Kapitel 36

105 10 2
                                    

Ich starrte in den Spiegel. Ausnahmsweise trug ich mal keine Trainingskleidung. Stattdessen hatte ich eine olivgrüne Tunika an, welche an der Taille geschnürt war. Darunter trug ich eine dünne, schwarze, eng anliegende Hose, deren Stoff wunderbar weich war. An den Füßen trug ich wadenhohe, dunkelbraune Lederstiefel. Die vorderen Strähnen meiner Haare hatte ich nach hinten geflochten, wo sie sich trafen. Der Rest hing offen auf meine Schultern. Fast fühlte ich mich schön, wenn da nicht der blaue Fleck unter meinem Auge gewesen wäre, der sich eher schlecht als Recht verbergen ließ. Ich blickte zum Bett. Die Karte, welche ich beim Eintreten gefunden hatte, lag darauf. In ihr stand eine Uhrzeit und das Madox mich abholen würde. Da ich nicht wusste, was Declan plante, hatte ich mich so angezogen, dass ich auf alles vorbereitet war. Auf meine Katana würde ich allerdings verzichten, da ich nicht davon ausging, dass er mit mir trainieren wollte. Dafür hatte ich mir einen kleinen Dolch in den Stiefel geschoben als kleine Vorsichtsmaßnahme. Ich schaute zur Tür, als es kurz klopfte und dann Madox eintrat. Er lächelte mir zu. Und runzelte dann die Stirn als er mein blaues Auge sah.

"Lady Young, was ist passiert?"

Ich winkte ab. "Nur ein paar Blessuren vom Training. Nichts worüber man sich sorgen müsste."

Madox nickte zögerlich, als wäre er sich noch nicht ganz sicher, ob er mir das glauben sollte.
"Nun, ihr seht jedenfalls bezaubernd aus, Lady Young."

Ich lächelte zurück. "Danke Madox, ihr könnt mir nicht zufällig verraten, was Declan geplant hat oder?", versuchte ich ein paar mehr Informationen aus ihm heraus zu bekommen.

Er zwinkerte mir zu.
"Tut mir leid, aber meine Lippen sind versiegelt."

Und das blieben sie auch als wir mein Zimmer verließen und uns auf dem Weg zum Gemach von Declan machten. Je länger wir durch den Palast liefen, desto heftiger schlug mein Herz vor Aufregung. Den ganzen Tag über hatte ich an Declan denken müssen. Wie er mich letzte Nacht berührt hatte und wie sehr mir das gefallen hatte. Der Kampf mit Maede war eindeutig nicht genug Ablenkunh gewesen. Ich sehnte mich danach Declan wiederzusehen und hatte gleichzeitig furchtbare Angst, dass diese Gefühle nicht echt, nicht meine waren.

Madox und ich liefen fast den gleichen Weg wie gestern, doch anstatt zum Gang abzubiegen, in dem die Gemächer des Königs lagen, ging es einen Gang in südlicher Richtung entlang. Am Ende davon lag eine große Flügeltür. Sobald wir uns näherten, wurde sie geöffnet. Ich schnappte nach Luft als ich den Raum dahinter sah. Verdammt, dass war das schönste Zimmer, das ich je in meinem Leben gesehen hatte. Der Raum war erstreckte sich weit nach hinten. Die Wände waren unterbrochen von bodentiefen Glasfenstern, die einen kristallklaren Blick nach draußen auf die Stadt erlaubten, hinter der die Sonne langsam unterging. Einige Fenster waren geöffnet, nur eine hüfthohe Brüstung aus Gold verhinderte, dass jemand aus den Fenstern fallen konnte. Die leichten, weißen Vorhänge bewegten sich im lauwarmen Wind, der hereinwehte. Der Raum wurde von einer langen Holztafel dominiert. Darauf standen allerhand Speisen, die herrlich dufteten. Kerzen warfen einen schwachen Lichtschein und von draußen fielen noch die letzten Strahlen der Abendsonne herein. Am Kopfende der Tafel erhob sich Declan. Er trug ähnlich wie gestern ein dunkles Hemd, welches er in die Hose gesteckt hatte. Lächelnd kam er mir entgegen. Dann verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck.

"Wer war das?", fragte er mit eiskalter Stimme.

Ich überlegte verwirrt was er meinte bis mir der blaue Fleck unter meinem Auge auffiel.

"Oh, das ist nur eine Blessur vom Training. Glaubt mir, mein Gegner sieht schlimmer aus", beruhigte ich ihn und versank dann in einem Knicks, da mir bewusst war, dass Madox noch im Raum war und ich deshalb auf das Protokoll achten musste.

Declan trat so nahe, dass ich seinen frischen Duft riechen konnte. Er griff nach meiner Hand.

"Wenn ihr das sagt, werde ich euch glauben. Doch sollte euch hier im Palast jemand das Leben schwer machen, dann sagt es mir bitte."

Legenden der Magie - Gefährliche MachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt