Unmut und Hass

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Ich fand die nächsten Stunden keinen Schlaf.

Nachdem mich Eyeless Jack endlich von meinen „Pflichten" entlassen hatte, war ich sofort in mein Zimmer zurückgekehrt, um mich vor den durchdringlichen Augen zu verbergen.

Mein Gemütszustand war ebenfalls nicht der beste gewesen – an mir neigte die Angst, die Frustration und ein kleiner Teil Selbstmitleid.

Am Ende war nur noch das Selbstmitleid geblieben.

Als nach der Schlafphase wieder Leben auf dem Flur unserer Unterkünfte einkehrte, erhob auch ich mich von meinem Bett, auch wenn meine Glieder seltsam schwer waren und sich ein wiederkehrendes Pochen in meinem Kopf breitgemacht hatte.

Mit schweren Schritten wanderte ich zum Fenster, bevor ich einen Blick nach draußen wagte. Noch immer war meine Sicht gestochen scharf – ich brauchte nicht einmal Licht, um trotz der Dunkelheit weite Teile der Umgebung zu erkennen.

Das Blut des Operators.

Gemischt mit meinem eigenen Blut – dem Blut eines Monsters.

Sofort erschien das Mädchen mit den schwarzen Augen wieder vor meinem inneren Auge und ich spürte, wie sich meine Nackenhärchen aufstellten.

Ich sah das Blut, meine spitzen Zähne...

... und ich spürte die Angst, die ich vor diesen Merkmalen hatte.

Ich hatte getötet, doch hatte nichts davon mitbekommen – bis auf das eine Mal, wo ich meine Verwandten niedergewälzt hatte.

Hatte ich da auch so ausgesehen?

Ein Kloß formte sich in meinem Rachen und ich versuchte, diesen herunterzuschlucken. Dieses gelang mir jedoch nicht, da mein Mund knochentrocken war.

Er war so trocken, dass meine Mundwinkel bereits rissig wurden.

Wann hatte ich das letzte Mal etwas getrunken – geschweige denn etwas gegessen? Ich konnte mich nicht einmal mehr daran erinnern, also musste es schon eine ganze Weile her sein.

Dennoch hatte ich nicht das Gefühl, dass mir etwas fehlte.

War das auch ein Zeichen der Wandlung?

Ein zaghaftes Klopfen an meiner Tür ließ mich hinter mich schauen. Im selben Moment öffnete sie sich einen Spalt und ein roter Haarschopf kam zum Vorschein. Erleichtert atmete ich aus, als ich mich vergewisserte, dass es Kiara war, die mein Zimmer soeben betrat.

Ich wollte niemand anderen sehen.

„Du warst gestern nicht beim Abendessen", begrüßte sie mich, „Geht es dir nicht gut?" Sofort bemerkte ich ihren prüfenden Blick, der über meine Form hinüberglitt.

Es war, als würde sie alles sehen, was ich versuchte zu verbergen...

Ich setzte ein Lächeln auf – es war vielmehr mein Instinkt, der die Arbeit in jenem Moment für mich übernahm.

Ich durfte keine Schwäche zeigen.

Nicht in einem Haus voller Killer.

Nicht vor einer angehenden Killerin.

„Mir geht es gut", erwiderte ich, „Ich hatte einfach nur spät gefrühstückt – deswegen bin ich nach der Mentor Phase gleich wieder hochgegangen."

Es war eine Notlüge, die meine aufflammende Angst verbergen sollte, welche ich nun erlebte.

Es war die Angst, auf welche ich die ganze Zeit gewartet hatte – und jetzt, wo sie da war, wünschte ich mir, dass sie wieder wegging.

Golden Blood | Eyeless JackWhere stories live. Discover now