Kapitel 6

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"Ich war vor fünf Tagen bei meiner kleinen Cousine Page zu Hause, du kennst sie, dass ist dieses fünfjährige, süße Mädchen. Du weißt ja, Oma will, dass sich unsere Familie mindestens ein Mal im Jahr zusammen trifft. Die anderen waren in der Küche und ich und Page waren im Wohnzimmer und auf ein Mal kommt Pages großer Bruder Mark rein, du kennst ihn auch. Er hat vergessen, dass wir uns treffen mussten und hat deshalb seinen Freund mitgenommen. Und dieser Freund war Jackson", sie lächelt ihn kurz von der Seite an und reißt sich ein Stücken von ihrer Semmel ab.

"Er sah so gut aus! Er hat gelacht und ich war direkt hin und weg von ihm! Ich habe fast mitgelacht, so ansteckend war seine Lache!"

 Ich unterbrach sie.

"Du lachst aber auch über alles." 

Ich dachte an die Unterrichtsstunden, in denen wir von einer Lehrerin auseinandergesetzt worden sind, weil sie der Meinung war, dass wir zu viel redeten. Irgendwann haben wir uns gleichzeitig umgedreht und uns gegenseitig angeguckt, weil ein Junge, der gerade am Fenster vorbeiging, auf dem glatten Schnee ausrutschte und einen beeindruckenden Tanz hinlegte, um am Ende trotzdem hinzufallen. In diesem Moment reichte ein Blick von dem jeweils anderem aus, damit wir losprusteten und uns nicht mehr beruhigen konnten. Selbst als uns die Lehrerin nach draußen schickte, kicherten wir immer noch wie zwei Verrückte.

"Lass mich ausreden!"

Sofort verstummte ich.

"Seine Augen haben geleuchtet und er hatte kleine Grübchen an seinen Wangen", sie seufzte verträum auf.

"Und dann habe ich Bonny gesehen, sie hatte jede Menge pinker Klammern in ihren Haaren und mehrere Kette, die überhaupt nicht zueinander gepasst haben, um ihren Hals. Sie sah so süß aus, in diesem Moment!", meldete sich Chris zu Wort.

"Das war so peinlich! Meine Cousine wollte mir unbedingt eine Frisur machen", stöhnend vergrub sie ihr Gesicht in den Händen, um die Röte zu verstecken, die ihre Wangen zierte. Es war eine hübsche Röte und nicht die, die ich hatte, die bei Hals anfing und dann ziemlich fleckig bis nach oben reichte.

"Ich fand es süß", Chris zupfte an ihrem Haar.

"Es war Liebe auf den ersten Blick! Ich habe ihren Cousin Mark einen Tag später nach ihrer Nummer gefragt, weil sie mir nicht mehr aus dem Kopf ging. Wir haben uns noch am selben Tag zum Eis essen verabredet und sind uns näher gekommen. Und gestern habe ich sie gefragt, ob sie meine Freundin werden will."

Bevor sie einander noch um den Hals fielen, machte ich mich lieber bemerkbar, denn beide sahen sich tief in die Augen und sahen aus, als würden sie sich gleich gegenseitig die Klamotten vom Leibe reißen.

"Das ist eine schöne Geschichte!", lobte ich die beiden.

Die beiden hörten mich wahrscheinlich nicht, denn die beiden lehnten sich langsam zueinander. Ich riss entsetzt die Augen auf. Ich war zwar froh, dass die beiden sich gefunden haben, aber sie rumknutschen sehen, wollte ich dennoch nicht.

Plötzlich wurde ein Tablett mit einem lauten Knall neben mich geworfen, sodass die beiden ruckartig auseinander fuhren und ich heftig zusammenzuckte. Fast verschüttete ich mein Sprudelwasser auf mich, welches ich gerade trinken wollte. Die geschlossene Getränkedose, die auf dem fremden Tablett stand, fiel mit einem Scheppern um. Eine blasse Hand schob sich in mein Sichtfeld und stellte sie wieder auf. Dann setzte sich jemand neben mich auf die Bank. Außer der Dose war das Tablett leer.

Mit entsetztem Blick sah ich zu, wie Nikolas ohne zu fragen nach meinem zweitem Sandwich griff, welches einsam auf meinem Tablett lag und welches ich eigentlich noch essen wollte, und reinbiss. Mein Mund klappte auf.

"Entschuldigung", fauchte ich und riss ihm MEIN Sandwich aus den Händen und riss demonstrativ die Stelle ab, wo sein Bissabdruck zu sehen war, bevor ich selber einen Biss nahm.

"Sind wir hier im Kindergarten?", fragte er genervt und riss mein Sandwich wieder an sich, um fast die Hälfte abzubeißen.

