16. Alexy

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Wäre ich doch nur im Bett geblieben. Ich hatte schon nach dem Aufstehen so ein komisches Gefühl im Magen, dieses Ziehen, was ich immer hatte, wenn ich mir Sorgen machte. Ich wollte unter keinen Umständen diese Jungs wiedersehen, auch wenn ich vor Kentin und meiner Mutter so stark getan habe.
Ich würde die Verletzungen überleben, die sie mir zugefügt haben, aber die Angst blieb trotzdem.
Armin hatte mich am Sonntag wachgerüttelt, weil ich mich so umhergewälzt hatte, dass er davon wach geworden war.
Anschließend hat er mich solange gelöchert, bis ich ihm erzählt hatte, was nach der Faschingsparty passiert war.
Er war stinksauer und wütend auf sich selbst, dass er nicht auch da war, um mir zu helfen, aber er war Kentin dankbar, dass er es war. Er grinste, als ich ihm erzählte, dass wir einander in der Nacht anschließend sehr nahe gekommen waren.
„Er ist also jetzt dein Freund?"
Ich lächelte leicht und nickte.
„Ja... ich denke schon... also ich würde das sagen, nachdem ich mit jemandem Sex hatte..."
„Ok... zuviel Info, Kumpel. Aber das mit den Jungs ist echt scheiße... ich bin auch der Meinung, dass du das melden sollst."
Ich seufzte.
„Nein... ich will das nicht, ok? Es sind nur noch ein paar Monate, bis die von der Schule weg sind..."
„In der Zeit könnten sie dich totschlagen!"
Ich sah Armin zweifelnd an und rollte mit den Augen. Er nervte mich genauso wie meine Eltern und Kentin. Ich wusste, sie meinten es gut, aber ich wollte es einfach nicht!

Montagmorgen saß Armin kreidebleich am Küchentisch. Er musste an diesem Morgen zum Zahnarzt und er hasste das, seit wir mit 13 unsere Zahnspangen losgeworden waren. Das Schleifen tat ihm so weh, dass er seitdem Angst allein schon vor diesem Stuhl hatte. Von dem Geruch wurde ihm schlecht und er machte einen weiten Bogen um Zahnarztpraxen.
Ich musste also allein in die Schule fahren.
Irgendwie freute mich das sogar, denn dann würde ich Kentin einen Platz freihalten können. Ich hatte ihn nur einen Tag nicht gesehen und ihn doch total vermisst. Ich träumte von ihm und hatte Kopfkino in jeder Sekunde, in der ich mich nicht auf irgendwas konzentrierte.
Meine Mutter stupste mir beim Abendessen gegen den Kopf und sagte, ich solle aufhören, in mein Essen zu sabbern. Aber ich konnte es nicht ändern... Kentins toller trainierter Körper war in jeder wundervollen Einzelheit vor meinem geistigen Auge gespeichert und egal, welchen Teil ich sehen wollte, ich konnte es in meinem Kopf abrufen.
„Armin, mach nicht so ein Gesicht. Ein Zahnarzt bringt dich nicht um."
„Lass mich..."
Ich lachte in meinen Kakao und Armin stocherte in seinen Cornflakes. Meine Mutter schmiss mich 20 Minuten später raus und zerrte Armin ins Auto. Er jammerte und ich ging lachend zur Bushaltestelle.
Mit kribbeliger Freude sah ich Kentin an seiner Haltestelle stehen und sein Lächeln ließ mein Herz schneller schlagen, als er mich entdeckte und neben mir Platz nahm.
Er roch so verdammt gut und ich hätte ihn am liebsten gleich hier auf dem Sitz vernascht.

Der Tag zog sich wie Kaugummi, der Biolehrer musste mal wieder einen Spruch über Schwule lassen und ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, mich verstecken zu müssen. Ich war froh, wenn ich wieder zuhause war oder ich mit Kentin allein sein konnte.
In der großen Pause genossen wir die helle Herbstsonne, als MariJo mir und Kentin das Herz ausschüttete.
