Die himmlische Versuchung der Schokolade

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Es genügte ein Blick um festzustellen, dass noch genügend Odeuvre sowie Canapes vorhanden waren. Diese Snobs aßen kaum etwas, anscheinend schickte sich sowas in Gesellschaft nicht, weshalb das italienische Fingerfood wohl sicherlich den Abend über reichen würde.

Dass es sich bei der Aussage, ich müsste in der Küche nach dem Rechten sehen, bloß um eine billige Ausrede gehandelt hatte, um einem möglichen Gespräch mit Löckchen aus dem Weg zu gehen, stand wohl außer Frage.

Ich war froh der „gehobenen Gesellschaft" entflohen zu sein, weshalb ich auch keinerlei Ambitionen hatte, die Küche bald wieder zu verlassen. Ich kramte in dem Gefrierschrank, bis mir mein Notfallbecher Schokoladen-Eiscreme in die Hände fiel. Ich hatte hier immer ein Becher Eis versteckt, man wusste ja nie, wann sich einer der Großmächte entschloss, den dritten Weltkrieg auszurufen und wenn es soweit war, wollte ich mir meine letzten Stunden mit ein paar himmlischen Löffeln Eiscreme versüßen.

Mit der noch fast vollen Packung Cremissimo Chocolat und einem Suppenlöffel bewaffnet setzte ich mich auf die Küchenablage, ein Vergehen, das unter normalen Umständen mit der Todesstrafe bestraft wurde, da ich es aber gewesen war, der diese Regel eingeführt hatte und das eigentlich auch nur aus dem Grund, dass ich nicht wollte, dass die Tunichtgute von Kellnern ihre faulen Hintern auf irgendetwas in meiner heiligen Küche parkten, konnte ich da mal eine Ausnahme machen.

Kaum das der erste Batzen Eis in meinem Mund verschwunden war verließ ein verzückter Laut meine Lippen, der verdächtig nach einem Stöhnen klang. Vergessen waren die versnobten Schnösel mit ihren Stöcken im Arsch, Sammy und Blondie, die mir den letzten Nerv raubten und Löckchen, der mich mit all seinem Tun und Handeln verwirrte. Das Einzige, was jetzt noch zählte waren Ich, dieser Löffel und 900 Milliliter vom feinsten Schokoladen Genuss. Wenn es einen Mann geben würde, der zu Hundertprozent aus Schokoladeneis bestehen würde, ich würde ihn heiraten. Wir müssten zwar in den Flitterwochen nach Alaska fliegen und könnten nicht in den Süden reisen, aber das wäre es mir wert. Kompliziert könnte es jedoch werden, wenn ich meinem Urinstinkt folgen und ihn essen würde. Wäre das dann Mord oder Sachbeschädigung? Darüber sollte ich vielleicht mal mit Blondie reden, der war doch schließlich Anwalt. Und bei der Gelegenheit könnte ich Löckchen gleich darauf ansprechen, ob er mir einen Eiscreme-Mann bauen könnte. Als Bildhauer müsste er das doch eigentlich hinbekommen, oder war er doch Schreiner? Ist ja eigentlich auch egal, er war Künstler, also sollte er mir gefälligst mein Meisterwerk erschaffen.

Als hätte er gewusst, dass ich gerade an ihn gedacht hatte, platzte Löckchen in die Küche und unterbrach meine Vorstellungen wie ich meinen Mister Eiscreme zum Leben erwecken könnte.

„Haff du niff gefehen daf da Prifad feht?" Nuschelte ich zugegeben etwas undeutlich, da man mit einem Mund voll Eis nun wirklich nicht besonders gewählt artikulieren konnte. Löckchens verwirrter Blick bestätigte mir, dass er wohl kein Wort verstanden hatte, also schluckte ich mein Eis herunter und wiederholte mich. „Hast du nicht gesehen, dass da Privat steht?" Eine kleine imaginäre Glühbirne leuchtete über seinem Kopf auf, diesmal hatte er mich wohl verstanden.

„Doch, aber es war mir egal." Er grinste verschmitzt und kam auf mich zu.

„Oho. Der Mustersohn macht einen auf aufmüpfig." Spottete ich. Ich beobachte misstrauisch, wie er begann zu lachen, dennoch aber weiter auf mich zu schritt.

„Ich bin kein Mustersohn. Noch nie gewesen und werde es auch nie sein."

„Vaterkomplex? Dein perfekter Bruder hat immer mehr Aufmerksamkeit von Daddy bekommen, weshalb du angefangen hast Mist zubauen um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, was im Endeffekt aber nur zum Gegenteil geführt hat." Tippte ich ins Blaue.

Optimisten werden immer zuerst gefressen Where stories live. Discover now