Ich versuchte so schnell wie es geht zu kauen, runterzuschlucken und ihm noch Mal das arme Toast, welches schon ganz zerfleddert war, wegzunehmen und den Rest in meinem Mund zu stopfen. Es war so trocken, dass mir fast die Tränen in die Augen traten, weil es so schwer war, das Sandwich runterzuschlucken.

Bonny, die unsere Auseinandersetzung, wenn man es so nennen konnte, schweigend beobachtet hat, reichte mir ihre Milch und ich nahm hastig einen Schluck. Und noch einen, weil es so gut tat. Als ich fertig mit kauen war, wandte ich mich an den Jungen neben mir.

"Was tust du hier?", fragte ich, gereizt, weil er mein Essen geklaut hatte.

"Ich sitze hier."

"Nein! Ich meinte damit, wer dich hierher eingeladen hat?", sagte ich und versuchte, mich nicht provozieren zu lassen.

"Ich bin selber gekommen."

Langsam regten mich seine einsilbigen Antworten auf und am liebsten hätte ich ihm mein Tablett in sein arrogantes Gesicht geklatscht.

"Und wieso?", langsam hörte es sich an wie ein Schreien.

Wenn nicht schon alle davor zu uns geschaut hatten, dann taten sie es jetzt definitiv. Nicht nur, weil einer der beliebtesten, begehrtesten und gefährlichsten Jungen an unserem Tisch saß, sondern auch wegen unserer Auseinandersetzung mit meinem Sandwich, die ich meiner Meinung nach gewonnen hatte. Immerhin konnte ich, trotz seiner großen Bisse, das meiste essen. Zwar war mir jetzt etwas schlecht, aber man musste auch Opfer ziehen.

"Weil mein bester Freund hier sitzt."

"Chris ist dein bester Freund?", fragte ich verblüfft. Er sah nicht so aus, als würde er sich mit solchen komischen Leuten wie Nikolas abgeben.

"Sie meint mit Chris übrigens mich", flüsterte Chris zu Nikolas rüber.

"Ja. Problem damit?"

Langsam schüttelte ich den Kopf.

"Aber eine Frage hätte ich noch: Hast du keine anderen Freunde, zu denen du dich setzen könntest, oder wieso sitzt du hier?"

Stöhnend klatschte Bonny sich ihre Hand gegen die Stirn. Sofort sah ich mich alarmiert um, ob uns eine Mücke attackierte, aber ich sah keine.

"Ich habe auf jeden Fall mehr Freunde, als du es jemals haben könntest", antwortete er.

"Der war schlecht! Zumindestens habe ich echte Freunde und keine, die mir in den Rücken fallen werden! Und wenn du schon Mal hier bist, dann nimm gleich deinen hässlichen Pullover mit, den du gestern vergessen hast!"

Ich wühlte in meiner gelben Schultasche herum, holte denn Pullover heraus, packte ihn aus dem Müllbeutel, denn diesem Idioten würde ich auf keinem Fall noch einen Gewinn machen und einen kostenlosen Müllbeutel schenken und klatschte ihm seinen Pullover an die Brust.

"Hier, bitteschön! Und jetzt entschuldigt mich, ich gehe zu meinen Freunden. Echten Freunden", ich erhob mich, nahm mein Tablett mit dem Wasser mit mir und setzt mich an den erstbesten Tisch, denn Nikolas sehen konnte und sagte fröhlich:

"Hallo!"

Der Junge blickte mich verdattert an, aber ich ließ mich nicht stören. Lauthals lachte ich los, damit es so aussah, als hätte er was lustiges gesagt. Dann klatschte ich ihm auf die Schulter und kicherte laut, damit man es gut hören konnte:

"Oh man, Fabiano! Du bist so lustig!", und lachte mich noch weiter kaputt.

Auf ein Mal spürte ich eine Präsenz hinter mir. Fabiano machte große Augen und ich spürte, wie die Härchen auf meinen Armen sich aufstellten.

"Du solltest es vielleicht wissen, damit du es das nächste Mal besser machst: Dein Fabiano soll das nächste Mal denn Mund aufmachen und nicht einfach nichts sagen. Ein Tipp, damit es glaubwürdiger aussieht, Nava", raunte eine Stimme in mein Ohr, sodass nur ich ihn hören konnte und ein warmer Atme streifte meinen Hals. Ich versuchte ein leises Seufzen zurückzuhalten, aber den leichten Schauer, der mir über den Rücken ging, bemerkte Nikolas, denn er lachte leise auf. "Und hör auf, mich ständig zu provozieren, Kampfzwerg", dann war er verschwunden.

Ein wenig verdattert war ich schon, denn ich war mir sehr sicher, bei meiner Vorstellung gestern Nacht, einen falschen Namen genannt zu haben.


Infinitely in LoveWhere stories live. Discover now