Sie war wirklich total in Castiel verknallt, doch er bemerkte nicht mal, das sie da war, wenn sie nicht gerade mit ihm sprach. Er machte sie schlecht, anstatt ihr zu sagen, dass er eventuell kein Interesse an ihr hatte. Und obwohl er fiese Sachen zu ihr sagte, hatte er ihr in ihrem Faschingskostüm ständig nachgesehen. Mal auf ihre Möpse geglotzt, mal auf ihren Hintern, mal auf ihre unverschämt langen Beine.
Doch wenn er sie nur würde nageln wollen, würde er sich nicht so zurückhalten.
Meiner Meinung nach hatte sie eindeutig Chancen bei ihm. Castiel war ein Typ, der auch ein bisschen erobert werden wollte.
Allerdings hatte ich immer noch im Hinterkopf, dass mein Bruder ebenfalls in MariJo verknallt war und ich es eigentlich meiner Loyalität schuldig war, mich für ihn einzusetzen.
Doch was Castiel zu viel machte, nämlich mit MariJo reden, wenn auch die meiste Zeit Gemeinheiten, das machte Armin zu wenig.
Er hatte am Freitag etwa eine Stunde mit ihr erzählt und danach etwas mit ihr getanzt. Zugegeben, er war mutig und hatte immer wieder versucht, sie anzufassen, was ihr zu gefallen schien, aber wenn er MariJo haben wollte, musste er nachlegen.
Doch bis jetzt war er ja noch nicht mal in der Schule!
Jedenfalls war MariJo so fertig, dass sie fast anfing, zu weinen wegen dem rothaarigen Eisklotz und Kentin reagierte eifersüchtig, als ich sagte, dass er gut aussah.
Das brachte mein Herz zum Hüpfen und sorgte für ein warmes Gefühl in meiner Brust. Sein Blick war so unheimlich süß und ich hätte ihn in diesem Moment so verdammt gern geküsst, doch das ging nicht.
Nicht hier auf dem Schulhof.
Wir wollten es ins Heimliche verlegen, damit sein Vater nichts mitbekam.
Die Aufmerksamkeit wich schnell von MariJos Traurigkeit zu einer Gruppe aus drei Jungs, die einige Meter von uns entfernt zum Stehen kamen und uns ansprachen.
Mein Körper versteifte sich, denn das waren die Jungs, die mich zusammengeschlagen hatten.
Sie pöbelten rum und Kentin reagierte, wie ich es befürchtet hatte. Er stellte sich zwischen die Jungs und mich und ließ sich auf die Provokationen ein.
Die Worte gingen hin und her und plötzlich holte Kentin aus und schlug dem Typen, der mir am Freitag in den Bauch getreten hatte, mit der Faust ins Gesicht.
Sofort sammelten sich die glotzgeilen Schüler um die beiden Jungen, die von einer Sekunde auf die andere in eine Klopperei verwickelt waren.
MariJo schrie auf und ich versuchte ebenfalls, Kentin davon abzuhalten, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Ich wollte nicht, dass er sich wegen mir in Schwierigkeiten brachte, die er zweifellos haben würde, sobald die Lehrer etwas von der Schlägerei mitbekamen.
Ich entdeckte auch Castiel und Lysander in der Gruppe und der Rothaarige warf mir einen Blick zu. MariJo heulte bereits, denn sie konnte nicht mitansehen, wie einer ihrer Freunde sich schlug und vielleicht noch verletzt wurde. Immer wieder rief sie, dass aufhören sollten. Ich konnte sehen, dass Kentins Lippe blutete und der andere bereits einen Kratzer im Gesicht hatte.
Es verschaffte mir Genugtuung, dennoch wollte ich nicht, dass mein Freund sich schlug.
Castiel und Lysander tauchten neben mir auf.
„Hey Bergmann, hilf mit. Wenn wir die nicht auseinander kriegen, bekommen wir hier alle gewaltigen Ärger!"
Mittlerweile hatte sich einer der anderen Abiturienten dem Kampf schon fast angeschlossen, was es noch schwerer machte, sie zu trennen. Ich war beeindruckt, wie stark Kentin geworden war, denn wirkliche Schwierigkeiten schien er auch mit zwei Gegnern nicht zu haben.
Aber das musste aufhören!
