Blut für Blut

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Das Klirren ließ mich zusammenzucken.

„T'schuldige", murmelte Collin, bevor er das Messer aufhob, welches zu Boden gefallen war. Meine Tante sah ihn mahnend an, bevor sie in ihr Toast biss. Mary würdigte ihrem Bruder keinen einzigen Blick, ihr Gesicht war noch immer blass und ihre Augen waren rot unterlaufen.

Sie hatte den ganzen Morgen lang geweint.

Mein Onkel stellte schwungvoll seine Kaffeetasse auf den Tisch, sofort schnellten unsere Blicke zu ihm. Er sah jedem – ja, auch mir – eindringlich in die Augen.

„Mary, Collin, ich möchte, dass ihr in nächster Zeit vor Sonnenuntergang zu Hause seid", seine tiefe Stimme löste eine Gänsehaut aus, ich schauderte unmerklich.

„Was? Wieso? Was soll das, Dad?", Collin ließ sein Messer erneut fallen, ich biss gespielt unbeeindruckt in mein Brötchen.

Ich wusste, was in seinem Kopf vorging – es war ein Schutzmechanismus.

„Höre auf deinen Vater, Cole", ich musste mir ein Schmunzeln verkneifen, als meine Tante meinen Cousin mit seinem Spitznamen ansprach, „Es ist zu eurem Schutz."

Bingo, ich hatte Recht gehabt.

„Schutz?", Mary klinkte sich in das Gespräch ein, „Wie soll es uns verdammt nochmal schützen, wenn diese Killer in die Häuser einbrechen?!" Sie strich sich eine rotblonde Strähne aus dem Gesicht. „Warum also unsere Freiheit einschränken, wenn man eh nichts dagegen machen kann?"

Ich war erstaunt, dass sie wieder so klar denken und sprechen konnte – immerhin hatte sie bis vor dem Frühstück kein einziges Wort herausbekommen, da sie so doll geschluchzt hatte.

„Ihr seid rechtzeitig zu Hause, hört ihr?! Ich mache das nicht gerne, aber es dient einfach eurem Schutz! Zu Hause seid ihr sicherer, als wenn ihr durch die Straßen strotzt und womöglich noch von diesen kranken Bastarden erwischt werdet!", Onkel George sah die beiden mit funkelnden Augen an, „Und damit Ende der Diskussion!"

„Das ist nicht fair!", quietschte Mary aufgebracht, „Die darf doch auch nach draußen!" Sie deutete auf mich, ich runzelte die Stirn.

Stimmt, er hatte mich nicht in die Forderung eingeschlossen.

George räusperte sich, Jennifer – meine Tante – nippte an ihrem Tee, während sie ihren Mann streng anblickte. „Die Regel gilt natürlich auch für dich, Hallee", schob er schließlich hinterher, doch ich wusste sofort, dass sie nicht aus dem gleichen Grund für mich galt – es sollte ausschließlich der Solidarität gegenüber meiner Cousine und meinem Cousin dienen.

„Bitte Dad, das kannst du nicht machen!", Collin fuhr sich gestresst durch die Haare, „Joshua feiert nächste Woche-"

„Du wirst nicht auf die Party gehen, Cole!", meine Tante sah ihn dieses Mal streng an, „Darüber hatten wir schon vor den ganzen Mordfällen gesprochen!"

Stimmt ja, da war dieses Gespräch gewesen... Collin war nicht gerade der beste in der Schule – und dass wurde ihm gerade zum Verhängnis. Er war im letzten Jahr seiner Schullaufbahn, was bedeutete, dass er gerade auf sein Abschlusszeugnis hinarbeitete. Und dieses war... grottig. Er hatte fast nur Unterkurse.

„Ich hasse euch!", Mary sprang zu meiner Verwunderung als erstes auf und stürmte durch die Küchentür zur Treppe. Collin folgte ihr nach einem verärgerten Murren, während ich in Ruhe sitzen blieb.

„Du hast sie falsch erzogen, Jen", murrte George leise, bevor er wieder einen Schluck Kaffee zu sich nahm, „Du hättest sie nicht so verwöhnen dürfen."

Meine Tante stieß empört die Luft aus. „Wie bitte?!", fauchte sie ihn an, „Du hast auch deine Hand in der Erziehung gehabt!"

Und da stritten sie sich wieder.

Golden Blood | Eyeless JackWhere stories live. Discover now