Sterbende Hoffnung nennt sich Verzweiflung

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!Trigger Warnung!

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„Maggie hatte einen Herzinfarkt."

Meine Worte hallten schwer durch den langen Flur.
Sammys Grinsen fiel augenblicklich.
Beiden stand der Schock ins Gesicht geschrieben.

„Sie ist aber nicht... oder?" Sammys Stimme war kaum ein schwaches Krächzten, Tränen standen in seinen Augen. Es tat mir so leid, dass ich ihm mit meinen Worten wehtat.

Ich hätte nicht einfach so damit herausplatzen sollen, doch ich war im Moment so fertig mit der Welt, dass ich nun wirklich nicht einfühlsam sein konnte.

„Sie liegt im Krankenhaus. Die Ärzte meinen sie wäre momentan stabil, aber man wissen noch nicht, ob sie es schaffen würde."

Sammy nickte benommen. Für ihn war es wohl ein ganz schöner Schock. Für mich war diese Nachricht jedoch eher erleichternd gewesen. Als ich sie dort am Grab hatte liegen sehen, da dachte ich, sie wäre tot. Einfach still und heimlich gegangen und hätte uns nur ihre leblose Hülle zurückgelassen. Doch als die Ärzte sagten, das sie noch lebte, wenigstens in diesem Moment noch, ab diesem Zeitpunkt gab es Hoffnung. Trügerische, verräterische Hoffnung.
Und auch, wenn es all meinen Überzeugungen und pessimistischen Zügen wiedersprach, klammerte ich mich an diese Hoffnung, als würde ich ohne sie grausam ertrinken. Mein Verstand schrie, dass ich sie loslassen sollte, sonst würden wir gemeinsam untergehen und dabei so tief in der Dunkelheit versinken, dass ich nie wieder einen warmen Sonnenstrahl durch die Wasseroberfläche brechen sehen würde. Doch ich konnte nicht.

„Wir müssen ins Krankenhaus! Sofort." Ich hatte diese Entschlossenheit in Sammys Gesicht schon lange nicht mehr gesehen.

„Sammy Schatz, es ist mitten in der Nacht." ergriff Blondie zum ersten Mal in diesem Gespräch das Wort und sagte überraschenderweise etwas
halbwegs Intelligentes.

„Ist mir doch egal! Die werden uns schon irgendwann zu ihr lassen." Ich wusste, wenn mein bester Freund so drauf war beugte man sich lieber seinem Willen. Blondie merkte dies anscheinend auch gerade, denn ohne noch etwas zu erwidern begann er sich seine Schuhe anzuziehen.

Stumm betrachtete ich die beiden, wie sie sich eilig fertig machten.

„Kommst du mit, Connie?" fragte Sam, als sie fertig waren.
Ich schüttelte nur den Kopf. Ich hatte Stunden lang in dem tristen Warteraum gesessen, vor mich her gestarrt und darauf gewartet, dass mir jemand sagte, wie es Maggie ging. Sie lag auf der Intensivstation, hatte der Arzt gesagt, als er endlich aufgetaucht war, dort wäre Besuch nicht gestattet, deshalb hatte er mich heim geschickte. Doch all dies sagte ich ihnen nicht. Sie würden es schon selber erfahren.

„Kannst du Gerd Bescheid geben?" fragte ich Sammy. Ich hatte nicht die Kraft gefunden ihn anzurufen.

Der Kleine nickte und sie verschwanden mit ernster Miene durch die Tür.

Nun war ich allein.

Mit mechanischen Bewegungen zwang ich mich dazu meine verdreckten Schuhe und meine immer noch feuchte Jacke auszuziehen.

Meine schlurfenden Schritte hallten durch die verlassene Wohnung. Ich fand die Kraft nicht meine Füße zu heben. Es war einfach alles zu viel.

Die Kälte saß mir immer noch in den Knochen, mein Kopf dröhnte, alles war taub. Ich fühlte mich wie benebelt, eine Marionette die nur noch durch einen einzelnen Faden aufrecht gehalten wurde. Doch dieser Faden begann langsam zu reißen.

Ich schloss meine Zimmertür hinter mir, durch mein Fenster warf der Mond seine kalten Strahlen in mein Zimmer. Kurz stand ich verloren im Raum herum, wusste nicht wohin mit mir. Doch dann setzten sich meine Beine in Bewegung, ohne dass mein Kopf wirklich wusste wohin ich ging.

Optimisten werden immer zuerst gefressen Where stories live. Discover now