12. Alexy

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Er dampfte einfach ab, natürlich nicht ohne Spruch.
Aber gut, das war ich gewöhnt und vielleicht hatte er Recht. Schließlich trug ich Lippenstift. Der nach Erdbeeren schmeckte.
„Mach dir nichts draus, Alexy. Du siehst toll aus... jetzt weiß ich wieder, warum ich Angst habe vor Clowns."
Ich lachte.
„Eigentlich wollte ich ein richtig krasses buntes Kostüm, aber das wäre nicht gruselig genug gewesen. Auf einem bunten Overall wäre das Blut nicht aufgefallen und es hätte zu neu gewirkt. Ist das hier nicht gut?"
Ich stand auf und drehte mich im Kreis.
Das Kostüm war verwaschen weiß mit verblassten bunten Tupfen, auf dem nun glänzende, noch feuchte rote Spritzer zu sehen waren.
Als hätte ich gerade jemanden abgeschlachtet und wäre mit arteriellem Blut besudelt worden.
„Du siehst echt toll aus. Wie der von ‚ES' und trotzdem anders."
„Pass auf." Ich zog die Zipfelmütze aus meinem Rucksack und zog sie mir auf den Kopf. Dann nahm ich eine kleine Axt aus der Tasche, die an der, natürlich stumpfen, Klinge ebenfalls mit der roten Farbe beschmiert war.
MariJo lachte.
„Echt toll. Ich hab Schiss und bin froh, dass du mein Freund bist..."
„Und wen hast du vor, mit deinem knappen Fähnchen zu verführen?"
Ihre Wangen wurden rot, das fand ich süß.
Eigentlich wusste ich, auf wen sie stand und konnte mir demnach denken, wenn sie becircen wollte. Ich blickte mich um und entdeckte das Objekt ihrer Sehnsucht in einer Ecke neben jemandem, der wie ein Skelett aussah.
Überrascht stellte ich fest, dass es Lysander war.
Castiel saß da, überheblich und arrogant wie immer, weil er wusste, wie verdammt gut er aussah. Er trug einen weißen Anzug, ein weißes Netzshirt und seine feuerroten Haare hatte er nach hinten gegelt, ein äußerst seltener Anblick für den ewig etwas zerzausten Rocker.
Er hatte eine Art Haarreifen auf dem Kopf, mit kleinen Hörnern dran.
Ich schätzte, sein Kostüm sollte eine eigensinnige Version des Teufels sein. Ziemlich gelungen.
Ich begann zu grinsen, als ich feststellte, dass Castiel an seiner Hose sogar einen Teufelsschwanz befestigt hatte.
„Oh bitte, Alexy, mach keine Scherze und sag nichts zu ihm, ok?"
MariJos braune Augen bohrten sich förmlich in mich.
„Ja ja ok. Ich sag nichts. Ist deine Sache, wenn du nur aus der Ferne schmachten willst."
„Mit dem Schmachten aus der Ferne kennst du dich ja bestens aus."
Ich nickte.
„Alex, kannst du mir auf dem Klo schnell mit meinem Kostüm helfen?"
Die Stimme meines Bruders drang in mein Ohr.
„Hast du dein Level fertig, ja? Dann lass uns gehen, damit du endlich nicht mehr wie ein Zocker aussiehst."
MariJo sah uns an.
„Brauchst du auch ein Horror-Make up?"
Armin sah sie an und ich konnte genau sehen, wie seine Augen eine Sekunde zu lang auf ihrem Ausschnitt liegen blieben. Er wurde rot und schluckte.
„Äh, nein... ich bin ein Assassine... ich will kein besonderes Monster sein... d-danke trotzdem."
Sie grinste.
„Ok... dann ist jemand anders dran."
Ich zog Armin mit mir auf eine der Jungentoiletten, er klammerte sich förmlich an die kleine Sporttasche, in der das gute Kostüm verstaut war.
Nachdem er sich in einer der Kabinen umgezogen hatte, schloss ich den Reißverschluss am Nacken des Mantels und half ihm dabei, den komplizierten Gürtel zu befestigen.
„Willst du MariJo nicht sagen, dass du sie magst?"
Mein Bruder wurde rot wie eine Tomate.
„Was... was redest du denn da? Das... das ist Schwachsinn."
Ich lachte.
„Nein... und auf ihre Titten geglotzt hast du auch nicht, is' klar!"
