Kapitel 3

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Erschrocken wich ich zurück. Aber es kam kein erneuter Pfeil. Ich blickte auf. Der Bogenschütze war verschwunden. Nein, nicht verschwunden. Von der Königsgarde umringt, lag er auf dem Boden und bewegte sich nicht. Ich schaute zu dem Geschoss, das einige Meter entfernt auf dem Boden aufgekommen war. Wieso hatte mich der Pfeil nicht getroffen?

Mit ein paar Schritten war ich bei dem Pfeil und betrachtete ihn. Wenn mich nicht alles täuschte, waren auf dem Pfeil dieselben Symbole eingeritzt wie auf dem Bogen des Mannes, der mich angerempelt hatte. Die Zeichen waren in der Mitte unterbrochen, wo ein blassblaues, spitzes Ding sich in den Pfeil gebohrt hatte. Ich berührte das durchsichtige Etwas und wurde in meinem Verdacht bestätigt. Es war Eis. Ich hob den Pfeil auf und ging zurück zu Maede, welche inzwischen von einem Heiler behandelt wurde. Sie sah mich kommen.

"Das ist alles deine Schuld?", zischte sie mich an.

"Warum sollte das meine Schuld sein?", fragte ich ehrlich verwirrt.

"Weil du kein Recht hast hier zu sein als magieloser Bastard. Irgendwer hat das erkannt und wollte dich loswerden. Ich würde ihm ja danken, wenn ich dabei nicht selbst in die Schussbahn geraten wäre."

Maedes Vermutung klang nicht sehr schlüssig. Immerhin hatte der erste Pfeil ihr gegolten. Zugegeben, danach hatte der Schütze mich ins Visier genommen, aber doch nur weil er Maede getroffen hatte. Oder nicht? Ich versuchte mich zu erinnern, auf wen er beim ersten Mal gezielt hatte. Da ich auf kein wirkliches Ergebnis kam, wandte ich mich einer anderen Frage zu.

"Wer hat den letzten Pfeil abgewehrt?"

Aber Maede hörte mir nicht wirklich zu, sondern starrte auf etwas hinter mir.

"Das war dann wohl ich", erklang eine tiefe Stimme und ich wirbelte herum.

Der König höchstpersönlich stand hinter mir. Ich korrigiere mich, der König, seine Geschwister und die Leibgarde von ihnen standen nun vor mir. Von Nahem war er noch beeindruckender. Ich kam nicht umhin seine breiten Schultern und kräftigen Arme zu beachten. Seine Gesichtszüge waren hart. In seinen eisblauen Augen las ich Gnadenlosigkeit.

"Ihr?", fragte ich ungläubig und sah zu ihren Plätzen, wo sie bis vor Kurzem noch gesessen hatten.

Die Arena hatte einen ungefähren Durchmesser von hundert Metern. Er hatte mindestens fünfzig Meter entfernt gesessen und trotzdem einen so präzisen Schuss abgegeben, dass er den Pfeil in der Mitte durchbohrt hatte, mit Eis. Ich weiß nicht ob ich überwältigt oder einfach nur dankbar dafür sein sollte.

"Nun, vielen Dank", sagte ich schließlich und verbeugte mich.

Eigentlich hätte ich knicksen müssen. Aber in Anbetracht der Tatsache dass ich kein Kleid trug, hätte ein Knicks seltsam gewirkt. Der König nickte nur.

"Wie ist dein Name?", wandte er sich an Maede.

Sie erhob sich elegant und versank in einen tiefen Knicks, der bei ihr überhaupt nicht lächerlich aussah.

"Maede, vom Haus White, Majestät. Es ist mir eine Ehre", hauchte sie.

"Ich entschuldige mich für die Verletzung, welche ihr euch zugezogen habt. Dies hätte nicht passieren dürfen. Es wird eine angemessene Entschädigung dafür geben."

"Ihr seid zu großzügig, mein König."

Ich bekam Maedes Schleimerei nur teilweise mit, denn die Garde des Königs schleifte den Angreifer über den Platz der Arena auf uns zu. Ich trat einen Schritt nach vorne, um ihn besser sehen zu können. In seinem Bauch steckte ein Speer aus Eis. Er war von Blut überzogen. Das Gesicht des Mannes war kalkweiß. Der Blutverlust würde ihn in wenigen Minuten töten. Es war der Mann, welcher mich in der Menge angerempelt hatte.

Legenden der Magie - Gefährliche MachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt