L - Du Romantiker

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[Louis]

"...So haben nach neuesten Informationen bis zu sieben Soldaten den Überraschungsangriff nicht überlebt, zwei weitere sind schwerverletzt zurück in das Lager gebracht worden, einer von ihnen so stark verwundet, dass er umgehend zurück nach England verlegt wird. Das Militär geht davon aus, dass es sich um einen von langer Hand geplanten Angriff auf den Stützpunkt handelt, da die Terrormiliz schnell und vor allem präzise vorgegangen ist..." 

Ich sah zu dem Fernseher, der nebenbei in der Küche lief und wurde blass. Die Bilder waren erschreckend und ich schluckte leicht, als ich die Drohnenaufnahmen des teilweise zerstörten Stützpunktes sah. Es war noch erschreckender für mich, denn ich hatte genau so etwas heute Nacht geträumt. Es war nur noch verschwommen in meinem Kopf, doch ich konnte mich an ein kleines Mädchen erinnern, die in den Trümmern lag. Außerdem erinnerte ich mich ganz klar an stechend grüne Augen, so klar, dass es sich anfühlte, als würden sie mich noch immer anstarren. Seufzend nahm ich die Kaffeetasse und setzte sie an. Ich schaute offensichtlich zu viel Nachrichten, wenn ich jetzt bereits nachts davon träumte. Das war nicht gut. Kurzerhand schaltete ich den Fernseher aus, stellte die Tasse in die Spüle und nahm mir meine Jacke. 
Mit einem Blick nach rechts überprüfte ich, ob meine derzeitige Pflegekatze Daisy, die ich aus der Klinik für ein paar Wochen mit zu mir genommen habe, gut versorgt war. Sie schlief auf dem Sofa, eingerollt auf einer Decke. "Bis dann, Daisy!" rief ich, ehe ich mir Schuhe anzog und die Wohnung verließ. 

Ich arbeitete seit einem Jahr als Assistenz-Tierarzt in einer kleinen privaten Tierklinik, bis ich meine letzte Prüfung bestanden hatte, dann würde ich endlich kein Assistenzarzt mehr und konnte alle Untersuchungen und Behandlung endlich selbstständig durchführen. Daisy war nach einer OP an ihrem Bein nicht mehr abgeholt worden und als ich die Besitzer informieren wollte, waren die Daten gefälscht gewesen. So etwas passierte leider nicht selten und meistens war der Grund die finanzielle Seite einer OP. Daisy's Schicksal wäre das Tierheim gewesen, doch da sie Betreuung nach der OP dringen nötig hatte, hatte ich sie mit zu mir genommen. Jedes Tier hatte vernünftige Pflege verdient. Auch wenn ich kein Katzentyp war, Daisy war süß und sie war sehr verkuschelt, genau was ich brauchte. 

Lange musste ich nicht laufen, bis ich den Weg in die Praxis fand und durch die Tür hineinging und direkt nach hinten lief in unseren Aufenthaltsraum. Ich war allein, zog mir meine blaue Arbeitskleidung an und nahm mir ein Wasser aus dem Kühlschrank, welches ich fast in einem Zug austrank. Als ich fertig war, trat Niall in den Raum, ein Tierpfleger, den ich hier kennengelernt hatte. Er war in kurzer Zeit mein bester Freund geworden, weshalb ich ihn sofort angrinste. "Guten Morgen!" 
Er grinste mich ebenso an. "Guten Morgen, Lou. Na, alles gut?" fragte er mich und ich nickte leicht, lehnte mich gegen meinen Spind. "Grundsätzlich, ja. Ich habe die Nacht wirklich so einen Mist geträumt, es hängt mir noch ein wenig nach." Niall sah zu mir, während er sich umzog. "Und was hast du geträumt?" 

"Es war wie eine Kriegsszene, es war total seltsam. Und gruselig! Als ich aufgewacht bin, war ich schweißgebadet und mein Herz hat so schnell geschlagen. Da war auch ein Kind, völlig verängstigt in irgendwelchen Trümmern. Und dann...alles was ich sehen konnte waren panisch aufgerissene grüne Augen, dann bin ich aufgewacht." Ich schüttelte den Kopf. "Niall, ich hab noch nie sowas Krankes geträumt, ernsthaft. Das hat sich angefühlt, als ob ich dabei war, mittendrin. Als wäre ich angeschossen worden." Niall sah mich mit großen Augen an. "Hast du irgendeinen Kriegsfilm angeguckt gestern?" fragte er, woraufhin ich den Kopf schüttelte. "Nee, ich hab Notting Hill geguckt." gab ich zu.
Niall lachte auf. "Du Romantiker." neckte er mich und ich grinste schulterzuckend. "Ja, so bin ich eben." erwiderte ich schlicht und wir lachten, dann holte Niall Kekse aus seinem Rucksack und gab mir einen. Ich strahlte ihn an. "Hast du wieder gebacken?" 
Er nickte. "Ja, ich konnte nicht schlafen. Es sind Salzkaramell-Kekse." sagte er. Fragend schaute ich zu ihm, doch er winkte ab und lächelte mich an. "Alles gut." 

