Kapitel 8

192 21 24
                                    

Ich lag im Dunkeln und starrte ins undurchdringliche Blätterdach. Viele Soldaten waren schon eingeschlafen. Vereinzelt hörte ich einige schnarchen. Auch Maede neben mir regte sich nicht mehr. Ich drehte mich auf die Seite. Das Feuer war herunter gebrannt. Nur noch die Glut warf einen leichten Schimmer. Der Geruch von Suppe hing noch ganz leicht vom Abendessen in der Luft. Ich hatte mich so gut wie möglich mit einem Tuch und einer Wasserschüssel gewaschen. Mehr als mein Gesicht und meine Arme hatte ich nicht sauber bekommen. Ich versuchte schon seit einigen Stunden zur Ruhe zu kommen. Aber der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Das Gesicht von Halvar spuckte in meinem Kopf umher. Sein leerer Blick schien mich anzuklagen. Jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, erschien er wie ein Geist, der mich heimsuchte. Ich war auf die Militärakademie gegangen, um mich und später vielleicht auch andere verteidigen zu können. Ich war aufs Töten vorbereitet worden. Nur konnte man sich darauf nicht wirklich vorbereiten. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das so schnell lernen würde. Schuldgefühle wühlten in mir, auch wenn ich wusste, dass mir kein anderer Ausweg geblieben war. Warum nur hatte er mich unbedingt töten wollen?

Leise richtete ich mich auf. Ich konnte einfach nicht ruhig liegen. Ich wickelte die Decken und Felle um mich, stand auf und entfernte mich von der Feuerstelle. Hoffentlich begegnete ich nicht den Wachen, welche hier irgendwo postiert sein mussten. Auf lange Erklärungen konnte ich gerade verzichten. Ich trat in den Wald hinein und folgte einem natürlichen Pfad. Auf einmal ragten aufgetürmt Felsen vor mir auf. Das schwache Licht des Mondes fiel auf den Platz. Ich bemerkte eine Person auf den Steinen sitzen. Das weiße Haar verriet mir sofort, um wen es sich handelte. Auch wenn ich ihn in der dunklen Uniform fast übersehen hätte. Ich trat den Rückzug an.

"Mariko Young", meinte ich ihn auf einmal sagen zu hören und hielt inne.

Er stand auf und sprang mit einem Satz vom Felsen. Sicher landete er auf beiden Beinen. Die silbernen Knöpfe an seiner Kleidung blitzten im Mondlicht bedrohlich auf. Er trat auf mich zu. Mein Blick wurde von seiner Hüfte angezogen. An seinem Gürtel waren neben seinem Schwert meine Katana befestigt. Ich blickte wieder auf, als er vor mir stehen blieb und musste mich zwingen keinen Schritt zurück zu treten. Mir war unwohl ihm so nahe zu sein. Er löste ohne hinzusehen die Katana vom Gürtel und reichte sie mir. Dabei wandte er keine Sekunde den Blick ab, als wollte er meine Reaktion testen. Die Schwerter waren von Blut und Dreck gereinigt worden. Ohne zu zögern nahm ich sie entgegen und schnallte sie wieder um.

"Entfernt euch nicht zu sehr von der Truppe, sonst kann ich nicht mehr für eure Sicherheit garantieren."

"Das konntet ihr schon vorher nicht", erwiderte ich und sprach damit nur die Wahrheit aus.

Wahrscheinlich war ich alleine genauso in Gefahr, als wenn ich mit der Garde des Königs reisen würde. Sein Gedicht verdunkelte sich. Ihm gefiel meine Antwort nicht.

"Aber es ist auch nicht eure Aufgabe", setzte ich sanft aber bestimmt hinterher.

"Solange wie ihr auf mein Geheiß bei uns seid, ist es sehr wohl meine Aufgabe. Egal was ihr denkt oder sagt, es wird nichts daran ändern."

Wenn er das so sehen wollte. Mir behagte es zwar gar nicht unter dem Schutz der Garde des Königs und ihm zu stehen, aber ändern konnte ich es auch nicht.

"Das, was ihr da heute über mich erfahren habt...", schnitt ich ein anderes Thema an, dass mir noch weniger behagte, "würdet ihr es für euch behalten?"

Oder noch besser vergessen, dachte ich.

"Eure Geheimnisse gehen niemanden etwas an. Aber da ich nun deines kenne, werde ich nicht davon absehen, es zu nutzen, wenn ich muss."

Und mit dieser kryptischen Aussage, die vermutlich nicht ganz so drohend hatte sein sollen, wie sie bei mir angekommen war, drehte sich der König um, ging zurück und schwang sich mühelos auf die Felsspitze. Ich verließ den Platz. Eine Weile streifte ich noch durch den Wald, immer in der Nähe des Lagers. Zweimal begegnete ich Wachposten, aber sie nickten mir nur zu und hielten mich nicht auf. Erstaunlich. Ich fand einen winzigen freien Platz, auf dem man durch das Blätterdach in die Sterne schauen konnte. Vorsichtig setzte ich mich in die Einbuchtung eines Baumstammes und rollte mich dort zusammen, um einfach nur in den Himmel schauen zu können. Die eine Hand sicher auf den Griff meines Katanas gelegt, schlief ich schließlich ein.

Legenden der Magie - Gefährliche MachtWhere stories live. Discover now