12 | Zufall oder Schicksal?

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S A R A

Ich verbringe ziemlich viel Zeit in der Mädchentoilette und frage mich, was um alles in der Welt ich hier überhaupt tue. Wahrscheinlich ist die Mittagspause schon seit einigen Minuten zu Ende und ich müsste mich eigentlich auch schon längst auf den Weg zur nächsten Unterrichtsstunde machen, doch ich bleibe nach wie vor wie angewurzelt stehen und stütze mich rechts und links am Waschbecken ab.

Dabei meide ich den Blick in den Spiegel, denn ich weiß, dass mir das was ich sehen würde nicht gefallen würde.

Ich kann einfach nicht ausstehen, was aus mir geworden ist.

Seit wann kann ich lügen, ohne mit der Wimper zu zucken? Seit wann gebe ich auf dafür zu kämpfen, endlich herauszufinden, was in meiner Mutter vorgeht und was sie mir verschweigt? Und seit wann verdammt hat sich diese ungeheuere Wut in mir angestaut, die einen Weg nach draußen sucht, den es aber noch nicht zu geben scheint.

"Scheiße...", murmle ich leise und richte mich dann langsam wieder auf. Ich spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht, ehe ich mich sammle und die Tür auftrete. Ich muss jetzt langsam zum Unterricht, sonst wird mich Mr. Winston noch zum Nachsitzen verdonnern, was ich momentan am wenigsten gebrauchen kann.

Nicht das meine schlechten Noten allein nicht genügen würden...

Ich schrecke aus meinen Gedanken, als ich urplötzlich gegen etwas hartes laufe. Erst im zweiten Moment stellt sich heraus, dass dieses Etwas ein Mensch ist. Genauer darüber nachdenken kann ich jedoch nicht, da ich im nächsten Atemzug mein Gleichgewicht verliere und nach hinten falle.

Und heilige scheiße tut das weh.

Ein schmerzhaftes Stöhnen verlässt meinen Mund, als ich auf meinen Allerwertesten lange und ich kann nicht anders, als meine Augen fest zusammenzukneifen. Allmählich glaube ich, das Leben hasst mich. Nein, nicht nur das Leben, sondern auch das Schicksal, doch da ich nicht an sowas glaube, ersetzte ich das Wort einfach durch Karma.

"Kannst du nicht aufpassen, wo du hinläufst?"

Eine tiefe und mir nur allzu bekannte Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und ich brauche einen Moment, um wieder in der Realität anzukommen. Eine Gänsehaut macht sich auf meinen Armen breit und als ich dann meinen Kopf in den Nacken lege, um den Kerl vor mir von hier unten aus sehen zu können, dämmert es langsam, wer mich da gerade - wortwörtlich - in Grund und Boden starrt.

"Scheiße, - ist das dein Ernst?", keife ich nur aggressiv zurück und muss all meine Kraft zusammennehmen, um die aufkeimende Wut herunterzuschlucken.

Der Keksdieb - oder wie ich ihn jetzt lieber nennen sollte - der Unverschämte Bastard verschränkt die muskulösen Arme vor seiner nicht weniger attraktiven Brust und hebt dann ungläubig eine Braue. Er scheint mich zu erkennen, denn ein spöttischer Ausdruck huscht über sein hübsches Gesicht. "Sollte ich jetzt lachen, oder um mein Leben rennen?"

Ich schnaube nur trocken. "Das selbe könnte ich dich auch fragen. Langsam fange ich nämlich an zu glauben, dass du mich verfolgst! Ich habe dich vorher schließlich noch nie hier gesehen."

Er geht nicht auf meine Provokation ein, sondern deutet nur auf mich hinunter. "Tut mir leid, aber so wie du gerade auf dem Boden sitzt, kann ich dich nicht ernst nehmen."

Ich kneife die Augen zu Schlitzen zusammen, ehe ich aufspringe. Verdammt, der Kerl ist so unverschämt! Wie kann man nur so scheiße zu jemanden sein, den man noch nicht einmal kennt. "Du bist so unsympathisch!"

"Das Kompliment kann ich nur zurückgeben." Er verzieht seine perfekten Lippen zu einem selbstgefälligen Grinsen. Und doch ist da keine Belustigung, kein Ausdruck, rein gar nichts in seinen Augen zu lesen.

Gott...

"Seit dem ich dir über den Weg gelaufen bin, passiert mir nur noch scheiße im Leben.", rufe ich verärgert, doch damit entlocke ich ihm nur ein weiteres, spöttisches Lachen.

"Wow, du bist ziemlich dumm, kann das sein? Du machst mich doch gerade nicht wirklich für deine Probleme im Leben verantwortlich?" Sein Blick auf mich verschärft sich und als seine Augen sich dann auch noch einen Farbton dunkler färben, stockt mir der Atem.

Ich trete einen Schritt auf ihn zu und versuche mich vor ihm aufzubauen, um nicht ganz so klein zu wirken, wie ich mich in Ehrlichkeit fühle. "Ja! Genau das mache ich!"

"Ach wenn das so ist, tut es mir wirklich leid, dass ich deine perfekte Welt auf den Kopf gestellt habe.", entgegnet er und seine Stimme trieft dabei nur so vor Sarkasmus.

Ich knirsche mit den Zähnen. "Hör auf mit mir zu sprechen, als wäre ich ein Kleinkind!"

"Aber das bist du doch anscheinend."

Ein verzweifelter Schrei verlässt meine Kehle und allmählich zucken meine Fäuste, weil sie am liebsten auch endlich Bekanntschaft mit seinem Gesicht machen würden. "Mach mich nicht wütend.."

Er unterbricht mich bestimmend. "Warum? Was passiert sonst?"

"Sonst... sonst.."

"Ja?" Seine eisblauen Augen sehen geradewegs in meine und es scheint, als würde ich meine Stimme verlieren. In seinem Blick liegt eine so tief gehende Kälte, die mich zum schaudern bringt und ich bin einen Moment gefangen.

Ich räuspere mich. "Lass es einfach und dann wirst du es niemals erfahren." Zufrieden mit meiner Antwort lehne ich mich zurück und sehe mich kurz im Korridor um, der Gottseidank komplett leer ist.

Das wäre es noch, wenn mich jemand mit diesem Kerl sehen würde.

"Und was, wenn ich es erfahren möchte?" Seine Stimme ist plötzlich dicht neben meinem Ohr und ich bin wie gelähmt. Ich spüre seine Nähe, die pures Gift für meinen Körper ist. Mir wird heiß und kalt zugleich und als ich dann auch noch seinen betörenden Duft wahrnehme, bin ich für einen Moment völlig weggetreten.

"I-ich.. a-also...", stottere ich drauf los, wofür ich mich am liebsten selbst von einer Klippe werfen würde. "Dann.. dann hast du eben Pech gehabt", fahre ich leise und unsicher fort.

Scheiße, wo ist die nächste Klippe?

"Hab ich's mir doch gedacht." Im nächsten Moment drückt er sich an mir vorbei und berührt dabei natürlich versehentlich meine Schulter, die sofort beginnt, unangenehm zu kribbeln.

Wütend drehe ich mich zu ihm und kann mir einfach nicht verkneifen, ihm noch etwas nachzurufen: "Hör auf mir zu folgen!"

Eine Zeit lang läuft er einfach weiter und ich habe kurz Angst, er hätte meine Worte nicht gehört, als er im nächsten Moment doch noch etwas erwidert, ehe er dann um die Ecke verschwindet. "Ich werd's versuchen."

Gereizt versuche ich, meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Verdammt...

Mein Körper glüht vor Wut und ich kann einfach nicht glauben, dass er wieder einmal das letzte Wort hatte. Und das er mich wieder einmal stehen gelassen hat...

A/N:

Hallo erneut 🙌🏼

Wie schon gesagt, kommt keine drei Stunden später auch schon das nächste Kapitel, lmao.

Was sagt ihr dazu?

Wie findet ihr Aiden bisher und noch viel wichtiger - wer hätte gerade nicht auch Lust, auf ein großes Stück Tiramisu?

Wir lesen uns bald wieder.❤️☄️

xoxo

One Last ChanceWhere stories live. Discover now