Lachen oder weinen?

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Seit Emmas Geburt waren nun zwei Monate vergangen und weder Victoria noch Paul habe ich in dieser Zeit zu Gesicht bekommen.
Bis zu diesem Tag.
Ich saß gerade auf dem Sofa und schuckelte Emma, damit sie sich beruhigte, während ich fernsah.
Aber plötzlich klingelte es stürmisch.
Emma erschrak und fing wieder an zu schreien. Na toll!
Ich versuchte sie zu beruhigen und ging dann zur Tür.
Ich erschrak, als ich erkannte, wer vor mir stand. ,,Victoria?"
Meine Schwester nickte mit einem verweinten Gesicht und klammerte Valerie fest an sich.
Vici zitterte am ganzen Leib.
,,Alles okay bei dir?", fragte ich, aber Victoria schüttelte nur den Kopf und ging dann an mir vorbei ins Wohnzimmer.
,,Dann komm doch rein!", murmelte, obwohl sie längst im Zimmer verschwunden war.
Ich seufzte und ging ihr dann nach.
Ich legte Emma in ihren Laufstall, wo auch schon Valerie spielte.
Ich setzte mich neben Victoria aufs Sofa: ,,Hey! Alles okay?"
Wieder schüttelte Victoria weinend den Kopf und sah sich dann um.
,,Sind Mom und Dad da?"
,,Nein. Wir sind allein! Was ist nur los, Victoria?"
,,Du hast sicherlich mitbekommen, dass meine Familie und ich uns von dir ferngehalten haben."
,,Ach wirklich?" Worauf wollte sie hinaus? Ich war verwirrt. Aber Victoria sprach weiter: ,,Na ja, nach Emmas Geburt haben Paul und ich uns entschieden, noch einmal neu anzufangen. Ohne Lügen und Intrigen.
Langsam sah er auch Valerie wieder als leibliche Tochter an. Paul wollte nicht, dass dein und mein Verhältnis sich wegen den Kleinigkeiten verändert.
Aber ich wusste, wenn er dich sehen würde, würden alte Gefühle in ihm aufkommen. Und das wollte ich nicht! Also verbot ich ihm, sämtlichen Kontakt mit dir abzubrechen."
Ich sah meine Schwester fassungslos an. Was hat sie da gerade gesagt?
,,Du meinst, es macht ihm nichts mehr aus, dass du ihn mit seinem Bruder betrogen hast und dann auch noch schwanger wirst? Das glaubst du doch wohl selbst nicht!"
Ich wusste nicht, wie es dazu kam, aber wir schrien uns gegenseitig an.
So einen heftigen Streit hatten Victoria und ich noch nie gehabt.
Sie fauchte fast: ,,Lenk nicht vom Thema ab, Sophia! Ich weiß von euren kleinen Küssen zwischendurch. An dem Nachmittag, wo ich ihn unseren Eltern vorgestellt hab!
Und an dem Nachmittag, wo er rausgefunden hat, dass du von ihm schwanger bist! Oh ja, Sophia!
Keine Geheimnisse und Intrigen mehr. Paul hat mir alles aufs Detail erzählt. Von wegen, es lief nichts zwischen euch. Du meintest, du wusstest nicht, wer er war. Von wegen!
An diesen Nachmittagen wusstest du es und hast es trotzdem getan!"
Langsam lief mir eine Träne hinunter.
Ich holte einmal tief Luft und fragte dann, nicht mehr schreiend:
,,Wieso bist du hier, Victoria?"
,,Na ja, ich hab dir ja gesagt, Paul und ich haben es noch einmal versucht.
Da hab ich das mit dir verdrängt und Paul das mit Marc. Und alles lief bestens, bis..."
Auch Victoria schrie nun nicht mehr.
,,Bis was?" Behutsam legte ich meine Hand auf ihre Schulter.
Victoria weinte mehr als redete:
,,Heute stand plötzlich Marc vor der Tür und wollte das gemeinsame Sorgerecht für Valerie.
Eigentlich ja berechtigt. Er ist ja auch ihr Vater, aber... Paul ist total ausgerastet und die beiden haben sich geprügelt. Ich bin aus unserer Wohnung rausgerannt, habe aber leider meine Schlüssel zu Hause vergessen. Jetzt komme ich nicht mehr rein. Aber ich will es auch nicht."
Victoria packte mich an den Schultern und schüttelte mich durch:
,,Paul hasst mich jetzt mehr den je.
Er hat herausgefunden, dass die ganze Zeit etwas zwischen mir und Marc lief. Also ich meine andauernd, nicht nur diese eine Nacht. Aber..."
Sie hielt inne und man sah ihr an, dass sie den Schluss ganz sicher nie sagen wollte. Ich sah sie fassungslos an.
,,Du hättest was? Über ein Jahr lang?"
Jetzt ging mir ein Licht auf:
,,Deshalb hast du eure Hochzeit abgesagt und gesagt, du seist zu jung um zu heiraten. Du bist in Marc verliebt!"
Man sah Victoria an, dass sie es verleugnete aber ich wusste, dass es stimmte.
Aber dann erzählte Victoria alles. Dass sie Marc schon immer liebte.
Seit sie ihn das erste Mal gesehen hat, hat sie so eine Spannung gespürt.
,,Weiß Marc etwas davon?"
Victoria schüttelte immer noch weinend ihren Kopf.
Da fiel mir was ein: ,,Wieso hast du Paul nicht gleich etwas von Marc gesagt. Dann wäre das alles nicht passiert."
Victoria zuckte mit ihren Schultern:
,,Ich glaube, ich wollte es vor mir selbst verleugnen. Und als ich dann schwanger war und herausgefunden habe, wer der leibliche Vater ist, wollte ich mir nichts eingestehen.
Ich habe mir geschworen, dass ich Paul niemals verletzten oder sogar betrügen würde, als ich mit ihm zusammen kam.
Aber mit dieser einzigen Nacht, habe ich beides zugleich getan, hätte ich es ihm erzählt. Also hab ich einfach gezwungen glücklich Vater, Mutter, Kind mit Paul weiter gespielt.
Aber als ich dann heraus bekam, dass auch Paul fremdgegangen ist, wollte ich endgültig mit ihm Schluss machen, um endlich offiziell mit Marc zusammen zu kommen. Aber ich konnte ihn nicht so weh tun. Er wusste dann, dass er nicht der Vater war, aber er hat mir gesagt, dass er mich lieben würde. Also bin ich mit ihm zusammen geblieben.
Auch wenn ich hin und wieder etwas mit Marc hatte, wollte ich nie mit Paul Schluss machen. Bis heute!
Als Marc angestürmt kam und um mich und Valerie gekämpft hat, wusste ich, dass es ein Fehler war."
Wow! Ihr Geschichte ist ja noch komplizierter als meine.
Victoria sah mich wartend an:
,,Wie soll ich das Paul nur sagen?"
,,Wie kann ich dir da bitte helfen? Das musst du schon alleine machen!"
Victoria nickte entschlossen, nahm Valerie aus dem Laufstall und ging ohne Verabschiedung.
Seufzend nahm ich Emma auf den Arm: ,,Was ist mit unserer Familie bloß los, Süße! Ich wünsche dir, dass dein Leben nie so aussehen wird, wie meins im Moment."
Ich wusste nicht, wie ich mich fühlen soll. Glücklich, weil ich nun ohne Probleme mit Paul zusammen sein kann oder traurig, weil das Leben meiner Schwester in Scherben lag.
Soll ich lachen oder weinen?

Der Freund meiner SchwesterWhere stories live. Discover now