Gewissensbisse

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Nach drei Tagen hatte ich das Gefühl, dass die Wände auf mich zukamen.

Es gab nichts außer den kleinen Wassereimer in der Ecke, die speckige Matratze auf dem Boden und die weißen Wände, die durch die nackte Glühbirne an der Decke seltsam gelb erschienen.

Hier war ich aufgewacht – und hier war ich geblieben.

Wo ich genau war, wusste ich nicht, doch es machte mir Angst, dass niemand nach mir geschaut hatte. Keiner hatte mir Wasser gebracht, nicht einmal essen – und selbst die Blutrationen, zu denen Eyeless Jack mich gezwungen hatte, waren nicht eingetroffen. Ich wusste ja nicht einmal, ob ich überhaupt noch in der Villa war – oder ob ich vielleicht doch einfach meinem Schicksal überlassen worden bin.

Drei Tage lang hatte ich auf der Matratze gesessen und war in meinen Gedanken und Sorgen gefangen gewesen. Immer wieder hatte ich an Lucy und Lazari denken müssen – lebten die beiden überhaupt noch? Oder waren sie dem Gift bereits zum Opfer gefallen? Lazari hatte schlechtere Chancen, denn nach meiner Theorie müsste es Lucy genau wie mir bald besser gehen.

Es machte mich fertig, nicht zu wissen, wie es ausgegangen war. Selbst wenn man mir etwas zu Trinken oder Essen gebracht hätte, hätte ich es wahrscheinlich nicht zu mir nehmen können – mein Appetit war verschwunden.

Waren überhaupt drei Tage vergangen?

Selbst das wusste ich nicht genau, dies konnte ich nur spekulieren.

Auch jetzt lag ich auf der Matratze, sie war so durchgelegen, dass mein Rücken fast schon auf den Boden drückte. Die Feuchtigkeit und Kälte hatte ich schon längst ausgeblendet, genauso wie den ekelhaften Geruch, der mich in den ersten Stunden fast umgebracht hatte.

Mein Blick hatte sich an die Decke gehaftet und klebte auf den braunen Flecken, die überall verteilt waren. Ich hatte mich zu Anfang gefragt, wodurch diese entstanden waren, doch mittlerweile hatte ich mich damit abgefunden, dass ich es lieber nicht wissen wollte.

Mein Kopf war wie leergefegt, es fühlte sich an, als wäre ich eine leere Hülle – ein Mensch ohne Seele. Ich konnte mich einfach nicht dazu ermutigen, die Zeit zu nutzen und über die vergangenen Ereignisse nachzudenken – denn es erschien mir nicht als wichtig. Was brachte es mir, wenn ich nicht sichergehen konnte, dass ich am Ende mit meinem Leben davonkam? Würde es mich überhaupt stören, wenn es hier vorbei war?

Ich schloss für einen kurzen Moment meine Augen, als mir dieser Gedanke in meinem Kopf umhergeisterte.

Dieses Alleinsein tat mir nicht gut – es machte mich kaputt... langsam und quälend.

Ich nutzte meinen Gehörsinn, um zu lauschen. Hin und wieder gelang es mir, leise Schritte wahrzunehmen, auch Gewisper war zu hören, doch die Wände und die dicke Metalltür versperrten meinen Ohren den Weg zum Wissen unbegrenzter Möglichkeiten.

Auch dieses Mal konnte ich Schritte auf dem Flur vernehmen. Sie waren dumpf und schwer – sofort setzte ich mich auf.

Ich kannte diese Schritte.

Sie verstummten und ich spannte mich an, während ich mich instinktiv an die Wand presste. Im nächsten Moment ertönte ein lautes Klicken, welches von einem Quietschen gefolgt wurde. Meine Augen richteten sich zu der schweren Metalltür und ich beobachtete mit pochendem Herzen, wie diese sich öffnete.

Mein Mentor kam zum Vorschein.

Ich war also wirklich in der Villa.

Ein betörender Duft traf auf meine Nase, welcher sich recht schnell mit dem Geruch von gesüßten faulen Eiern vermischte. Der Gestank hatte sich in seine Kleidung gebrannt.

Golden Blood | Eyeless JackWhere stories live. Discover now