So versuchten wir, die Jungs zu fassen zu kriegen und auseinander zu ziehen.
Dabei wurde MariJo von dem Zweiten im Bunde, der sich dem Kampf angeschlossen hatte, gestoßen. Sie fiel zu Boden und schürfte sich das Knie auf.
Mich überraschte in dieser Sekunde die Reaktion von Castiel und machte mir einiges klar.
Denn der bemerkte MariJos Sturz, wandte sich zu dem Schubser um und hieb ihm mit den Worten „Schubs noch einmal meine Freundin und ich prügel die Scheiße aus dir raus!" seine Handkante ins Gesicht.
MariJo hatte das garantiert nicht bewusst mitbekommen, denn die Situation war einfach zu durcheinander.
Erst ein lautes „AUSEINANDER HIER!!" unseres bulligen Sportlehrers, der die Pausenaufsicht machte, sorgte letztlich dafür, dass die Streithähne auseinander gingen.
Lysander und ich hielten Kentin fest, während Castiel den Typen am Kragen hatte, der MariJo geschubst hatte. Der „Anführer" der Abiturienten lag am Boden und wusste nicht, wie ihm geschehen war. Seine Nase blutete.
Was ist das hier für ein Affentheater? McCormac, Becker, Sie haben sich geprügelt? Ins Büro der Direktorin, aber zackig. Starck, Poulain, Bergmann, Degenhardt, Schmitz, Sie auch. Aber hopp. Wo gibt es denn das hier... Kindergarten!"
Wir ließen Kentin los und der funkelte den Abiturienten, der Becker mit Nachnamen hieß, immer noch an. Ich drückte ihm ein Taschentuch auf die blutende Lippe und zwang ihn, mich anzusehen statt ihn.
Lysander putzte sich den Staub von seinem vornehmen Mantel und Castiel war neben MariJo in die Knie gegangen, um sich das Knie anzugucken. Ihr Blick lag auf seinem Gesicht, ihre Wangen waren rot und das kam sicher nicht nur von den Tränen. Das Lächeln in seinem Gesicht bestätigte nur, was ich mir schon gedacht hatte.
Er mochte sie und war nur zu stolz oder zu stur oder zu feige, ihr das zu zeigen. Denn er war vielleicht Meister in der Kiste, aber von Gefühlen verstand er nur wenig.
Er half ihr hoch und gemeinsam machten wir uns wie Verurteilte auf, unserer Diktatorin... halt, ich meinte Direktorin gegenüberzutreten.
Der Sportlehrer schob uns in das Büro und die Sekretärin guckte wie ein Auto.
Sieben Schüler, davon zwei mit Blut im Gesicht, standen selten bei ihr auf der Matte.
„Lieschen, die Kids hier haben einen Besuch bei der Direktorin verdient. Die haben auf dem Schulhof eine Schlägerei vom Zaun gebrochen."
Der Blick der Sekretärin ging sonderbarerweise sofort zu Castiel und der erwiderte den Blick mit einem spöttischen Ausdruck.
Normalerweise war es wohl immer er, der hier antreten musste.
„Ich sage Bescheid."
Fünf Minuten später standen wir alle im Büro der Direktorin und mussten uns ein Schreikonzert anhören.
„Es gibt hier keine Schlägereien und ich dulde keine Gewalt. Was war denn so schlimm, dass Sie eine Prügelei vom Zaun gebrochen haben, Kentin?"
Mein Freund biss die Lippen aufeinander und sah mich an.
Mein Herz wurde schwer und ich schluckte.
„Es war wegen mir, Frau Direktorin."
„Wie meinen Sie das, Alexander?"
Ich sah die zwei Abiturienten an, die Gott sei Dank weit genug von mir wegstanden, weil Castiel und Lysander dazwischen standen und straffte meine Schultern.
„Die beiden da haben mich am Freitag nach dem Fasching zusammen mit einem anderen zusammengeschlagen und Kentin hat mir geholfen. Und vorhin haben sie wieder angefangen, mich fertigzumachen und Ken hat mich nur verteidigen wollen."
Die Direktorin stand von ihrem Stuhl auf und sah aus wie ein rosafarbenes Schlachtschiff.
