Über das Geboren worden sein

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Es gab Menschen, die liebten ihren Geburtstag. Sie liebten es einen ganzen Tag lang der Mittelpunkt des Freundes und Familienkreises zu sein, sich von jedem beglückwünschen zu lassen und Unmengen von unnötigen Ramsch geschenkt zu bekommen.

Ich hasste meinen Geburtstag. Ich verstand den Sinn dahinter einfach nicht. Alle Leute feierten dich für etwas, dass du nicht mal selber getan hattest. Immerhin wurde man geboren, man hatte sich nicht selber geboren.

An meinem ersten und einzig wahren Geburtstag hatte ich nichts Weltbewegendes getan, das in irgendeiner Weise gefeiert werden müsste. Ich hatte nur in einem dieser Glaskasten- Dinger gelegen und geschlafen. Die halbe Stunde nach meiner Geburt in der ich glitschig und schleimig mit hochroten Kopf und strapazierten Stimmbändern in den Armen meiner Mutter gelegen und mir ohne ersichtlichen Grund die Seele auf dem Leib geschrien hatte, mal nicht mitgerechnet. Und dafür wurde man im Nachhinein jedes Jahr aufs Neue gefeiert, während die Mütter, die eigentlich die ganze Arbeit und die Schmerzen dabei hatten, uns von vorne bis hinten bedienen durften, uns Kuchen backten und uns reichlich beschenkten. Es tat mir leid, aber ich verstand es einfach nicht.

Zusätzlich kam meinem chronischen Geburtstagshass noch gelegen, dass ich es hasste im Mittelpunkt zu stehen, immer nur völlig unnötiges Zeug geschenkt bekam, sowieso von Natur aus schon eine ausgeprägte Abneigung gegen größere Versammlungen oder Feiern hatte. Aber auch die Tatsache, dass all die alten verstaubten Erinnerungen an meine Mutter und all die Geburtstage an denen sie noch teilgenommen hatte, hochkamen, war nicht zu verachten.

Ich konnte mich kaum an ihr Gesicht erinnern, trotzdem wusste ich noch wie glücklich ich damals gewesen war. Erschreckend zu wissen das selbst so ein zynischer Arsch wie ich glücklich sein konnte, wenn er es wollte. Eigentlich gehörte ich zu diesen Menschen die nur glücklich sind, wenn sie unglücklich sind.

„Cornelius, mach endlich diese beschissene Tür auf!" Sammy hämmerte schon seit gut fünfzehn Minuten an meine Schlafzimmertür und durchkreuzte somit ziemlich effizient mein Vorhaben einfach meinen Geburtstag zu verschlafen.

„Verpiss dich, Sammy." Murrte ich, den Kopf unter meinem Kissen vergraben.

„Ich breche diese verfickte Tür auf, wenn du nicht sofort daraus kommst." Nur Sammy schaffte es Flüche niedlich klingen zu lassen.

„Mach doch." Erwiderte ich provozieren. Erwartungsvoll blickte ich meine Zimmertür an. Keine Sekunde später vernahm ich den dumpfen Aufprall von Sammys Schulter an meiner Tür, ein komisch knirschendes Geräusch, das ganz sich nicht von meiner Tür stammte, und die darauffolgenden schmerzhaften Laute meines kleinen Freundes. Oh ja, der Panzerriegel hatten sich sowas von gelohnt. Sammy hatte mich für verrückt erklärt, als ich damals, in einem Anflug von Paranoia, einen Handwerker angeheuert hatte mir dieses Zusatzschloss an meine Schlafzimmertür anbringen zu lassen, doch ich könnte wetten, dass er mich in diesem Moment dafür verfluchte.

Die erste Frage die Sammy mir beim Anblick des Querriegels gestellt hatte, war ein verwirrtes „Warum?". Auf diese einfallslose Frage war schnell eine Antwort gefunden: „Natürlich damit niemand einbrechen kann!" Ich wusste noch, dass ich den Kopf über ihn geschüttelt hatte, als wäre er ein kleines Kind dem man die Welt erklären müsste. Seine zweite Frage ließ mich allerdings stocken. „Wäre es dann aber nicht schlauer gewesen dieses Ding an die Eingangstür unserer Wohnung anbringen zu lassen, anstatt an deiner Zimmertür?" hatte er gefragt. „Scheiße. Das hab ich irgendwie nicht so ganz durchdacht. Aber warum sagst du das auch erst jetzt und nicht bevor ich dem Handwerker fast Vierhundert Euro hingelegt habe, damit der das Scheißteil anbringt?!" Nachdem der Handwerker mir erklärt hatte, dass er rund zweihundert Euro nehmen würde um dieses Ding abzuschrauben und an der Eingangstür anzubringen, ganz zu schweigen von den Löchern die in meiner Tür durch die Schrauben entstanden waren und wegen denen man am besten gleich die ganze Tür ersetzen sollte, hatte ich beschlossen, dass mein Zimmer, wohl der Einzige sichere Raum in unserer Wohnung bleiben würde. Naja ich konnte soweit damit leben.

Optimisten werden immer zuerst gefressen Where stories live. Discover now