Die neue Realität

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Die Kerzen, die ich vor dem Schlafengehen angezündet hatte, glommen nur noch leicht vor sich hin, ein nicht allzu penetranter Wachsgeruch hatte sich im Zimmer ausgebreitet.

Zu meiner Verwunderung hatte ich ohne Probleme geschlafen – eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass ich kein Auge zukriegte, doch genau das Gegenteil war eingetreten.

Lag es daran, dass sich die Erschöpfung der vergangenen Stunden in den Vordergrund geschoben hatte?

Schwerfällig erhob ich mich aus meinem Bett, während ich versuchte, das Kratzen in meinem Hals zu ignorieren, welches sich in mein Bewusstsein bohrte. Ich hatte mir zwar schon gedacht, dass es nicht ewig auf sich warten lassen würde, trotzdem bereitete es mir Sorgen.

Ich kam nicht an Menschenblut – würde Tierblut auch ausreichen?

Warum nahm ich es überhaupt schon als Selbstverständlichkeit hin?!

Ich unterbrach meinen Gedankenfluss, als ich eine Regung auf dem Flur vernahm. Vorsichtig ließ ich mich zurück auf die Bettkante sinken, während ich den schweren Schritten lauschte, die sich durch die Gänge bewegten.

Es waren mehrere...

Hatte Eyeless Jack das gemeint? Würden sie uns nun holen?

Ich versuchte, den Geräuschen mit meinen Sinnen zu folgen, doch die Schritte waren verklungen. Es war, als hätten sich die Personen auf dem Flur im Einklang befunden – kurz haderte ich mit dem Gedanken, dass es wahrscheinlich doch nur eine Person gewesen war, doch als ich etwas weiter entfernt das Knarzen einer Tür hörte, verwarf ich den Gedanken wieder.

Die Tür war weiter entfernt, doch die Schritte waren an meiner Tür vorbei gekommen – versuchten sie uns zu täuschen?

In jenem Moment konnte ich trotz der Dunkelheit erkennen, wie sich meine Türklinke bewegte. Aus Gewohnheit hielt ich die Luft an, während ich beobachtete, wie sich die Tür öffnete.

Dort stand er – und er schien mich durch die dunklen Höhlen seiner Augen zu beobachten.

Die Stille, die mich gestern schon einmal geplagt hatte, legte sich erneut zwischen uns und ich senkte schließlich meinen Blick, als ich es nicht mehr aushielt.

„Zieh dich an", hörte ich ihn brummen, bevor er erneut durch die geöffnete Tür verschwand und diese hinter sich schloss. Ich blieb für einen Moment benommen sitzen, bevor ich mich fast mechanisch zu meinem Kleiderschrank bewegte und das erstbeste Oberteil, sowie die erstbeste Hose herausfischte.

Als ich die Sachen übergeworfen hatte und meine hellblonde Mähne ebenfalls ein bisschen gezähmt worden war, hörte ich, wie sich die Tür wieder öffnete.

Wie war das möglich? Hatte er mich beim Umziehen gestalkt? Wie konnte er sonst wissen, dass ich meine Routine genau in jenem Moment beendet hatte?

Eine Gänsehaut lief mir über den Rücken und ließ mich schaudern.

„Folge mir", meinte er nur, während er die Türklinke festhielt. Es schien ihn nicht zu stören, dass ich ihm mit schreckgeweiteten Augen anblickte, die zum Teil auch Ekel ausdrückten.

Am liebsten hätte ich ihm meine Worte an den Kopf geschmissen, die in jenem Moment in meinem Kopf unterwegs gewesen waren – doch ich hielt mich zurück.

Stattdessen setzte ich mich zögerlich in Bewegung, was dazu führte, dass auch er wieder in seinen Schrittrhythmus fiel. Bevor ich meine Zimmertür überhaupt erreicht hatte, war er schon fast an der Treppe angelangt.

Als ich den Flur betrat, hörte ich Stimmen, die im Raum neben mir zu lokalisieren waren. Als ich an der geöffneten Zimmertür vorbeiging, konnte ich BEN Drowned sehen, der lässig im Türrahmen stand und einem Mädchen zuschaute, welches sich unter seinen Augen sichtlich unwohl zu fühlen schien.

Golden Blood | Eyeless JackWhere stories live. Discover now