9 - Kein Zeitgefühl

529 35 0
                                    

(Sie haben sich gegenseitig beruhigt und ein langes Schweigen kriecht durch die Höhle wie eine Schlange durch den Sand)

"Woher weißt du, wie spät es ist? Weißt du es überhaupt?"

"Luce kam bisher jeden Abend zu mir, da wusste ich, dass wieder ein Tag herum war. - Nur hat er mir diesmal ein wundervolles Geschenk gemacht. Dich. - Und so wird es wohl auch weitergehen, bis ein Ende in Sicht ist. Welche Art von Ende ist mir und dir und uns allen ein Rätsel."

"Was vermisst du am meisten?"

"Die Sonne."

(Phil blickt nach oben, als könnte sie ein Loch durch die dicke Decke starren, aber ihr Blick geht ins Dunkle und Leere) "Die werde ich wohl auch vermissen."

"Du solltest schlafen, kleine Phil."

"Vielleicht..." (Sie merkt mit einem Schlag, wie sehr das Rennen durch den Wald und das Gespräch mit ihrer neuen Bekanntschaft sie mitgenommen hat)

"Du kannst dich bei mir anlehnen. Wenn dir das aber zu nah ist, darfst du auch gerne auf dem provisorischen Bett schlafen, das ich mir mit Luce' Hilfe 'gebastelt' habe."

"Wenn ich darf, würde ich mich gerne an dir anlehnen, Großmutter Jurina. Dann weiß ich wenigstens, das du noch da bist."

"Ganz wie du magst. Ich bin froh, dass ich endlich jemanden habe, mit dem ich mich unterhalten kann und um den ich mich kümmern kann. Natürlich wünsche ich mir auch gleichzeitig, dass du in Sicherheit wärst, aber so ist es nunmal gekommen."

"Machen wir das Beste draus..."

"Nun schlaf, mein Kind. Schlaf, bis ich dich wieder aufwecke."

"Danke." (sagte Phil und schlief ein. Die Großmutter indessen betrachtete sie und fragte sich, womit sie es verdient hätte, sich um solch ein zauberhaftes Geschöpf kümmern zu dürfen. Sie fragte sich, womit sie es verdient hätte, in diesem Bunker zu sein, von Luce aufgenommen worden zu sein und vor dem Krieg geschützt zu sein. In diesem Moment durchfuhr sie ein wohliger Schauer und sie bekam am ganzen Körper eine Gänsehaut, die sie lebendig werden ließ. In diesem Moment war sie einfach unendlich dankbar. Sie warf noch einen letzten Blick auf das schöne, schlafende verliebte Mädchen, das den Kopf in ihren Schoß gebettet hatte und wie ein kleines Kind am Daumen nuckelte, und schlief endlich mit einem Lächeln auf den Lippen ein)

Zwischen Liebe und KriegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt