Bonus

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Der Deckenventilator mengte die schwülwarme Luft des kleinen Zimmers durch, die erwünschte Abkühlung blieb jedoch aus. Das Surren des Ventilators und die Stimmen die durch das Hotel hallten wurden zu Hintergrundgeräuschen, als ich gespannt auf mein Handy blickte und dem gleichbleibenden Tuten lauschte. Es dauerte nicht lange, da erschien das Gesicht meines besten Freundes auf meinem Display.

„Hey, Connie!" Er strahlte übers ganze Gesicht und ich konnte es nicht abstreiten, ich vermisste seine fröhliche, aufgedrehte Art.

„Hey, Sammy."

„Und wie geht's dir, du Weltenbummler?"

„Mir geht's echt gut." Ich glaubte es selber kaum, doch ich meinte es wirklich ernst. Ich war zufrieden und vielleicht auch ein kleines bisschen glücklich.

„Das sieht man dir auch an."

„Sag mir jetzt nicht, dass ich zu einem dieser grinsenden, strahlenden Menschen geworden bin." Glücklich hin oder her, ich konnte einfach kein Sammy werden, das würde ich nicht überleben.

„Nein, keine Angst. Niemand, der dich nicht kennt, würde es dir ansehen. Aber ich kenne dein glückliches Gesicht. Du siehst dann einfach ein kleines bisschen weniger so aus, als würdest du alles und jeden hassen." Seine quirlige freudige Art schien durch das Display auf mich überzuspringen. Ein kleines Lächeln stahl sich auf meine Lippen.

„Ist ja ekelhaft. Ich hoffe, dass ist nicht permanent." Er lachte. Es hörte sich so vertraut an, fühlte sich an wie zuhause.

Ich liebte die Erfahrungen die ich gerade machte, war unendlich dankbar über die Möglichkeit zu reisen und meinen Traum zu erfüllen, ich würde nirgendswo lieber sein, als genau hier, genau jetzt. Doch trotzdem, natürlich, vermisste ich meine Freunde, sie waren meine Familie. Vor allem, weil wir es nicht oft schaffte zu Videochatten, da das Internet und die Zeitverschiebung es nicht wirklich einfach machten.

„Wo genau bist du im Moment? Immer noch in Indien, oder?"

„Ja genau. Wir sind gestern mit dem Bus weiter in den Süden gefahren in einen kleinen Küstenort in Kerala. Hier ist es um einiges ruhiger als in Mumbai und den großen Städten weiter im Norden."

„Haben dir die großen Städte trotzdem gefallen?"

„Ja, auf jeden Fall. Es ist gewöhnungsbedürftig und kann am Anfang etwas überwältigend sein, aber es ist einfach nur berauschend. Diese ganzen Menschen, dies Energie, dieser Trubel. Man kann es sich nicht vorstellen, wenn man nicht da war. Überall sind Märkte und Stände an denen Leute ihre Sachen verkaufen, die meisten haben ihre Waren einfach auf dem Bürgersteig liegen und verkaufen sie von dort, es ist einfach eine andere Welt. Und diese ganzen Gewürze, du kannst es dir nicht vorstellen, wie viele ich bereits gekauft habe."

„Da bekommt man ja Fernweh, wenn man dir zuhört." Er lächelte warm und ich wusste, er freute sich für mich.

„Du kannst uns jeder Zeit besuchen kommen. In ein paar Wochen geht es weiter nach Vietnam, es soll wirklich schön dort sein."

„Danke, aber ich bin ganz zufrieden hier. Ich hab ein Angebot von einer Zeitschrift bekommen als festangestellter Fotograf bei ihnen zu arbeiten."

„Wow. Das ist toll Sammy! Was für eine Zeitschrift?"

„Es ist eine recht neue Zeitschrift, sie schreiben über alles Mögliche, von Body Positivity über Lgbtq- Themen oder das Aufbrechen von stereotypischen Geschlechterrollen."

„Das hört sich echt gut an. Ich freu mich für dich." Das tat ich wirklich. Ich wusste, dass Sammy schon immer etwas mit seinen Fotos verändern wollte, es ging ihm nicht nur um das Ablichten von schönen Dingen, er wollte Missstände aufzeigen, Leute zum Nachdenken bringen und zeigen, dass in allem, selbst in dem was viele für hässlich hielten, Schönheit steckte. Deswegen hatte er auch damals die Fotoreihe mit den Obdachlosen gemacht. Jetzt die Möglichkeit zu haben regelmäßig Fotos zu schießen um gesellschaftlich wichtige Themen zu thematisieren, dass bedeutete ihm viel, das wusste ich.

Optimisten werden immer zuerst gefressen Where stories live. Discover now