Von Katern, Bloody Marys und Kellnern

8K 809 86
                                    

       
Am Donnerstagmorgen war meine Laune so tief gesunken, dass sie wahrscheinlich gerade am Erdkern kratzte. Ich war sauer auf Löckchen, angepisste von mir selber und wütend auf alles was sich bewegte. Wenn ich so schlechte Laune hatte, sollte man mir am besten aus dem Weg gehen. Zum Pech meiner Mitarbeiter musste ich an diesem Tag arbeiten.

„Hey Chef, du bist spät dran." Begrüßte mich Jan, einer meiner Kellner, schon von weitem mit viel zu guter Laune.
„Schnauze.", Blaffte ich ihn an. Normalerweise pflegte ich einen eher freundschaftlichen Umgang mit meinen Mitarbeitern und ließ nur selten den Chef raushängen. Unter anderem ein Grund warum mich keiner von ihnen ernst nahm. Jan lachte, während ich den Schlüssel aus den Untiefen meiner Hosentasche kramte.

„Sag mal, hast du nen Kater?"
„Nein. Ich lauf einfach so zum Spaß an einem regnerischen Tag mit Sonnenbrille rum." Ich schob meine Brille hoch in meine Haare, um das Schlüsselloch besser sehe zu können. Sofort begannen meine Augen aufgrund der ungewohnten Helligkeit zu schmerzen. Ich brauchte einige Anläufe bis der Schlüssel im Schloss steckte. Jan lachte weiterhin und ich fragte mich, warum ich ihn nicht schon längst gefeuert hatte. Vielleicht, weil ich den leicht verschrobenen jungen Mann mit dem gewöhnungsbedürftigen Klamottengeschmack trotz allem irgendwie mochte.

„So alt bist du nun auch wieder nicht geworden, dass du dir den Frust wegsaufen musst." Ein finsterer Blick meiner Seitz radierte das dämliche Grinsen aus seinem Gesicht. Endlich hatte ich es vollbracht die Eingangstür zu öffnen. Der dumpfe Schmerz hinter meinen Schläfen wummerte bestialisch. Ich hatte gestern Abend wohl ein oder zwei Jack Daniels Flaschen zu viel getrunken. Na gut, eigentlich war es nur eine drei-viertel Flasche gewesen, die ich mir gestern, als alle anderen bereits gegangen waren, aus reiner Verzweiflung hinter die Binde gekippt hatte. Ich wurde langsam wirklich alt, früher hatte ich das Zeug Eimerweise getrunken, ohne am nächsten Tag auch nur den leisesten Anflug von Kopfschmerzen zu haben und jetzt starb ich innerlich bei jeder zu hastigen Bewegung. Ich sollte wohl lieber auf ‚alte Leute Alkohol' umsteigen, Weinschorle und so einen Mist.

„Peter hat gemeint er kommt heute später, aber Leon müsste gleich da sein, ein paar seiner Kurse sind ausgefallen." Ich nickt Jans Mitteilung ab, was mein Kopf nicht allzu lustig fand.
„Ihr könnt dann erstmal hier vorne alles soweit fertig machen, währenddessen  versuche ich nicht mit dem Kopf in der Suppenschüssel einzupennen. Aber vorher mixt du mir eine ‚Bloody Marry'." Ich ließ mich seufzend auf einen Barhocker nieder. Jan musterte mich einige Zeit. „Na los, wird's bald! Wofür bezahl ich dich denn bitteschön?" Er verdrehte die Augen und marschierte hinter die Theke. Das Namenlos war meistens bis spät in den Abend geöffnet und nicht selten kamen junge Studenten her auf der Suche nach einer entspannten Atmosphäre und ein paar leckeren Cocktails. Deshalb hatte ich vor etwa einem Jahr Jan als Barkeeper und Kellner eingestellt und seit dieser Zeit gab es jeden Abend ab sieben Uhr eine große Auswahl an frische Cocktails an der Bar.

„Mit oder ohne Wodka?" fragte er unschuldig grinsend. Ich schenkte ihm einen: ‚Dein-fucking-Ernst-?-Blick', anschließend bettete ich meinen Kopf auf dem Holz der alten Thekenplatte. Fast wäre ich über die Geräuschkulisse die Jan bei der Zubereitung meines Drinks veranstaltete eingedämmert, doch natürlich blieb mir dies nicht gegönnt.

„Hallo, alle zusammen!" schmetterte Leon gut gelaunt in die Runde. Keine Sekunde später landete seine Tasche mit einem lauten Knall neben mir auf der Theke.  Mein Kopf schoss hoch, im selben Moment verfluchte ich mich dafür. „Fuck! Was ist verdammt nochmal falsch mit euch?" fuhr ich den kleinen Blondhaarigen an. Leon war mit seinen achtzehn ein halb Jahren der Jüngste im Kellner Trio und gerade mal seit drei Monate hier angestellt. Trotzdem war er schon ein so fester Teil der Namenlos-Familie, dass ich ihm nicht mal wegen des Fauxpas von letzter Woche Freitag, als er mich und Löckchen in der Küche unterbrochen hatte, wirklich lange hatte böse sein können.

Optimisten werden immer zuerst gefressen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt