Kapitel 2

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Ich stieß einen schrillen Schrei aus, als ich abrupt aus meinem Schlaf gerissen wurde, da ich auf ein Mal durch die Luft flog. Mein Steißbein krachte hart auf dem Boden auf und ich stöhnte schmerzvoll. Blinzelnd versuchte ich zu realisieren, was gerade geschehen war und ich brauchte nicht lange auf eine Antwort zu warten, denn sie kam innerhalb von ein paar Sekunden von selbst.

"Wenn du das nicht noch Mal durchstehen willst, solltest du jetzt wohl aufstehen", das ernste Gesicht von Nikolas tauchte vor meinem Blickfeld auf.

Böse blickte ich ihn aus zusammengekniffenen Augen an.

"Du...du...du Arschloch!", beleidigte ich ihn, rappelte mich auf und rieb mir mein Hinterteil.

Was fiel ihm ein, mich einfach fallen zu lassen. Entschuldigen konnte er sich auch mal.

Er lachte laut auf.

"Mein Bruder kennt sogar schlimmere Beleidigungen, und er ist neun."

Ich schnaubte sauer und ballte meine Hände zu Fäusten.

Nur nicht ausrasten, versuchte ich mich zu beruhigen.

"Von wem er das gelernt hat, weiß ich auf jeden Fall schon, ohne ihn vorher überhaupt auch nur gesehen zu haben", stieß ich aus, ohne vorher zu überlegen, was ich sagen wollte. Eigentlich war ich nie so selbstbewusst. Zwar labberte ich meistens die größte Scheiße, aber die besten Sprüche fielen mir immer zwei Tage nach dem Ereignis ein, aber dieser Idiot provozierte mich auch so!

"Lass meinen Bruder aus dem Spiel", zischte er und kam mir gefährlich Nahe. 

Ich riss meine Augen auf und trat zur Sicherheit sofort mehrere Schritte zurück, dann stellte ich mich in eine Kampfposition. Meine Fäuste hatte ich gelockert und hielt nun meine Hände drohend vor meinem Gesicht, damit ich ihm mit der Handkante gegen die Nase schlagen konnte.

"Komm mir nicht näher", zischte ich zwischen meinen zusammengebissenen Zähnen.

"Sonst was?", provozierte er mich.

Der Typ wollte wohl wirklich eins auf die Nase.

"Ich habe den weißen Gürtel im Karate", stieß ich aus.

Amüsiert hoben sich seine Mundwinkel. Er machte noch einen Schritt näher und hob eine Augenbraue.

"Du willst mir drohen, Kampfzwerg?", fragte er nach und steckte seine Hände lässig in die Hosentaschen seiner Jeans.

"Ja", antwortete ich fest und versuchte den Spitznamen zu ignorieren. Leider brach meine Stimme am Ende ab und ich musste mich kurz räuspern, während mein Kopf hochrot anlief. 

Das war ja megapeinlich!

Aber nicht nur meine Stimme verriet mich, sondern auch meine vor Angst zitternden Beine, die hin und her schlotterten und mein Gewicht kaum hielten. 

Immerhin war der Kerl für seine Schlägereien in der gesamten Schule bekannt! Ich wusste überhaupt nicht, wieso ich mich nicht schon längst verdünnisiert hatte, sondern immer noch auf dem selben Fleckchen stand und mich nicht rührte.

"Mit einem weißen Gürtel?", hackte er nach. Ich hörte den belustigten Ton.

Da ich meinen Stimmbändern nicht traute, nickte ich nur. Meine rotblonden Locken sprangen fröhlich auf und ab.

"Das ist der höchste Rang im Karate", log ich und versuchte, ihn überzeugt anzusehen, woran ich wahrscheinlich kläglich scheiterte.

Der höchste Rang von Unten...

Leise lachte er auf.

"Wie heißt du?"

"Luna", flunkerte ich schon wieder.

"Na gut, Luna", sprach er und betonte dabei den erfundenen Namen besonders.

"Du solltest vielleicht wissen, dass deine roten Ohren, die Lügen, die du erzählst, auffliegen lassen", schmunzelte er und schnippte gegen mein rechtes Ohr. Ich versuchte seine Hand wegzuschlagen, jedoch war er zu schnell und zog sie rechtzeitig zurück.

Glück für ihn, denn sonst hätte er keine mehr!

"Wir sehen uns in der Schule, Luna", er blickte mich noch ein letztes Mal durchdringend mit seinen hellen Augen an, dann drehte er sich um und verschwand. Und ließ mich sprachlos alleine stehen. 

Ich blickte mich kurz um, um zu sehen, ob jemand diese peinliche Unterhaltung mitbekommen hat, was zum Glück niemand mitgehört hatte, da es hier menschenleer war. Jeder befand sich in dem Club, mit dem neonfarbenem Schild, den ich erst jetzt bemerkte, von wo ich heute auch nach Hause gegangen war, bevor die Footballspieler mich verfolgt hatten. 

Nikolas hatte mich sicher bis hierher gebracht, aber woher wusste er, dass ich den Weg von hieraus wusste?

Kurz checkte ich meine verletzten Fußsohlen und humpelte dann in den Club rein, um mir dort jemanden zu suchen, der mir ein Taxi rufen könnte, denn zu Fuß nach Hause zu gehen, wäre für mich die reinste Qual.

Eine junge Frau lieh mir dann ihr Handy, da der Akku von meinem leer war. Ich bedankte mich und setzte mich dann draußen auf den kalten Boden, um auf das Taxi zu warten, welches nach einigen Minuten um die Ecke bog. Froh, nicht mehr der Kälte ausgesetzt zu sein, stieg ich ein und versuchte meine halbnackten Beine, mit der Sitzheizung zu wärmen. 

Ich war so damit beschäftigt, so leise wie möglich die Haustür aufzuschließen und meine Eltern dabei nicht aufzuwecken, dass ich erst beim Umziehen bemerkte, dass ich immer noch Nikolas Pullover trug.

Nachdenklich sah ich auf das unauffällige Logo und knibbelte an dem Ärmel rum. Ich würde es ihm auf jeden Fall irgendwann zurückgeben, schwor ich mir. 

Morgen würde ich es ihm gewaschen in der Schule geben, damit er sich ja nicht beschweren konnte.

Humpelnd ging ich ins Badezimmer und schaltete das Licht an. Im Schrank suchte ich nach einem Verbandkasten und einer Pinzette, damit ich mich verarzten konnte. Vorsichtig setzte ich mich auf den Badewannenrand und beugte mein rechtes Bein kompliziert, damit ich auf die Fußsohle schauen konnte. Gebeugt versuchte ich die Glasscherben raus zu ziehen und dabei nicht vor Schmerz zu schreien. 

Als ich mit beiden Beinen fertig war, stellte ich alles sorgfältig zurück, falls es noch mal einen solchen Notfall gab, dann schloss ich die Schranktür.

Schnell stopfte ich noch den Pullover in die Waschmaschine und ging dann schlafen. 




Infinitely in LoveWhere stories live. Discover now