Ist das wahr? Julian? Timo? Haben Sie Alexander verprügelt?"
Die beiden leugneten großkotzig und Kentin wollte schon wieder auf sie losgehen. Ich hielt ihn an der Hand fest und er beruhigte sich.
„Ihr seid zwei feige Lügner! Ihr habt auf Alexy eingeprügelt wie auf einen Mehlsack, zwei von euch Idioten haben ihn festgehalten und du, Julian, hast ihm in den Magen geschlagen. Ich habe es schließlich gesehen und wenn ich nicht dazwischen gegangen wäre, hätte ihr ihn ins Krankenhaus geprügelt. Weicheier seid ihr, das ist alles. Ganz mutig, drei gegen einen!"
Die Direktorin nickte zustimmend.
„Da muss ich Kentin zustimmen. Wenn das wahr ist, war das eine miese Aktion und sehr unrühmlich."
„Sie glauben diesem Heini jetzt?" Julian machte große Augen und sah verwirrt aus.
„Ich hab keinen Grund, ihm nicht zu glauben. Ich kann die Kratzer auf Alexanders Gesicht noch sehen und wenn ich über Ihre Vergangenheit hier an der Schule nachdenke, kommt mir das sehr realistisch vor."
„Das is' jetzt nich Ihr Ernst, oder?"
Julian, nicht in diesem Ton! Ihre Akte enthält einige Eintragungen über Schlägereien und Mobbing und ich lasse mich hier von Ihnen nicht anmotzen."
Julians Blick lag stinksauer auf mir und Kentin schob seine Hand in meine, um mir die Angst zu nehmen.
„Diese zwei dreckigen Schwuchteln haben es doch nicht anders verdient!"
JETZT REICHT ES, JULIAN!! Die Sexualität Ihrer Mitschüler geht Sie gar nichts an und ist noch lange kein Grund, jemanden zu verprügeln. Das wird Konsequenzen für Sie haben, das kann ich Ihnen versprechen. Und Sie, Kentin... für die Prügelei kommt auf Sie auch noch was zu."
Kentin nickte und drückte meine Hand.
„Und Castiel... Sie haben auch zugeschlagen, habe ich gehört?"
Der zuckte mit den Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Hat der doch verdient. Man schlägt auch keine Weiber."
MariJo hatte einen roten Kopf, der ihren Haaren Konkurrenz machte und ich musste schmunzeln. Sie war schon süß, wenn sie so aussah und scheu immer wieder zu Castiel hinsah.
„Mädchen schlagen?" Die Direktorin sah verwirrt aus und Castiel schob die Hände in die Hosentaschen.
„Na der Sack da hat MariJo geschubst, als sie dazwischen gehen wollte und sie hat sich das Knie verletzt..."
Er deutete mit dem Kinn auf den anderen Jungen neben Julian, Timo, der auch kein bisschen Reue zeigte.
Die Direktorin schüttelte den Kopf.
„Kentin, Castiel, Sie zwei werden nachsitzen... den Rest der Woche Und Ihre Eltern werden informiert. Timo, Sie auch, denn es ist echt keine feine Art, jemanden zu schubsen, der nur helfen wollte. Julian, für die Körperverletzung gegen Alexander werde ich gesondert vorgehen."
Ich begann zu zittern, denn ich hatte Angst, was mir jetzt blühte, wenn Julian wegen mir 6 Monate vor seinem Abi noch von der Schule fliegen sollte.
Ich wollte nur noch weg und sah Kentin hilfesuchend an.
Sein Gesicht erschreckte mich allerdings.
Seine Lippen waren verkniffen, seine Stirn krausgezogen und seine Augen wirkten stumpf.
„Raus jetzt mit Ihnen, ich habe zu tun. Denken Sie dran, Nachsitzen. Wegen alles anderem werden Sie von mir hören."
Julian stürzte wutentbrannt nach draußen, Timo wirkte gleichmütig, auch wenn er wegen der Schlägerei gegen mich auch noch etwas abkriegen würde und Castiel sah aus wie immer. Dem machte es nichts aus, nachsitzen zu müssen.
Kentin hielt meine Hand sehr fest, fast tat es weh und er zog mich hinter sich her.
