L - Genauso verrückt

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[Louis] 

"Du erzählst mir also, dass du immer noch so komische Träume hast?" Niall sah mich an, als wäre ich verrückt geworden und ich nickte, während wir den Behandlungsraum nach unserem letzten tierischen Patienten reinigten. "Ja, so sieht es aus. Seit einer Woche." 
"Wieder aus dem Krieg?" hakte er nach, ich schüttelte den Kopf. "Nein. Nur...Krankenhäuser, OP-Besteck. Seltsame Dinge. Und immer diese Augen, immer wieder." Ich seufzte und fuhr mir durch die Haare, denn so langsam fühlte ich mich, als würde ich verrückt werden. 
Niall tippte an meinen Kopf. "Ich glaube, du solltest dich mal im Oberstübchen untersuchen lassen. Vielleicht hast du ja einen Tumor, du redest nämlich wie ein Verrückter." sagte er ernst und sah mich streng an. 

Ich verdrehte genervt die Augen und schüttelte den Kopf. "Ach, hör doch auf. Ich träume eben!" sagte ich zu meiner Verteidigung und Niall nickte. "Vielleicht, vielleicht auch nicht." antwortete er mir schulterzuckend und wir gingen in die Umkleide und zogen uns um. Ich zog mir meinen übergroßen Hoodie über und sah auf die Uhr. "Im Übrigen hatte ich recht mit meiner Vermutung. Das Zentrum hat mich angerufen." Ich sah zu Niall. "Ich muss heute noch da hin, jemanden betreuen." 
Niall sah mich an, während er seine Jacke anzog. "Hat das mit dem Angriff letztens zutun?" fragte er mich, woraufhin ich bestätigend nickte. Wir gingen nach draußen und ich sah noch einmal zu ihm. "Ich hoffe, es ist nicht ganz so schlimm und ich kann überhaupt irgendwie helfen." sagte ich nachdenklich, Niall klopfte mir auf die Schulter. "Du bist ein Heiliger, natürlich kannst du helfen!" sagte er lachend und ich musste ebenso lachen, dann verabschiedeten wir uns voneinander und ich machte mich auf den Weg zum Zentrum. 

Viele Informationen hatten sie mir noch nicht gegeben, nur dass ich 18 Uhr einen Termin hatte. Ich war schon sehr gespannt, auch wenn solche Termine auch immer ein befangenes Gefühl in mir auslösten. Die Menschen, die ich traf, waren meist traurig oder frustriert. Traumatisiert. Mich rief man gern an dafür, weil ich grundsätzlich eine positive Ausstrahlung hatte, so sagte man es zumindest. Auf dem Weg rief ich meine Mutter an, um zu hören, wie es ihr ging. "Hey, Lou! Schön dass du dich meldest! Wie geht's dir?" fragte sie zur Begrüßung. "Mir geht es gut, hey Mom! Und dir?" Sie sprach über ihren Arbeitstag im Krankenhaus und ich hörte ihr aufmerksam zu. "Kommst du Sonntag zum Essen?" fragte sie mich zum Abschluss ihrer Ausführungen und ich nickte, auch wenn sie es nicht sehen könnte. "Klar, wie immer, Mom. Ich gehe jetzt zum Zentrum, es gibt einen neuen Auftrag für mich." 
"Ach herrje!" rief sie aus. "Wir haben einen Soldaten von denen bei uns auf Station, habe ich dir das erzählt?" fragte sie und ich runzelte die Stirn. "Nein, hast du nicht. Aus dem Stützpunkt?" hakte ich nach. 

"Ja! Er ist schwer verletzt letzte Woche eingeflogen worden. Seine halbe Truppe wurde getötet. Ich bin froh, dass es mit ihm bergauf geht, es ist so schrecklich. Er sah furchtbar aus!" erzählte sie und ich seufzte. "Das ist schlimm..." murmelte ich. Meine Mom war Krankenschwester, sie erzählte oft von schlimmen Dingen, doch Soldaten hatte sie nur selten. Die meisten kamen bereits versorgt wieder nach Hause, sollte ihnen etwas geschehen sein. Als ich mein Ziel erreichte, verabschiedete ich mich von Mom und ging hinein. Am Empfang saß Marjorie, eine ältere Dame, die mit dicker Hornbrille vor einem Computer saß und grundsätzlich immer frisch gebackene Brownies auf die Theke stellte. Ich mochte Marjorie, sie war ein bisschen verrückt, aber sehr herzlich. Ich begrüßte sie herzlich.
Marjorie strahlte mich an und hielt mir den Teller mit den Brownies hin. "Endlich seh ich dich mal wieder!" rief sie aus. "Wie läuft es in der Praxis?" Sie sah mich neugierig an. "Es läuft gut. Ich habe jetzt eine Pflegekatze!" sagte ich lachend und sie lächelte und nickte. "Iss einen Brownie, dann geh hinter. Dein Termin ist bereits da! Raum 4!" 

Dankbar aß ich den Brownie in einem Stück auf, lief nach hinten und klopfte, ehe ich den Raum betrat. Vor mir am Tisch saß eine junge Frau mit braunen, langen Haaren. Sie lächelte mich leicht an und als ich in ihre Augen sah, stockte ich ein wenig. Sie erinnerten mich an etwas. Ich lächelte sie an. "Hallo, ich bin Louis." 
Sie stand auf und gab mir die Hand. "Gemma Styles, hallo. Danke für den kurzfristigen Termin!" sagte sie. "Dafür sind wir da." erwiderte ich und deutete ihr an, dass sie sich wieder setzen sollte. Sie tat es und ich setzte mich ihr gegenüber. "Wie kann ich denn helfen?" fragte ich sie, bemühte mich dabei, möglichst freundlich zu lächeln und offen ihr gegenüber zu sein, damit sie Sicherheit bekam. Doch Gemma schien kein bisschen unsicher zu sein. 

