Mit dem falschen Fuß voran ins Leben

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Hauchzarte Berührungen wanderten  an meiner Seite hoch und  runter, ließen mich langsam, aber sicher, aus meinen Träumen fallen.

„Guten Morgen, Cornelius." Flötete Löckchen mit einer, für ihn völlig untypischen, sanften aber rauen Stimme. Seine weichen Lippen trafen meine stoppelige Wange, ich grunzte nur mürrisch, mich weigernd die Augen zu öffnen. Seine Küsse wanderten weiter, in Richtung meines Mundes. Ich grunzte noch einmal ähnlich unelegant und verzog das Gesicht.

„Geh weg. Du hast Mundgeruch." Murrte ich und drehte mich weg, um ungestört weiter schlafen zu können.

„Du weißt wirklich, was ein Mann hören will.", Lachte er. Ich hörte ein leises Rascheln, er stand auf, wenig später rauschte das Wasser im Badezimmer.

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Ein sanfter Kuss auf die Lippen.

Ein Hauch Minze.

Ein wohlig warmes Gefühl.

Eine Mischung zwischen Realität und Traum.

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„Hey, du Fettklops!", Schrie Sammy, warf sich auf mich und ließ mich zum zweiten Mal an diesem Morgen aus meinen Träumen schrecken. „Beweg mal deinen Arsch, ich hab Hunger."

Typisch. Ich konnte kaum glauben, dass ich diese überdrehte, nervige und unnormal fröhliche Variante meines besten Freundes wirklich vermisst hatte. War es noch zu spät, um den, in sich gekehrten, Trauerklos wiederzubekommen?

Sammy saß mittlerweile auf meinem Rücken, unsanft hüpfte er darauf herum und erinnert mich damit an ein kleines Kind nach einer Überdosis Zucker.

Da hatte mir Löckchens Weck-Attacke wesentlich besser gefallen.

Wo hatte sich der Wuschelkopf überhaupt versteckt? War er etwa einfach gegangen, während ich geschlafen hatte?

Das, was wir gestern Abend getan hatten, war so viel intimer gewesen, als jede physische Berührungen jemals sein könnte.

Ich hatte ihn in meine Seele blicken lassen.
Ich hatte ihm mein Vertrauen geschenkt, etwas, das ich nicht leichtfertig tat.

Und ich kam nicht umhin mich zu fragen, ob dies nicht ein Fehler gewesen war. Ich würde es erst erfahren, wenn es schon zu spät war.

„Lass mich schlafen und geh deine Blondine befriedigen." Grummelte ich, bevor ich meinen Kopf unter meinem Kissen versteckte, ein verzweifelter Versuch jedwede Gefahrenquelle für meinen kostbaren Schlaf auszuschließen.

„Du bist so ein zurückgebliebener Chauvinist, Cornelius! Als würde sich immer alles nur um das eine drehen." Sammy riss mir mein Kissen vom Kopf und schlug mich damit. Plan erfolgreich gescheitert.
Ich wusste, dass Sammy dieses Thema nicht mochte und dieses Wissen nutze ich des Öfteren um ihn ein wenig zu provozieren. Natürlich nur in schwerwiegenden Notsituationen. So wie gerade.

„Du kannst so privilegiert reden wie du willst, am Ende bleiben wir doch nur triebgesteuerten Tiere. Mit dem einzigen Unterschied, dass wir im Laufe der Jahre, mehr Spaß am Sex, als an der Fortpflanzung gefunden haben. Zumindest hier in den pseudo privilegierten Industrieländern."

Sammy schnaufte. Ich hatte meistens eine ziemlich realistische Ansicht der Dinge, meiner Meinung nach, weswegen Sammy, der hoffnungslose Romantiker, und ich, oft mit unseren Meinungen aneinander gerieten.  Mein bester Freund sah der Welt einfach manchmal viel zu naiv entgegen, ich konnte über seine verklärten Ansichten meist nur den Kopf schütteln.

„Und was genau willst du mir damit sagen?" Ich merkte, dass er sich zurück hielt um nicht auf meine Worte einzugehen.

„Geh runter von mir, schmeiß deine Pille in den Müll und zeug endlich ein paar Kinder, die mir später meine Rente bezahlen!" Ich rollte mich zur Seite, sodass Sammy neben mir auf dem Bett landete.

Optimisten werden immer zuerst gefressen Where stories live. Discover now