Kapitel 65: Howarts

74 3 0
                                    


Die meisten Menschen verloren nach einer Apparation die Orientierung.

Es ähnelte dem Schwindel im Suff oder wenn man sich mit niedrigem Blutzucker zu schnell aufrichtete. Für einige wenige, war es eine angenehme Empfindung des Nichts, das allerdings nur einen kurzen Moment anhielt. Eine Millisekunde des vollkommenen Seelenfriedens, da der Körper gerade in seine einzelnen Atome zerlegt wurde und ein Teil des magischen Gehirns damit beschäftigt war, das physische Ich an einem komplett anderen Ort wieder zusammenzusetzen. Es gab diverse Berichte von schweren Depressionen, die als Nebenwirkungen von Mehrfachapparationen auftraten. Hierbei schien es sich um einen Abwehrmechanismus des Geistes zu handeln; ein Versuch, sich von den seelischen Qualen zu erholen.

Die Folgen des Zersplinterns waren allseits bekannt, aber nicht das Schlimmste, das passieren konnte, wenn eine Apparation fehlschlug. Ein kurzer, unaufmerksamer Augenblick reichte aus, damit man am Ziel, in einem solch verstümmelten Zustand ankam, der beschönigend als 'nicht lebensförderlich' bezeichnet werden konnte. (Dies war zumindest das offizielle Wording, welches die Gerichtsmediziner verwendeten.) Oder in einer Wand. Oder, wie es in einem sehr berühmten Fall geschehen war, in einem sowjetischen U-Boot der S-Klasse - wodurch beinahe, aus der deshalb entstehenden Panik, ein Nuklearschlag ausgelöst worden wäre.

Aber körperliche Transmutation und simultane Portalerschaffung war fortgeschrittene Magie, die nicht mehr in den Kinderschuhen steckte. Und es gab Richtlinien dafür, wie man deren Anwendung sicher gestalten konnte. Einige davon wurden auch in Gesetzen festgehalten und waren mehr oder weniger die gleichen Regeln, die auch auf Autofahrer angewendet wurden. Nur, dass man nicht zwingend Brillen tragen musste, wenn man die Apparierprüfung ablegte. Man konnte nicht apparieren, während man unter dem Einfluss von bewusstseinsverändernden Substanzen stand oder wenn die mentalen/physischen Fähigkeiten irgendwie eingeschränkt waren. Abhängig davon, wo man lebte, gab es Regeln, die einem vorschrieben, wie weit oder wohin man apparieren und wie viele man dabei mitnehmen durfte. In den Geschichtsbüchern war niedergeschrieben, dass die weiteste Strecke, die je via Apparation zurückgelegt wurde (mit einem Überlebenden, der davon berichten konnte) um die 2530 km war. Ein junger Zauberbuch-Druck-Lehrling verschwand in Norfolk im Jahre 1834 und tauchte kurz darauf in Estonia auf. Es wurde immer noch darüber debattiert, ob dies mit Absicht geschehen war. Dass ihm dabei der größte Teil seiner Kleidung und Körperbehaarung abhandengekommen war, wurde nur als Fußnote erwähnt. Der eigentliche Punkt, auf den alle hinauswollten, war, dass transkontinentale Apparation technisch gesehen möglich war. Beispielsweise hatte Voldemort in seinen jungen Jahren mehrere Ausflüge zwischen England und Berlin unternommen. Aber dies benötigte zweifellos größtes Geschick, Fokus, Willen und immense Kraftreserven.

Harry hatte zwei dieser vier Dinge. Dass ihm der Fokus und der Wille fehlten, war nicht unbedingt seine Schuld, wenn man in Betracht zog, dass es sich um einen unerwarteten Notfall handelte. Hermione tauchte nicht wirklich auf, sondern fiel vielmehr von einem Punkt nahe der Decke herunter. Außer Atem landete sie auf ihrer Seite. Einen obligatorischen Moment lang verfiel sie in Panik, weil sie nichts sehen konnte, aber dann gewöhnten sich ihre Augen an das schwache Licht. Sie befand sich in einem Gebäude. Trotzdem war die Luft frisch; eine Frische, die neu war... und zugleich alt. Geradezu altbekannt.

Sie wusste nicht, wie viel Zeit verging, bevor sie sich aufsetzte. Ein Hustenanfall schüttelte sie, wegen der Staubwolke, die durch diese plötzliche Bewegung hoch stob. Sie befand sich in einem Gang, der nur von den wenigen Sonnenstrahlen durchschnitten wurde, die es durch die vernagelten Buntglasfenster geschafft hatten. Sie tastete ihren Bauch ab, nicht wissend, auf was sie achten sollte, beruhigte sich aber, als ihr Baby sie mit einer Reihe Tritte belohnte. Ein paar Sekunden musste sie blinzeln, bevor der Schreck ihr in die Glieder fuhr. Die gleiche kleine Kante. Die gleichen Regale, auch wenn nun größtenteils leer und mit Spinnweben überzogen. Der Geruch von uraltem Pergament. Ihr Magen zog sich zusammen von einer Erinnerung und es war mehr als die trockene Luft, die ihr die Tränen in die Augen trieben.

Liebe in der Zeit einer Zombie ApokalypseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt