Die ersten Anzeichen

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Es begann mit dem seltsamen Kribbeln in meinem Hals.

Als ich morgens die Augen aufschlug, fühlte es sich an, als hätte ich meinen Hals die ganze Nacht mit Schleifpapier bearbeitet – ich konnte kaum noch schlucken, so weh tat es.

Hatte ich mir eine Erkältung eingefangen, als ich gestern im Regen ohne Jacke nach Hause gegangen war?

Meine Glieder waren seltsam schwer, als ich mich aufsetzte. Ich brauchte einen Moment, um mich vollständig zu sammeln, bevor ich meinen müden Körper aus dem Bett hieven konnte. Ich streckte meine Arme, um das steife Gefühl loszuwerden, doch die Bewegung brachte keine Besserung.

Ich hatte allerdings keine Zeit, mich nun vernünftig auszukurieren – ich durfte jetzt keine Schwäche zeigen. Mein Leben stand eh schon auf der Kippe – wenn ich jetzt schwächelte, würde ich alles verlieren, was ich jetzt noch hatte.

Meine Schule erlaubte mir nur noch einen Fehltritt – ich durfte nichts mehr riskieren.

Mein Stipendium hing wegen der hohen Fehlstunden am seidenen Faden, meine Tante suchte nach einem Grund, mich endlich aus dem Haus schmeißen zu können...

Ich griff nach meinem Shirt, welches ich gestern Abend achtlos über meinen Stuhl geworfen hatte. Die braunen Flecken waren noch immer auf dem Stoff – ich war noch nicht dazu gekommen, es zu waschen. Doch mir blieb keine Auswahl, meine anderen Oberteile waren ebenfalls dreckig – ich müsste wohl mit den Flecken vorlieb nehmen.

Mühelos strich ich mir das Stück Stoff über, bevor ich nach der Hose griff, die auf dem Boden lag. Sie war noch immer feucht vom Regen, welchen ich gestern abbekommen hatte.

Der Stoff war unangenehm kalt auf meiner Haut, eine leichte Gänsehaut breitete sich aus, während ich schauderte.

Vielleicht sollte ich mir doch lieber eine andere Hose anziehen.

Ein Blick zu meinem mickrigen Schrank sagte mir jedoch, dass ich auch bei meinem Unterteil nicht so viel Glück haben würde – all meine anderen Hosen waren ebenfalls ungewaschen.

Der Morgen begann ja super – warum musste ich eigentlich immer so ein Pech haben?

Lustlos griff ich nach meinem alten Rucksack, der neben meinem Schreibtisch stand, bevor ich das kleine Zimmer verließ, einen kleinen Umweg ins Badezimmer machte und dann die Treppe hinunterschlich.

Aus der Küche konnte ich ihre Stimmen hören – sie scherzten fröhlich miteinander, hin und wieder brachen sie in Gelächter aus.

Geschirr klapperte, eine Tür ging auf. Ich zog meinen Kopf ein, bevor ich nach meiner Jacke griff, welche in der Garderobe hing, dann schlüpfte ich in meine Schuhe und verließ auf Zehenspitzen das Haus.

Die gute Stimmung wäre verebbt, wenn ich ihnen unter die Augen getreten wäre.

Sie zeigten mir jeden Tag aufs Neue, dass sie mich als einen Parasiten sahen – ich war nicht willkommen. In ihren Augen war ich nur ein Eindringling.

Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn sie mich an meinem achtzehnten Geburtstag vor die Tür setzten – bestimmt warteten sie schon sehnlich auf den Tag, wo sie das Sorgerecht abgeben konnten.

Wäre meine Großmutter nicht so kränklich gewesen, dann hätte ich all das hier nie ertragen müssen – doch leider war die Schwester meiner Mutter die einzige Person gewesen, die in Frage gekommen war, als ich an jenem Tag zur Weise wurde.

Es wäre so einfach gewesen, wenn ich bei ihr eingezogen wäre.

Meine Tante – die bekanntlich aus derselben Familie wie meine Großmutter und Mutter stammte – besaß erstaunlicherweise nicht das Gen. Sie wusste nicht einmal von dem Geheimnis, welches auf unserer Familie lastete.

Golden Blood | Eyeless JackWhere stories live. Discover now