5. Kentin

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Mein Kopf war schwer, als ich an diesem Morgen aufwachte und meine Wangen wurden heiß, weil ich beim Aufstehen mit einer Mega-Morgenlatte zu kämpfen hatte, die mich kaum pinkeln ließ.
Ich zog die Nase hoch und wusch mir das Gesicht mit kaltem Wasser.
Ich war froh, dass ich mein eigenes Badezimmer hatte, denn ich hasste es, fremde Haare in meinem Waschbecken zu haben und mein Vater war scheinbar nicht in der Lage, seine Bartstoppeln nach dem Rasieren zu entfernen.
Nach einer kalten Dusche zog ich mich an und packte meine Schultasche.
Es würde ein langer Tag werden, das wusste ich jetzt schon.
Wir hatten acht Stunden und nur langweiligen Scheiß.
„Kentin, kämm dir die Haare!" grollte mein Alter, als ich in die Küche kam, um mir einen Frühstückstoast zu machen.
„Hab ich schon. Das muss so sein. Außerdem sind sie noch feucht vom Duschen."
„Grässlich, die Mode von heute. Zu meiner Zeit sind die Jungen nicht so herumgelaufen."
Stumm vor mich hin fluchend setzte ich mich an den Tisch.
Egal, was man machte, es war falsch.
Damals hatte ich einen Pagenkopf, das war ihm zu zottelig und mädchenhaft, jetzt waren meine Haare modisch geschnitten, jetzt war es ihm auch zu unordentlich.
Ich hasste das.
Ich hatte alles gemacht, was er von mir wollte, hatte mich elf Monate quälen lassen, sowohl emotional von den Jungen in dem Internat als auch durch den Unterrichtsstoff oder dem Drill der körperlichen Ertüchtigung. Ich war stark geworden, hatte Muskeln aufgebaut und war in diesem knappen Jahr fast 10 Zentimeter in die Höhe geschossen.
Aber es war nicht genug. Er hatte es nicht einmal anerkannt, dass ich als Schwächling, der ich war, freiwillig in diese Schule gegangen war.
Ich ass meinen Toast und schmierte mir Brote für die Schule.
So oft hatte ich mir vorgenommen, nicht mehr darüber nachzudenken und mir einfach zu sagen, dass ich es meinem Vater nicht recht machen konnte, aber weh tat es trotzdem irgendwie.
Wer wollte denn nicht, dass sein Vater wenigstens einmal sagte, er sei stolz auf einen?
„Ich bin dann weg. Um vier hab ich Schluss."
Mein Vater nickte und sah nicht von seiner Zeitung auf, während meine Mutter mir über die Hand strich.
„Bis dann."

Ich wollte am Fahrradstand gerade mein Rad anschließen, als ich die Bergmann-Zwillinge ankommen sah. Es war wirklich unheimlich.
Sie sahen verschieden und doch völlig gleich aus. Beide hatten exakt dasselbe Gesicht, die selbe Augenform, dieselbe Nase, dieselben Lippen. Nur hatte der Schlumpf offenbar irgendwann beschlossen, dass er schwarze Haare und blaue Augen langweilig fand, färbte sein Haar mit einem dunkleren Himmelblauton und begann, Kontaktlinsen zu tragen, die seine Augen rosa färbten.
Er sah schon so aus, als ich ihn kennenlernte und ich weiß noch, dass ich das damals sehr mutig fand, eine solche krasse Veränderung vorzunehmen.
Und mir entging auch nicht, dass Alexy an diesem Morgen irgendwie... anders aussah. Irgendwie besser als gestern noch.
Das nervte mich!
Als ich merkte, dass er mich ansah, ließ ich also einen Spruch ab und machte die Biege. Ich hasste es, dass er mich so verwirrte!
Es war schwer für mich, mich auf die Unterrichtsstunden zu konzentrieren und hätte MariJo mich nicht abgelenkt, hätte ich mich wahrscheinlich in den Pausen auf dem Klo versteckt.
