendeiner Bank sitzen, ganz alleine, und einfach weinen, während ich in den dunklen Himmel starre. Doch das kann ich ihm schlecht sagen. Und da ich keinen anderen Ort habe, als diese Party, und ganz sicher nicht wieder zurück nach Hause will, wo Mum schon vorwurfsvoll auf mich wartet, gehe ich lieber auf die Party und lasse mich vollaufen, bis ich für eine kurze Zeit alles vergessen kann.

"Ja, keine Sorge, mir geht es schon viel besser", erwidere ich und sehe zu Aiden auf. Er sieht mich direkt an und scheint keinen meiner Worte glauben zu schenken. Skeptisch mustert er mich und als er mir dann einen Schritt näher kommt, halte ich wie von selbst den Atem an. Mein Herzschlag beschleunigt sich und meine Haut pulsiert geradezu, als sein Blick auf meinem Gesicht hängenbleibt. Er hebt die Hand einen Moment später und streicht mir zögerlich eine Haarsträhne zurück, die sich anscheinend durch meine getrockneten Tränen an meiner Wange festgesetzt hat.

Seine Finger streifen meine Haut nur ganz leicht, und doch reagiert mein Körper mehr, als er sollte. Mir wird ganz warm und in meinem Hals wird es ganz trocken, sodass ich schlucken muss. Ich bete dafür, dass Aiden meine Reaktion nicht bemerkt, doch die Sorge ist wie weggefegt, als er seine Hand wieder zurückzieht und scheinbar verwirrt über sein eigenes Verhalten ist, denn er sieht mit zusammengezogenen Brauen auf seine Hand hinunter, die er dann sinken lässt.

"Äh... danke", bemerke ich nur leise und mit einer erbärmlich dünnen Stimme. Meine Augen suchen die von Aiden, doch er meidet meinen Blick und nickt dann nur.

"Dann wünsch ich dir viel Spaß", sagt er noch und will sich gerade von mir abwenden, als er in der letzten Sekunde innehält und zu mir zurücksieht. Mein Herz steht still. "Gib mir mal kurz dein Handy."

Verwirrt tue ich das, was er von mir verlangt und halte ihm mein Handy hin, das er dann annimmt. Er tippt irgendwas darauf ein und reicht es mir kurze Zeit später wieder. "Ich hab meine Nummer eingespeichert. Falls was sein sollte oder du Hilfe brauchst, kannst du immer anrufen", erklärt er dann und mir wird widerwillig warm ums Herz. Ich glaube, ich sehe aus wie eine Tomate, doch hoffe im stillen, dass er in der Dunkelheit nicht erkennen kann, wie rot ich bin.

"Pass auf dich auf, Sara." Mit diesen Worten lässt er mich sprachlos zurück. Ich kann noch nicht einmal was erwidern, da ist er auch schon in sein Auto gestiegen und davon gefahren. Ich hatte noch nicht einmal die Möglichkeit, ihn zum Bleiben einzuladen, aber wahrscheinlich ist dies auch besser so. Ich hätte mich sicher nur blamiert, da ich eine Absage von ihm erhalten hätte.

Er hätte sicher gedacht, ich hätte zu viel in seine Hilfsbereitschaft hineininterpretiert...

Ich seufze schwer und bleibe dann noch einige Minuten hier draußen stehen und versuche mich einwenig zu fangen, ehe ich mich dann ins Haus und zugleich auch in die Party begebe.

Ich streiche mir nochmal über meine zerzausten Haare und befeuchte meine trockenen Lippen, ehe ich tief durchatme und mich mitten ins Getümmel werfe. Ich mache mich auf die Suche nach Romina und Emma, doch als ich sie nach einigen Minuten nicht ausfindig machen kann und meine Verzweiflung und Trauer mich wieder einholen, beschließe ich kurzerhand, mich einfach schonmal leicht anzutrinken.

Minuten vergehen und meine Verspannung löst sich langsam aber sicher, doch die Erinnerungen sind noch immer da, weswegen ich zum nächsten Becher greife und die brennende Flüssigkeit meinen Hals runterlaufen lasse. Tränen bilden sich in meinen Augen, doch ich blinzle sie sofort weg und schüttle den Kopf.

Ein verzweifeltes Lachen verlässt meine Kehle, das in der lauten Musik und dem hämmernden Bass untergeht.

Ich bin wirklich erbärmlich.

Und einfach nur unendlich traurig.

Ich lasse mich in einer Ecke des Wohnzimmers an einer Wand runtergleiten und sehe dann all den Menschen dabei zu, wie sie Spaß haben.

Wie gerne wäre ich gerade einer von diesen Menschen. Wie gerne würde ich alle meine Probleme einfach hinter mir lassen.

Doch dann erinnere ich mich an Aiden's Worte zurück, die er mir vor einigen Wochen mal auf seiner und Damon's Party gesagt hat. Er sagte, dass ich über andere Urteile, ohne sie zu kennen. Und ich realisiere, dass ich gar nicht weiß, ob es den anderen hier wirklich so gut geht. Schließlich hat jeder mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen. Und nur, weil jemand von außen so wirkt, als würde es ihm super gehen, heißt das nicht, dass es wirklich so ist.

Ich bin schließlich das beste Beispiel.

In der meisten Zeit kann ich mich zusammenreißen und von außen scheine ich sicher immerzu glücklich und positiv auf andere Menschen. Nur manchmal kommen dann doch meine tiefen Gefühle an die Oberfläche. Dann, wenn ich sie nicht mehr unterdrücken kann.

Heute ist so ein Tag.

Und ausgerechnet an diesem, musste mich genau der Kerl antreffen, den ich schon einige Male verurteilt habe und dessen Hilfe ich deshalb am aller wenigsten erwartet oder aber verdient hätte...



A/N:

Ich bin wieder da und habe erst jetzt bemerkt, wie sehr ich es vermisst habe, an dieser Geschichte weiterzuschreiben. Sie ist wirklich mein kleiner Schatz. Ihr könnt euch auf eine lange und intensive Geschichte freuen, denn das ist erst der Anfang einer langen Reise.

Ich würde mich freuen, wenn ihr eure Meinung zum Kapitel in die Kommentare schreiben würdet.

Ich versuche so schnell wie möglich das nächste Kapitel fertigzustellen und es dann auch in der nächsten Zeit zu posten.

Wünsche euch noch einen schönen Tag

❤️❤️

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