Draußen zog er mich in die Nische zwischen Schulgebäude und Fahrradunterstand und lehnte sich schwer atmend an die Wand.
„Was hast du denn? Nachsitzen ist doch nicht schlimm. Ich bleibe auch da, wenn du willst."
„Das ist es nicht..." stockte er und sah mich fast verzweifelt an.
„Was?"
„Sie informiert meine Eltern!!"
„Oh..."
„Mein Vater kann es nicht leiden, wenn ich Schwierigkeiten habe... er sagt, das wirft ein schlechtes Licht auf ihn... und wenn sie in dem Schreiben oder dem Anruf noch erwähnt, dass ich das gemacht habe, um einen Freund zu verteidigen oder sie darauf hinweist, dass du mein Freund bist, bin ich tot! Ich hab jetzt echt Schiss, nach Hause zu gehen..."
Unwillkürlich musste ich lächeln und er sah mich verwundert an.
„Was ist denn?"
„Du hast gesagt, ich bin dein Freund."
„Äh... ja?" Er sah verwirrt aus und ich konnte mich nicht bremsen.
Ich fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Nur ganz kurz, aber ich brauchte das gerade einfach.
Er hatte sich mal wieder für mich geprügelt, um mich zu verteidigen.
Er war mein Held.
„Alexy!"
Gehetzt sah er sich um und bekam rote Wangen.
„Schon gut, hat keiner gesehen. Danke, dass du das für mich gemacht hast. Schon wieder."
„Das ist doch selbstverständlich. Schließlich... naja... ich mag dich doch."
Seine Wangen waren rot und ich fand ihn noch nie hübscher.
„Es wird schon alles gut werden. Du hast dich sehr männlich und heldenhaft verhalten und du hast die Klopperei gewonnen. Denn selbst, wenn Castiel nicht eingegriffen hätte wegen MariJo, hättest du beide fertig gemacht."
Sein Lächeln war zweifelnd und unsicher.
„Ich hoffe es. Aber wenn ich morgen nicht in die Schule komme, weißt du, was los ist... dann hat mich mein Alter wahrscheinlich eingemauert oder so..."
„Mach mir keine Angst."

Als wir nach dem Unterricht – Armin kam zur 5. Stunde – auf dem Schulhof standen, war ich in Sorge, Kentin allein nach Hause gehen zu lassen. Ich machte mir wirklich Gedanken, ob es so gut war, Kentin allein zu lassen. Die Direktorin hatte seinen Vater noch direkt nach der Unterredung angerufen und er sah wirklich aus, als hätte er Angst.
Während Armin nach der 8. nach Hause ging, blieb ich noch 45 Minuten mit MariJo auf dem Schulhof sitzen. Ich hatte Kentin versprochen, nach seinem Nachsitzen auf ihn zu warten und sie wollte wahrscheinlich einfach Castiel noch einmal sehen.
Denn sie hatte sich noch nicht bedanken können, dass er ihr mit ihrem Knie geholfen hatte. Ich hätte gedacht, dass mein Bruder die Chance ergreifen würde, noch etwas Zeit mit meiner Freundin zu verbringen, aber stattdessen war er mit einem letzten Blick auf sie abgezogen.
Ich hatte keine Ahnung, was in ihm vorging. Ich dachte, er würde sie mögen und sie vielleicht als Freundin haben wollen, aber wenn ja, dann gab er sich keine große Mühe.
Allerdings redete er auch nicht mit mir, wenn es in seinen Liebesangelegenheiten schlecht lief. Dass ich wusste, dass er auf MariJo stand, lag nur daran, dass er immer rot wurde, wenn sie ihn mal ansprach oder zufällig berührte.
Wir sahen auf, als die Tür aufging und Kentin herauskam und sich müde durch die Haare fuhr. Castiel schulterte lässig seinen Rucksack und fummelte eine Zigarette aus der Jackentasche.
MariJo wurde rot und fing an zu grinsen, doch ich schubste sie ein bisschen an und lächelte ermunternd.
„Geh schon... ich denke, du wolltest Danke sagen."