Als die letzte Tortur des Tages, die Doppelstunde Mathe, anbrach, seufzte ich innerlich erleichtert.
Bald war es geschafft.
Ich war so müde, weil ich so komisches Zeug geträumt hatte in der Nacht.
Verstörenden Kram über verwüstete Häuser, Verletzte, Tote und Personen, die ich kannte und die auf der Straße von einem riesigen Autoreifen plattgefahren wurden.
Ich wurde wach, als ich diese Bilder sah und brauchte 15 Minuten, um mich zu beruhigen und wieder einzuschlafen.
Dementsprechend fertig war ich, als ich aufstehen musste.
Und an diesem Tag machte es mich das erste Mal nervös, das Alexy und sein komischer Bruder, der nie viel redete, hinter mir saßen.
Warum war mir auf einmal so komisch? Ich hatte das Gefühl, ich müsste einfach weg von dem Blauhaarigen. Als hätte ich etwas Schändliches getan.
Was aber nicht stimmte, denn ich hatte dem Verlangen, mir einen runterzuholen, nicht nachgegeben gestern Nacht!
Als es klingelte, hatte ich meine Sachen schon zusammengepackt und stand auf.
Ich wollte nur noch weg hier.
Für den nächsten Tag hatte unser Klassenlehrer Herr Faraize einige Änderungen im Stundenplan angekündigt und ich wollte am Vertretungsplan nur schnell schauen, wie wir dann morgen Unterricht hatten, als der blauhaarige Freak plötzlich neben mir auftauchte, meine Hand packte und mich mitzog.
Auf meinen Spruch konterte er und meinte nur, dass wir reden müssten.
„Worüber denn bitte?" motzte ich und versuchte, mich loszumachen, aber dafür, dass er so schlank und zart wirkte, hatte er erstaunliche Kraft.
Er schob mich fast grob in das alte, eher selten besuchte Jungenklo und schubste mich in eine der Kabinen.
Es verunsicherte mich, dass er die Tür hinter sich abschloss und davor stehen blieb.
„Erklärst du mir, warum du so gemein bist zu mir? Was ich dir getan habe?"
Ich starrte ihn an.
„Du nervst mich. Ist das nicht genug?"
„Nein! Früher hat dich das auch nicht gestört..."
„Ich hab keinen Bock, ständig von einer Schwuchtel verfolgt zu werden und ich habe keinen Bock, hier mit dir in einer dämlichen Klokabine zu stehen."
Ich versuchte, ihn zur Seite zu schieben, doch er war wirklich stärker als er aussah. Er wich keinen Zentimeter.
„Weißt du, was ich glaube?"
„Ist mir egal!" Ich fühlte mich in die Ecke gedrängt und seine Nähe verunsicherte mich. Er roch so gut, frisch, irgendwie nach Sommer.
„Ich glaube, du bist nervös wegen dem, was ich in dir auslöse. Weil du mich vielleicht doch noch magst... auf die Art, wie ich Jungs mag..."
Ich funkelte ihn an und verfluchte in dem Moment meine helle Haut, denn ich musste rot geworden sein. Meine Wangen glühten und der Schweiß brach mir aus.
„Du spinnst doch total. Ich bin keine dämliche Schwuchtel und jetzt lass mich hier raus, bevor noch was passiert!"
Angespannt und total verlegen ballte ich die Hände zu Fäusten und starrte ihn an.
Ich spürte beinahe körperlich, dass ich ihn verletzt hatte und irgendwie tat es mir sofort leid. Er wandte den Blick einen Moment ab und biss sich auf die Lippen.
Schließlich seufzte er und sah mich wieder an.
Ich schluckte.
Warum starrte er mich so an? Mit diesem gebrochenen, fast weinerlichen Ausdruck in seinen komischen, rosafarbenen Augen?
Gott, sogar seine Augenfarbe verriet den Menschen, dass er schwul war!
Erschrocken machte ich einen Schritt zurück, als er auf mich zukam, doch ich stieß mit dem Rücken an die Kabinenwand. Ich konnte sehen, wie seine Zunge blitzschnell seine Lippen benetzte.
Ich konnte nicht weg, saß in der Falle und ich ahnte, was er vorhatte.
Mit wieder einmal überraschender Kraft griff er nach meinen Handgelenken, ohne mir allerdings wehzutun.
Der Ausdruck in seinen Augen war nicht mehr weinerlich, sondern entschlossen.
Ich versuchte krampfhaft, den Kloß in meinem Hals runterzuschlucken, weil er immer näher kam und eine seiner Hände an meine Wange legte.
Er war fast so groß wie ich und es bereitete ihm keine Schwierigkeiten, seine Lippen auf meine zu legen.
Ich erstarrte.
Seine Lippen waren weich und süß und sein Atem duftete nach einem fruchtigen Kaugummi.
Ich weiß nicht, welcher Teufel mich geritten hatte, doch ich genoss es, ihn zu küssen.
Hitze durchfuhr mich, als seine Hand in meinen Nacken wanderte und seine Zunge sich in meinen Mund schob.
Seine zweite Hand wanderte über meine Brust und fummelte an meinem Gürtel herum. Bevor mir das bewusst wurde, hatte er ihn schon aufbekommen.
Wie aus einem Traum erwacht, riss ich die Augen auf und schubste ihn ein Stück weg.
„Hör auf damit! Spinnst du denn? Lass den Scheiß!"
Er grinste nicht, er lachte nicht, sein Blick war noch immer entschlossen und ernst.
„Entspann dich doch mal. Es gefällt dir doch..."
Wieder drückte er mich an die Kabinenwand und küsste mich.
Scheiße... das war so verdammt gut.
Aber das durfte es nicht!
Ich durfte das nicht!
Er öffnete meine Hose und bevor ich wusste, wie mir geschah, hatte er mein Teil in den Händen und massierte es.
„Hör auf..." hörte ich mich unter seinen Lippen jammern.
Er dachte jedoch nicht daran und zu meiner Schande spürte ich, dass ich hart wurde unter seinen Fingern.
Ich spürte ihn kichern und zitterte.
Seine Lippen wanderten etwas und knabberten an meinem Kinn. Er saugte etwas an meinem Hals und ich biss die Zähne aufeinander.
Warum machte er das?
Das machte mich wahnsinnig.
Geschockt schnappte ich nach Luft, als er auf die Knie sank und seinen Mund an mich legte.
Ich erstarrte.
Mein Kopf schrie mich an, dass ich verhindern sollte, dass der blauhaarige Freak seine schwule Geilheit an mir auslebte, aber mein Körper wollte das in diesem Moment mehr als alles.
Ich hasste mich dafür.
Er sollte das nicht tun und ich sollte das nicht wollen.
Scharf sog ich die Luft ein, als er seine Hände zu Hilfe nahm.
„Ngh... H-hör auf..." Ich ballte meine Hände zu Fäusten und presste meinen Kopf gegen das Holz der Kabine.
Er dachte nicht daran. Im Gegenteil.
Er intensivierte seine Bemühungen und ich hörte mich selber jammern.
Peinlich berührt verbarg ich mein Gesicht in meinen Händen, als sich die Spannung in mir löste und er das alles voll in den Mund bekam.
Er schluckte es wortlos runter und ließ seine Hände an meinen Knien liegen.
Wut kochte in mir hoch, als er zu mir hoch sah und seine rosafarbenen Augen mich sonderbar anglitzerten.
Ich stieß ihn ein Stück zur Seite und schloss meinen Gürtel wieder.
„Du... du bist doch total verrückt! Mach das nie wieder, du widerlicher Freak!" schrie ich fast, riss die Kabinentür auf und rannte förmlich davon.

Lieb' mich nicht! [AS]Where stories live. Discover now