Gemeinsam gingen wir in die Praxis, nachdem ich mir direkt einen Keks genehmigt hatte. "Weißt du, was die Sache noch komischer macht mit dem Traum?" fragte ich ihn auf dem Weg und er sah mich fragend an. "Heute Morgen in den Nachrichten haben sie erzählt, dass ein Militärstützpunkt angegriffen wurde und dass viele dabei gestorben oder verletzt worden sind." erklärte ich ihm, woraufhin er bestürzt die Augen aufriss. "Das ist ja furchtbar!" rief er aus und ich nickte. "Das bedeutet auch, dass ich wohl einen Anruf bekommen werde, wegen der Veteranenarbeit." fügte ich hinzu, worauf Niall nickte.
Zusätzlich zu meinem Job arbeitete ich ehrenamtlich in einem Unterstützungspunkt für ehemalige Soldaten und deren Angehörige. Dort konnten sie sich psychische Unterstützung holen, sowie Unterstützung bei behördlichen Gängen für diejenigen, die nach ihren Einsätzen das Militär verließen. Dies konnte aus verschiedenen Gründen passieren. Unehrenhafte Entlassung, schwere Verwundungen, psychische Traumata. Es war viel möglich. Diese ehrenamtliche Aufgabe hatte ich zum Start meines Studiums gestartet, da ich in einem Nebenfach aus Psychologie belegt hatte. Ich war damit nicht wesentlich oft beschäftigt, meistens waren es auch Angehörige verstorbener Soldaten, die sich Hilfe bei der Trauerbewältigung suchten. 

Niall und ich gingen in einen der Untersuchungsräume und desinfizierten uns die Hände, ehe ich mir Handschuhe überzog, während Niall den Computer startete und die heutigen Termine durchsah und die erste Patientendatei öffnete. "Wer ist der erste?" fragte ich, während ich alles vorbereitete, wie ich es haben wollte. "Cookie, ein Chihuahua. Zwei Jahre, er hat wohl Schnupfen." Niall sah mich zweifelnd an und ich musste lachen. "Gut, dann hol mir mal Cookie." antwortete ich ihm, woraufhin er nach draußen verschwand. 
Wenige Minuten später kam er hinein, ihm folgend ein fürchterlich zitternder Chihuahua, gemeinsam mit seinem Frauchen, einer platinblonden, schlanken Frau, die stark geschminkt war und High Heels trug. Was für ein absolutes Klischee. 

Ich lächelte sie an. "Guten Morgen!" sagte ich und sah mir Cookie genau an. Der kleine Rüde war deutlich verängstigt, doch das kannte ich. Es gab selten Tiere, die sich freuten, mich zu sehen. Ich hockte mich zunächst hin und lockte ihn mit einem Leckerli zu mir, damit er sich entspannte. Es dauerte nicht lange, half auch nicht unbedingt viel, doch er wurde ein wenig ruhiger, weshalb ich ihn schließlich auf den Behandlungstisch hob. 
Niall stellte sich mir gegenüber und hielt Cookie fest, während ich eine erste Untersuchung startete. "Sie denken, es handelt sich um Schnupfen?" fragte ich die junge Frau, die sofort nickte. "Ja, er hat das jeden Morgen seit einer Woche ungefähr und auch abends." Ich nickte und prüfte seine Augen und seine Nase. Cookie knurrte mich an, ich grinste. "Dein Name ist so niedlich und dann knurrst du mich an wie ein kleiner Dämon." sagte ich lachend, fing mir dafür jedoch einen Todesblick von Frauchen ein. 

"Niest er denn nach dem Aufstehen direkt? Oder nach dem Füttern?" fragte ich sie. "Meistens ein paar Minuten nach dem Füttern. Dann schnieft er richtig und es dauert mindestens eine Stunde, bis es besser wird. Ich nickte verstehend. 
"Haben sie das Futter verändert?" Darauf nickte sie und ich notierte mir die Marke. "Ich vermute hier eher eine Allergie auf das Futter. Er ist also nicht erkältet." erklärte ich ihr und wir besprachen mehr Details, machten einen Termin für einen Allergietest und dann war sie auch schon wieder verschwunden. 
Niall sah mich an und grinste. "Also wenn die beiden nicht neben dem Wort Klischee im Wörterbuch abgebildet sind, wer sonst?" 
Ich musste lachen und nickte, desinfizierte den Behandlungstisch. "Cookie war trotzdem niedlich. Ich will irgendwann einen Hund haben." sagte ich, woraufhin Niall mich ansah und lächelte. "Soll ich dir einen zum Geburtstag schenken?" 

Lachend schüttelte ich den Kopf und sah zu ihm. "Ich habe gar keine Zeit für einen Hund. Außerdem habe ich im Moment Daisy." bemerkte ich. Niall nickte und sendete die Diagnose und Informationen für die Kosten ab, damit Cookie's Frauchen vorn bezahlen konnte. "Vermutlich bleibt sie bei dir, immerhin postest du sie schon online." 
Ich sah aus dem Fenster und seufzte. "Weißt du, was ich nicht aus dem Kopf bekomme? Die grünen Augen. Die schiere Angst darin." 
"Hä?" Niall sah mich verwirrt an und ich verdrehte die Augen. "In meinem Traum! Ich habe es dir doch vorhin erzählt." 
Mein bester Freund nickte und klopfte mir auf die Schulter. "Hör auf, da irgendwas rein zu interpretieren. Es war nur ein Traum!" Er sah mich vielsagend an und ich nickte, doch ich war nicht überzeugt. Es hatte sich anders angefühlt, realer. Doch Niall hatte vermutlich recht. Ich sollte mir keine Gedanken mehr darum machen, weshalb ich genau dies beschloss und dann mit meiner Arbeit fortfuhr. 

Fateful Dreams | Larry StylinsonWhere stories live. Discover now