Kentin kam zu mir und setzte sich an meine Seite, während MariJo aufstand und zu dem Rothaarigen rüberging. Sie war scheinbar nervöser als sonst, wenn sie mit ihm sprach, denn sie wickelte immer wieder eine Strähne ihrer tollen Haare um den Finger.
Wenn das doch nur so einfach wäre bei Castiel.
Doch sie schien diesmal irgendwie Erfolg zu haben, denn sie lächelte und nickte und kassierte eine äußerst positive Reaktion von ihm. Denn er griff nach ihrer Haarsträhne, ließ sie durch seine Finger gleiten und lächelte.
Ein echtes Lächeln, sogar mit Zähneblitzen.
Ich musste kichern und sogar Kentin schmunzelte.
„Scheint ja gut zu laufen für unser Mädchen, oder?"
Ich nickte.
„Ich hoffe es, dann ist sie nicht mehr so unglücklich."
Castiel steckte sich eine Kippe an und sie kam zu uns zurück. Ein Lächeln zierte ihr hübsches Gesicht und ihre Augen strahlten.
Wir wollten uns gerade abwenden, als Castiel noch mal zu uns rüberrief:
Hey, MariJo! Wollen wir nicht mal was machen zusammen?"
Sie wandte sich um und guckte überrascht, doch dann nickte sie und plärrte ein halb lachendes „Klar." zu ihm rüber.
Kentin und ich freuten uns für sie und sie ging zu ihm zurück.
„Soll ich dich noch nach Hause begleiten, damit es nicht so schwer für dich ist?"
Er schüttelte den Kopf.
„Nein, bitte nicht. Ich möchte nicht, dass er seinen Frust auch an dir auslässt. Schon gar nicht, wenn er mitbekommt, dass du schwul bist. Das würde alles nur noch schwerer machen. Ich... ich mag dich, Alexy. Wirklich, total. Aber ich will nicht, dass du von meinem Vater auch was abbekommst. Wenn der sich nicht im Griff hat, scheuert der dir am Ende noch eine..."
Ich war schockiert, aber ich versuchte, seine Worte zu akzeptieren. Er hatte immerhin auch versucht, mich zu verstehen, als ich gesagt hatte, ich will nichts von der Schlägerei erzählen.
Auch wenn das am Ende nicht geklappt hatte.
„Ok... aber dann musst du mir gestatten, dich zum Abschied zu küssen. Jetzt. Hier ist es günstig."
Wir standen zwischen einer Mauer und einem Busch auf dem Gehweg vor der Schule.
Er lächelte, nickte und lehnte sich zu mir rüber. Mit einem Seufzen lagen unsere Lippen aufeinander und seine Zunge drang in meinen Mund ein. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und vergrub meine Finger in seinen Haaren.
„Hey, Jungs... wenn ihr nicht wollt, dass es morgen die ganze Schule weiß, solltet ihr damit aufhören."
Wir fuhren auseinander und sahen in die grinsenden Gesichter von Castiel und MariJo. Sie hatte gerötete Wangen und durchlebte wahrscheinlich gerade einen Yaoi-Moment und Cas hatte seine Zigarette zwischen den Zähnen und grinste uns an.
„Oh..." machte ich ertappt.
„War ja nur ein kleiner Tipp. Vielleicht nehmt ihr euch lieber ein Zimmer."
Castiel lachte und tappte Kentin mit der Hand auf die Schulter.
„Kommst du, MariJo...? In dem Diner gibt's echt hammerleckere Burger und ich hab Riesenkohldampf."
„Ja... bis morgen, ihr Zwei." Sie strahlte über beide Ohren und folgte dem Jungen mit den roten Haaren.
„Er hat Recht, wir haben es echt ein bisschen übertrieben hier. Danke, Alexy. Das du mir immer wieder irgendwie Mut machst. Ich gehe jetzt."
Ich hielt seine Hand fest und lächelte.
„Ein kleiner letzter Kuss noch?"
Mit einem sanften Schmatzen berührten seine Lippen meine.
„Ich hab dich lieb, Bergmann, du verrückter Clown."
„Ich dich auch, du dusseliger Militärfreak."

Lieb' mich nicht! [AS]Where stories live. Discover now