23. Kentin (Epilog)

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Die Wochen vergingen, der Winter kam und ich lebte noch immer bei den Bergmanns. Ich hatte mich sehr gut eingelebt, nannte Sebastian und Bettina, Alexys Eltern, mittlerweile beim Vornamen und ich fühlte mich zum ersten Mal irgendwo wirklich willkommen.
Das Gästezimmer, in das ich anfangs einquartiert wurde und das eigentlich Alexys Zimmer werden sollte, war nun meins und ich durfte es so gestalten, wie es mir gefiel. Alexy und ich hatten die Wände bunt gestrichen und wir hatten kurz nach meinem Einzug meine persönlichen Sachen aus dem Haus meiner Eltern abgeholt. Mein Vater hatte mich an diesem Tag mit kalter Missachtung gestraft – zumindest meinte er, mich damit zu strafen. Ich war froh, dass er nicht wieder anfing zu stänkern.
Ich fühlte mich zuhause bei den Bergmanns, ich verstand mich super mit Armin, der froh war, endlich einen neuen Gegner zum Wii-Zocken zu haben, half Bettina sehr gern beim Kochen und konnte mit Sebastian über das Militär diskutieren.
Doch logischerweise verbrachte ich am liebsten Zeit mit Alexy. Da ich sein Zimmer bekommen hatte, schlief er nachts bei mir. Im Grunde war es nun unser  Zimmer. Wir hatten es gemeinsam gestaltet und das Bett darin war groß genug für uns beide.
Seine Eltern hatten nach Rücksprache mit dem Jugendamt erreicht, dass sie eine Pflegschaft für mich antreten konnten, was bedeutete, dass ich offiziell als Pflegekind bei den Bergmanns lebte und mein Kindergeld nun direkt an mich ging. Ich lag den Bergmanns nicht mehr auf der Tasche, was mich ungemein erleichterte.
Generell hatte sich mein Leben verändert. Ich war endlich glücklich und konnte so sein wie ich wollte. In der Schule waren Alexy und ich nun auch offiziell ein Paar und es machte keinem von uns mehr etwas aus, sich mitten auf dem Schulhof zu küssen. Nein, im Gegenteil. Ich genoß es, mein Glück allen zeigen zu können. 

MariJo freute sich mit uns, denn auch sie war noch immer glücklich mit Castiel, der zugänglicher und netter zu werden schien mit jedem Tag, den er mit ihr verbrachte.

Armin hatte die Kurve bekommen und begonnen, mit Viola auszugehen. Noch waren sie kein Paar, aber es war sicher nur noch eine Frage der Zeit, denn immer, wenn er sie sah oder nur ihren Namen hörte, begann er zu lächeln.
Doch die wohl größte Veränderung hatte meine Mutter durchgemacht. Denn sie hatte, nach 18 Jahren, die Scheidung von meinem Vater eingereicht und lebte nun allein in meinem Elternhaus. Für sie war das Maß voll, als mein Vater nur mit einem Schulterzucken hinnahm, dass man ihr Sorgerecht für mich einfror, als die Bergmanns die Pflegschaft für mich übernahmen. Sie konnte und wollte nicht einfach hinnehmen, dass er wortlos zuließ, dass man ihr ihren Sohn wegnahm.
Mein Vater war ausgezogen und lebte nun in einer kleinen Junggesellenwohnung, wie ich gehört hatte. Er zeigte seinen guten Willen, indem er von seiner stattlichen Militärpension ihren Unterhalt zahlte und sogar mich mit einem kleinen Betrag unterstützte. Ich vermute, dass er dadurch hoffte, dass sie ihn zurücknahm.
Warum ich nicht zu meiner Mutter zurückgezogen bin?
Weil ich es einfach nicht kann.
Für mich war zu viel passiert, meine Mutter hatte zuviel zugelassen, hatte meinen Vater nie zurückgehalten, wenn er mich verbal quälte oder niedermachte. Ebenso gut hätte sie tatkräftig mitmachen können. Ich mache da keinen Unterschied.
Ich liebe sie nach wie vor, immerhin ist sie meine Mutter. Aber ich kann nicht so tun, als wäre sie gänzlich unschuldig an dem Martyrium meiner Kindheit. Aber unser Verhältnis hatte sich gebessert. Besonders, weil sie meine Beziehung zu Alexy mittlerweile akzeptiert hatte. Sie mochte ihn und er mochte sie. Er war in der Lage, seinen ersten Eindruck von ihr zu revidieren und ich war froh, dass meine Mutter nach so vielen Jahren doch noch anfing, ein eigenes Leben zu leben, nachdem mein Vater sie so lange klein gehalten hatte.
Vielleicht gibt es eine höhere Macht, die dazu geführt hatte, dass sich mein Leben in diese Richtung entwickelt hatte, vielleicht war es Schicksal, vielleicht aber auch nur Zufall, doch ich sehe, dass alles, was sich in den letzten Wochen in meinem Leben ereignet hatte, auf einen Punkt zurückzuführen war:
Alexy!
Wäre er vor anderthalb Jahren nicht an die Amoris gekommen wäre, hätte ich ihn nicht kennengelernt. Er hätte sich nicht in mich verliebt. Mich nicht dazu gebracht, ihn zu lieben. Und nichts von dem, was bisher geschehen war, wäre passiert. Ich stünde noch immer unter der Fuchtel meines autoritären Vaters, ich würde noch immer mit meiner Sexualität hadern, wäre noch immer ein kratzbürstiger Arsch, den alle für arrogant hielten und ich hätte die schönsten Wochen meines Lebens nicht erlebt.
Ich wollte anfangs nicht, dass Alexy mich liebt. Er tat es trotzdem.
Er machte mir sich und seine Liebe zum Geschenk, ohne jemals eine Gegenleistung zu verlangen und dies hatte mir geholfen, aus einem Teufelskreis auszubrechen, der mich über kurz oder lang kaputt gemacht hätte.
Mein Universum steigt und fällt durch etwas so Kleines und zugleich Wunderbares wie eine Blaubeere und ich werde alles geben, um mir diese zu erhalten, solange ich kann.


~ ENDE ~

Lieb' mich nicht! [AS]Where stories live. Discover now