"Mein Bruder wurde aus dem Kriegsgebiet wieder heim geholt, er war stark verwundet. Er ist Captain, hat seine eigene Truppe geführt, im Irak." begann sie und ich nickte. "Er wurde so schwer verletzt, dass er hergebracht werden musste. Morgen wird er aus dem Krankenhaus entlassen und ich mache mir Sorgen, wie die Zeit werden wird, es geht ihm nicht sonderlich gut. Daher habe ich mich an euch gewendet. Ich brauche ein paar Tipps." 
Ich nickte verstehend. "Inwiefern geht es ihm nicht gut? Körperlich? Die Armee stellt nämlich Pfleger zur Verfügung, für solche Fälle." antwortete ich ihr, sie schüttelte den Kopf. "Körperlich ist er schon wieder ganz in Ordnung. Es ist eher...er spricht nicht mit mir, er schläft ständig. Er will nicht über den Irak reden, schon gar nicht, was an dem Tag passiert ist, als er verwundet wurde." Gemma seufzte und sah mich nun doch ein bisschen unsicher an. "Mit einem Psychologen möchte er schon gar nicht sprechen." 

Ich nickte. "Das wäre mein nächster Vorschlag gewesen." bemerkte ich, atmete tief durch. "Also, hin und wieder ist das normal, wenn ein Soldat sich abschottet. Solche Erfahrungen machen viele gern mit sich selbst aus, bevor sie sich anderen öffnen. Wie lange ist er denn schon wieder hier?" fragte ich sie. "Eine Woche." 
Ich sah sie kurz überrascht an. Es musste sich um den Soldaten handeln, der auf Mom's Station lag. Etwas anderes konnte ich mir nicht vorstellen. "Eine Woche ist keine lange Zeit." sagte ich und sah Gemma sanft an. "Vermutlich braucht er noch ein bisschen, um sich an die neue Situation zu gewöhnen, jetzt wo er wieder daheim ist." gab ich zu Bedenken, denn Ungeduld brachte in solchen Situation rein gar nichts. Traumatisierte Menschen brauchten Zeit und Unterstützung, keinen Druck. 

"Du verstehst das nicht." sagte sie, beugte sich ein wenig vor und sah mich ernst an. "Er hat...er redet komisches Zeug." fügte sie ein wenig leiser hinzu, als hätte sie Angst, uns könnte jemand hören. Ich zog die Augenbrauen zusammen und sag sie fragend an. "Was soll das bedeuten?" fragte ich sie. 
Gemma seufzte leise. "Das...es wird komisch klingen. Er redet von einem Geist, der ihn besucht. Nachts besucht." Sie schüttelte leicht den Kopf, ich konnte ihr die Überforderung deutlich ansehen. "Ein Geist?" fragte ich sie, Gemma nickte. "Er redet davon, dass ihn im Irak jemand geholfen hat, den Angriff zu überleben. Irgendjemand hätte ihn geführt. Es macht mir ein wenig Angst, um ehrlich zu sein. Er scheint verwirrt zu sein." Gemma's Augen waren voller Sorge. Ich kannte sie nicht, doch sie kam mir dennoch so bekannt vor. Es war sonderbar. Die Geschichte ihres Bruders war seltsam, doch es erinnerte mich an meine Träume. Anscheinend war der Typ genauso verrückt wie ich.

"Vermutlich hat er einfach nur Träume. Sein Trauma lässt ihn vielleicht denken, es ist ein Geist? Es klingt jedenfalls so, als sollte er mit einem Psychologen reden." Ich stand auf und suchte aus der Kommode ein paar Broschüren von Praxen heraus, gab sie ihr. Gemma nahm sie dankend entgegen und steckte sie in ihre Handtasche, dann sah sie mich erneut an. "Ich...hatte eigentlich gehofft, dass jemand mit ihm sprechen könnte. Jemand, der sich mit so etwas auskennt, ihn vielleicht zur Vernunft bringen kann. Ihn davon überzeugt, sich jemandem anzuvertrauen." sprach sie leise. Ich nickte. "Eine gute Idee. Wir haben ein, zwei Psychologen, ich kann den Kontakt herstellen." antwortete ich ihr. 
Gemma schüttelte den Kopf. "Ich will keinen Fremden an ihn heranlassen." Nun war ich verwirrt. "Meinst du mich?" fragte ich daher und sie nickte sofort.

Ich lachte leise auf. "Gemma, wir sind genau genommen Fremde." sagte ich und sie seufzte und sah mich eindringlich an. "Bitte! Wir haben wenigstens schon miteinander gesprochen. Ich vertraue dir!" sagte sie flehend. Ich musterte sie einen Moment und dann seufzte ich auf, sah aus dem Fenster und nickte schließlich. 
"Von mir aus." sagte ich, ehe ich sie wieder anschaute. "Ich kann morgen früh zum Krankenhaus kommen und mal mit ihm sprechen. Aber ich kann dir nichts versprechen. Wenn er keine Hilfe will, kann ich nichts ausrichten." 
Gemma nickte sofort und strahlte mich an. "Vielen Dank! Das gibt mir ein wenig Hoffnung." Sie stand auf und schulterte ihre Handtasche, sah noch einmal zu mir, ihr Blick wurde traurig. "Danke, wirklich. Es ist nämlich so...Harry will zurück in den Irak. Und ich kann das nicht zulassen. Ich kann ihn nicht verlieren." 

Fateful Dreams | Larry StylinsonWhere stories live. Discover now