Er zupfte an der Kapuze herum und vermied es, mir in die Augen zu sehen.
„Quatsch nicht... als ob ich eine Alternative zu Castiel wäre... vergiss es einfach."
„Das weißt du erst, wenn du es versuchst."
Er sah mich genervt an.
„Hör zu... kümmer du dich doch einfach um deinen Ken und lass mich in Ruhe damit!"
Ich kannte Armin gut.
Er war zu schüchtern, um seinen Arsch hochzukriegen und hatte zuviel Angst vor einer Abfuhr. Deswegen wollte er es gar nicht erst versuchen, obwohl ich wusste, dass MariJo ihn mochte. Klar stand sie auf Castiel, aber der war so selbstverliebt, dass er andere Mädchen gar nicht bemerkte. Wer also konnte Armin sagen, ob sie nicht vielleicht lieber ihn als Freund haben wollte. Mal abgesehen von seiner Zockerei war er ein lieber und netter Kerl und doof war er auch nicht.
„Hm... dann bleib Jungfrau."
Ich schlug ihm auf die Schulter und ließ ihn vor dem Spiegel stehen.
Sollte er doch allein damit klarkommen, dass er in eine meiner Freundinnen verknallt war. Wenn er keine Hilfe und keinen Rat wollte, bitte.
Ich lief durch die Flure und sah in alle Klassenzimmer hinein.
Es waren wirklich tolle Kostüme darunter.
Gruselige und blutige. Einer von denen hatte sogar eine Axtattrappe am Kopf. Echt Horror.
Düstere Musik hallte durch die Gänge und das Licht flackerte hier und da.
Ich entdeckte Kentin in einem Klassenraum, sich an einem Buffet umsehend. Er hatte ein komisches Plastikgewehr auf dem Rücken und er sah durch MariJos Horror-Makeup noch besser als sonst aus.
Ich verkniff mir ein Seufzen und ging weiter.
Ich hatte zu ihm gesagt, ich würde ihn in Ruhe lassen und ich hatte nicht vor, mich wieder zum Affen zu machen.
Ich wollte ihn, nach wie vor, aber er hatte klargemacht, dass er kein Interesse hatte.
Obwohl es ihm gefiel.
Er hatte mich geküsst und er ist voll drauf eingestiegen.
Obwohl er nichts gesagt hatte, ahnte ich, dass es andere Gründe hatte, dass er mich nicht in seiner Nähe haben wollte.
Er wirkte hin- und hergerissen.
„Du siehst noch schwuler als sonst aus, du Tucke!" hörte ich plötzlich irgendwelche Jungs hinter mir herrufen.
Beim Zurückblicken stellte ich fest, dass ich diese Typen nicht mal kannte. Sie mussten aus dem Abschlussjahrgang sein.
Wie ich das liebte.
Angemacht zu werden von Leuten, die wahrscheinlich nicht mal wussten, wie ich heiße, aber bekunden mussten, dass sie ein Problem mit meiner Sexualität hatten.
Als ob sie das etwas anginge.
Ich machte nur eine wegwerfende Handbewegung und ging weiter.
Ich wollte mich nicht weiter darauf einlassen.
Hämisches Lachen folgte mir, als ich wieder in unser Klassenzimmer ging und mich seufzend auf einen Stuhl fallen ließ.
MariJo saß da in ihrem sexy Hexenkostüm und zu meiner Überraschung saß mein Bruder daneben und unterhielt sich mit ihr.
Ja, sie redeten miteinander.
Obwohl Armin normalerweise zocken würde, egal wie sehr um ihn herum der Bär steppte.
Ich grinste, denn seine Wangen waren roter als üblich.
Mir war die Lust an diesem Nachmittag irgendwie vergangen und ich hätte gern etwas anderes gemacht.
Etwas gespielt oder getanzt oder mich nur mit jemandem unterhalten.
Aber außer MariJo war niemand von meinen Freundinnen im Zimmer und ich wollte mich nicht in die flirtende Unterhaltung von Armin einmischen.
Vielleicht konnte er sie ja von sich überzeugen und dann hätte er endlich eine Freundin, könnte poppen und würde aufhören, mich deswegen zu nerven!
Ich lehnte mich halb über die Stuhllehne und seufzte.
Mir war langweilig.
Ich zog mir irgendwann die Kopfhörer auf die Ohren und verträumte die Zeit.

Lieb' mich nicht! [AS]Where stories live. Discover now