1. Kentin

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„Verpiss dich, du Schwuchtel!"
Genervt stieß ich den blauhaarigen Typen zur Seite.
Ich war ein Jahr auf einer Militärschule und seit ich wieder an meiner alten Penne war, hatte dieser Freak nichts Besseres zu tun, als mir auf die Eier zu gehen.
Ich kannte ihn noch aus der Zeit, bevor ich wegging.
Er kam kurz vor den Halbjahresferien in die Klasse und ich wechselte danach auf die Akademie, die mein Vater ausgesucht hatte. Weil ich ihm zu weich war.
Vielen Dank, Papa. Das waren die besten elf Monate meines Lebens.
Wichser!
„Hey, kein Grund, gleich beleidigend zu werden. Ich hab doch gar nichts gemacht."
„Du stehst mir im Licht und das reicht."
Ich schob ihn an der Schulter weg und ging, ohne mich nochmal umzudrehen.

Alles hier nervte mich.
Bevor ich wegging, war ich klein, schüchtern, eine Brillenschlange, wie meine ganzen Mitschüler nie müde wurden, zu betonen und jeder hackte auf mir herum.
Ich wurde herumgeschubst und fertiggemacht und sogar mal verprügelt, weil ich wegen dem Mobbing geheult hatte.
Was das betraf, war es vielleicht gut, dass ich auf der Akademie gedrillt wurde.
Ich würde nie wieder zulassen, dass mich jemand herumschubste und klein machte.
Nie wieder.
Ich war stärker und mutiger als früher und wenn mich jemand anmachte, konnte ich mich zur Wehr setzen.
Ich hasste diese Schule. Alles hier.
Die verwöhnten Kids mit den reichen Eltern, die glaubten, sich alles erlauben zu können, wie das blonde Gift in Form von der Schwester unseres Schulsprechers, Amber.
Sie hatte mir in der Zeit vor der Akademie regelmäßig mein Essensgeld abgenommen und ihr Bruder Nathaniel, der in Ordnung war, war allerdings nicht in der Lage, sie davon abzuhalten. Denn im Grunde war er genauso ein Loser wie ich, den niemand wirklich ernst nahm.
Andere wiederum, wie der Arsch Castiel, machten sich einen Spaß daraus, mich einfach mal zu schubsen, mir meine Sachen aus den Armen zu schlagen oder mir einen blöden Spruch zu geben.
Es war echt beschissen.
Komischerweise war außer meiner alten Schulfreundin aus der Grundschule MariJo eben nur dieser blauhaarige Freak nett zu mir.
Und ich verstand erst gar nicht, warum das so war. Bis ich mitbekam, dass er auf Jungs stand.
Ok, ich bin nicht so blöd, zu denken, dass er etwas von mir gewollt haben könnte, aber ich fühlte mich trotzdem... sonderbar.
Ich saß in Kunst neben ihm damals und er ärgerte mich immer etwas, was mich aber zum Lachen brachte, weil ich spürte, dass er es, im Gegensatz zu den anderen, nicht böse meinte.
Ich mochte ihn. Eigentlich.

Aber ich wollte nichts dergleichen.
Ich hatte mir geschworen, wenn ich auf die Amoris zurückkehre, niemanden mehr an mich heranzulassen.
Ich hatte einfach keinen Bock mehr auf diese ganze oberflächliche Scheiße und wenn ich keine Freunde finden konnte, denen es um wichtigere Dinge als mein Aussehen oder so ging, dann wollte ich lieber gar keine Freunde haben.
An meinem ersten Tag nach der Akademie traf ich in der Schule als erstes auf Amber, die mich scheinbar auf Anhieb geil fand und mit mir rumknutschte, ohne zu wissen, wer ich war. Als sie es erfuhr, verlor sie alle Farbe in ihrem Gesicht und ich ließ mal einen gemeinen Spruch bei ihr, wie sie es immer mit mir getan hatte.
Selbst MariJo hatte mich anfangs nicht erkannt.
Klar, meine peinliche Brille war weg, meine dumme Frisur war etwas Besserem gewichen und ich war in der Zeit ein ganzes Ende gewachsen.
Irgendwie war ich gekränkt, dass sie mich nicht erkannte. Sie hatte mir in den elf Monaten meiner „Gefangenschaft" regelmäßig geschrieben, aber ich war trotzdem angefressen.
Mittlerweile war ich aber darüber hinweg und wir waren nach wie vor Freunde.

Aber Alexy... ich weiß es nicht, wirklich.
Er hatte sich nie irgendwas anmerken lassen, aber ich glaubte, dass er scharf auf mich war. Sicherlich aber auch erst, als ich zurückkam und besser aussah als vorher.
Ich war genau das, auf das er stand, wie er mir mal gesteckt hatte.
Er stand auf Muckis und Sixpack und die elf Monate Tortur hatten dazu geführt, dass ich beides mittlerweile hatte.
Ich bemerkte seine Blicke, seit ich wieder da war.
Und das nervte mich.
Was bildete sich dieser Schlumpf für Anfänger eigentlich ein, mich zu begaffen? War ich eine Schwuchtel oder was?
Als ob ich einer von denen wäre, die sich von anderen Kerlen bespringen lassen würden...
Er sah doch gut genug aus, um sich an einen anderen ranzuschmeißen, warum nervte er mich mit dem Scheiß?
Wahrscheinlich war Alexy der einzige Schwule an der Amoris, aber das machte es nicht besser, dass ich die nervigen kleinen Herzchen oder mich ausziehenden Blicke in meinem Nacken spürte.
Irgendwie... widerte mich der Gedanke an, dass er es liebte, andere Jungen zu küssen oder... eben das mit ihnen zu tun.
Das war doch nicht normal!
Wie konnte ein Mann Sex mit einem Mann haben wollen?
Schnaufend setzte ich mich im Klassenzimmer auf meinen Stuhl und schmiss meinen Rucksack auf den Tisch. Bilder krochen in meinen Kopf.
Bilder, die mich verstörten. Die mich wütend machten, weil sie mich beunruhigten, auf eine kribbelnde Art und Weise.
Die Vorstellung, wie Alexy wohl aussehen mochte, wenn er... so etwas tat. Ob er eher aktiv oder passiv war...
Ich drückte die Fäuste auf meine Augen und flackernde Blitze blendeten mich.
„Hast du Kopfweh oder stehst du auf Schmerzen?"
Ich hob den Kopf, als meine Schulfreundin und Banknachbarin MariJo neben mir auf den Stuhl fiel und ihr feuerrotes Haar nach hinten warf.
„Weder noch. Ich hab an was dummes gedacht und Kopfkino."
Sie grinste und nickte.
Sie war es, die mich darauf aufmerksam gemacht hatte, dass Alexy Interesse an mir zu haben schien und suchte nun unentwegt nach Anzeichen bei mir, dass ich ebenso fühlte.
Aber ich war keine verdammte Schwuchtel!!!!
Der Unterricht begann und ich verfolgte das Ticken der Uhr, unfähig, die quälenden Bilder in meinem Kopf abzustellen.

Lieb' mich nicht! [AS]Where stories live. Discover now