Prolog

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Mir war nicht sofort klar, dass ich keine Magie hatte. Ich war sieben Jahre alt und stand im Zentrum der Aufmerksamkeit. Mein Auge zuckte vor Nervösität. Um mich herum lagen fünf Steine in einem Kreis angeordnet. Meine Familie stand am Rand und sah mir zu. Meine einzige Halbschwester mit ihrer Mutter. Als meine Mutter noch lebte, waren beide mit meinem Vater verheiratet gewesen. Er stand am Rand und sah mich mit ernstem Blick an. Ein Mann mit schütterem grauen Haaren und Falten im Gesicht trat vor mich und versperrte mir die Sicht auf sie. Er trug eine lange schwarze Robe und sah mich aus seinen dunklen Augen ernst an.

"Mariko Young, bist du bereit für die Prüfung?", fragte er mich mit ruhiger Stimme.

Das machte das alles noch bedeutender und mich nervöser.

"Ja", piepste ich mit kindlicher Stimme. Er richtete sich auf.

"Möge das Haus Young mit großer Kraft gesegnet sein", rief er.

Ein Chor von Stimmen antwortete ihm. Denn nicht nur meine Familie am Rand sah zu, sondern auch alle Oberhäupter wichtiger und mächtiger Häuser.

"Komm Mariko."

Der Mann führte mich zum ersten Stein. Er war in einem tiefen Moosgrün gefärbt. Eine Spirale in der Farbe von fast vertrocknetem Gras zog sich über die Oberfläche.

"Berühr ihn", wies der Mann mich an.

Zitternd streckte ich die Hand aus und tippte den Stein an. Als nichts passierte wurde ich mutiger und legte meine ganze Hand auf den Stein. Aber es regte sich immer noch nichts.

"Gehen wir weiter", sagte der Mann und führte mich fort.

Wir kamen zu einem tiefblauen Stein. Wassertropfen glänzten auf ihm. Meine Hand spürte die feuchte Kühle als ich auch dieses magische Artefakt berührte. Aber auch er blieb einfach liegen. Nichts passierte.

"Nun, drei Steine sind ja noch", versuchte der Mann mich zu beruhigen, obwohl ich gar nicht beunruhigt war.

Wir gingen zum nächsten Stein, welcher weiß war und beinnahe durchsichtig schimmerte. Staunend legte ich meine Hand darauf und erwartete fast nichts zu spüren. Aber er lag fest in meiner Hand. Glatt und kühl wie die anderen auch.

"Nun der Stein des Feuers", rief der Mann und führte mich zum vorletzten Stein.

Er war in einer blutroten Farbe und sah ein wenig beängstigend aus. Ich streckte die Hand aus und legte sie ganz sachte auf den Stein. Schnell kniff ich die Augen zusammen. Aber es explodierte nichts und auch keine Flamme schoss mir entgegen. Die Menge am Rand wurde unruhig.

"Das Haus Young scheint mit großer Kraft gesegnet zu sein."

Der Mann neben mir hatte mit diesen Worten eine fast gespenstische Ruhe erreicht. Er führte mich zum letzten Stein. Er war tiefschwarz. Ihn umhüllten dunkle Nebelschwaden, die mich schaudern ließen. Zögernd sah ich zu dem Mann neben mir auf. Er nickte. Obwohl ich wirklich Angst hatte, vor dem was passieren könnte, hob ich die Hand und berührte den letzten Stein. Atemlos wartete ich, einen Herzschalg lang, zwei, drei bis sich ein Murmeln in der Menge breit machte.

"Sie ... ist nicht." "...keine Kraft..." "...nicht gesegnet." "...Unglück für das Haus Young..."

"Das ist unerwartet", murmelte der Mann neben mir zu sich selbst.

"Mariko Young ist ohne jeglicher magischer Kraft. Sie sei trotzdem gesegnet."

"Sie sei gesegnet", antwortete die Menge und ich wurde zurück zu meiner Familie geführt.

Mein Vater sah mich nicht an, als ich mich neben ihn stellte. Einzig meine Halbschwester Arwen schenkte mir ein kleines Lächeln. Für mich war es nicht wirklich schlimm keine magischen Kräfte zu haben. Die Menschen hatten auch keine und konnten damit leben. Für einen kleinen Moment hatte ich sogar ein wenig Erleichterung verspürt. Aber ich sollte lernen, wie schlimm es für einen Sprössling eines mächtigen Hauses ohne magische Kräfte werden konnte. 

Legenden der Magie - Gefährliche MachtWhere stories live. Discover now